Wann spricht man von Talenten und welche Vorstellungen haben sie von ihrem zukünftigen Arbeitsplatz? Ein Beitrag mit Denkanstößen für die Personalgewinnung.
Sie sind meist rar, stark nachgefragt und besitzen zentrale Schlüsselkompetenzen für den langfristigen Unternehmenserfolg: junge Talente. In einer Zeit, in der sich Erwartungen, Einstellungen, Werte und Arbeitsbedingungen ständig verändern, gilt es, Personalgewinnungsstrategien laufend zu hinterfragen und die Zielgruppe zu verstehen.
Talent im engeren u. weiteren Sinne
High Potentials, Top-Performer, Hochleistungsträger, Talente – all diese Begriffe weisen auf Personen mit Fähigkeiten hin, die nicht alle besitzen. Forscher sprechen von High Potentials, wenn gewisse Eckdaten erfüllt sind: eine höhere fachliche Ausbildung, eine sehr starke Motivation und Freude an einer herausfordernden Tätigkeit, ein sozial kompetenter Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten sowie ein stetiges Bedürfnis nach persönlicher und beruflicher Weiterbildung. Die meisten Definitionen des Begriffs »Talent« gehen in eine ähnliche Richtung, Abweichungen ergeben sich aber beim Kriterium »höhere fachliche Ausbildung«. Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung umschreibt Talente als Personen mit strategisch relevanten Kompetenzen, die das Unternehmen für die Besetzung einer erfolgskritischen Position benötigt. Für Arbeitgeber entscheidend ist, selbst zu definieren, welche Personen mit welchen Merkmalen für sie unter den Begriff Talent fallen.
Talent-Management
Sind Talente und Merkmale von der Organisation festgelegt, dann geht es um den Umgang mit dieser Zielgruppe, auch Talent-Management genannt. »Getting the right people with the right skills into the right job« ist ein von Capelli geprägter Ansatz, der rein auf die Personalgewinnung abzielt. Das Konzept Talent-Management bezieht sich gemäß Ritz und Thom jedoch auf mehr als nur Gewinnung. Diesen Autoren nach geht es um Organisationskonzepte und -maßnahmen, die sich gezielt mit der Gewinnung, Erhaltung und Entwicklung von gegenwärtigen oder zukünftigen Mitarbeitenden beschäftigen. Auch hier gibt es unterschiedliche Dimensionen: Talent-Management kann sich je nach Auffassung auf alle Mitarbeitenden eines Unternehmens beziehen oder das Management spezifischer Zielgruppen mit besonderen Talenten betreffen.
Erwartungen der Hochbegabten
Wichtig im Talent-Management ist die Analyse der Erwartungen der (spezifisch definierten) Talente an ihre Arbeitgeber. In einer Schweizer Studie befragte Ritz hochbegabte Personen in der Endphase ihres Hochschulstudiums. Dabei zeigte sich, dass sich die Interviewten ihrer Arbeitsmarktattraktivität sehr bewusst sind. Im Zuge der Arbeitssuche erwarten sie sich von Arbeitgebern einen guten Unternehmens-Auftritt (Internet, Veranstaltungen), die Möglichkeit von Praktika und berufsbegleitenden Abschlussarbeiten sowie Offenheit in Hinblick auf unterschiedlichste Ausbildungs-Hintergründe (beispielsweise kein reiner Fokus auf Wirtschaftswissenschaften). Die Attraktivität eines Arbeitgebers bewerten sie u. a. anhand von Image der Organisation, Unternehmenskultur/-philosophie, Firmenstandort, Arbeitszeitmodellen, internationalen Karrieremöglichkeiten, Entlohnung, Angebot an Aus- und Weiterbildungen (on und off the job) und klaren Perspektiven.
Spricht man von Talenten im weiteren Sinne, dann vermitteln die »Recruiting Trends 2020« einen guten Einblick in die Gedankenwelt junger Menschen, geboren zwischen 1994 und 2002. Gleich ob Studierende, Lehrlinge oder Schüler, am wichtigsten ist ihnen die Zufriedenheit im Job. Für Schüler und Studierende folgen an zweiter Stelle Sorgenfreiheit und Sicherheit, bei Lehrlingen ist es die Anerkennung. Gemäß Studie achten sie sehr darauf, wo sie örtlich arbeiten dürfen. Die Möglichkeit von Home-Office spiele für sie eine entscheidende Rolle. Dass die Ereignisse der Pandemie die Erwartungen an den zukünftigen Arbeitsplatz verändert haben, verdeutlicht auch eine aktuelle Studie von PwC Österreich. Befragte Personen im Alter zwischen 16 und 28 Jahren streben demzufolge nach mehr eigener Kontrolle über ihre Zeit und den Ort, an dem sie ihre Arbeit verrichten. Flexible und planbare Arbeitszeiten sowie die gelegentliche Nutzung von Home-Office gelten als die wichtigsten Kriterien eines idealen Arbeitgebers. An zweiter Stelle steht ein gutes, fixes Grundgehalt inklusive korrekter Bezahlung von Überstunden. Nicht zuletzt erwarten sie sich interessante und herausfordernde Tätigkeiten sowie eine leistungsbezogene Beförderung, basierend auf glaubwürdigen und fairen Beurteilungen der Vorgesetzten.
Strategien im War for Talents
Der Kampf um Talente lässt Unternehmen unterschiedliche Strategien entwickeln. Nicht alle Unternehmen reagieren offensiv, einige überlassen das Feld der frühen Talentsuche weitgehend dem Bildungssystem. Zu den Maßnahmen aktiver Unternehmen zählen Talent-Scouting an Schulen und Hochschulen, Teilnahmen an Karrieremessen, die Vergabe von Praktikumsplätzen und Abschlussarbeits-Themen oder organisierte Firmenbesichtigungen. Hinzu kam in den letzten Jahren verstärkt die Nutzung von Social Media. Ein Sponsoring für diverse Begabten-Wettbewerbe oder eine Partnerschaft für Elite-Programme bleibt meist nur großen, finanzkräftigen Unternehmen vorbehalten. Sie sind es auch, die mit attraktiven Qualifikationsangeboten locken wie z. B. dualen Studienangeboten.
Impulse für Organisationen
Bei der Gewinnung und Bindung der »richtigen Talente« können zusammengefasst folgende Fragen Impulse liefern:
- Welche Talente mit welchen Kompetenzen benötigen wir für den langfristigen Unternehmenserfolg?
- Welche Erwartungen hat die Organisation an diese Talente?
- Welche Einstellungen und Erwartungen haben diese Talente an ihre zukünftige Arbeit bzw. ihren Arbeitgeber? Was motiviert sie?
- Wo bzw. wie kann es gelingen, mit diesen Talenten frühzeitig in Kontakt zu treten?
- Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um diese Talente langfristig zu binden? Welche bestehenden Maßnahmen gilt es eventuell neuen Gegebenheiten anzupassen?
- Wie lautet unsere Talent-Management-Strategie, die klar nach außen und innen kommuniziert werden soll?