Leapfrogs: mit einem Bocksprung in die Führungsebene? Über die Zukunft von Führungskräftekarrieren und Auswirkungen auf die Personalentwicklung.
Leapfrog Succession (auf Deutsch: Bocksprung-Karriere) bedeutet, dass bei der Wahl von Kandidaten für neue Spitzenpositionen (etwa CEOs) Führungskräfte zum Zug kommen, die Führungsebenen überspringen. Leapfrogging bzw. Bockspringen kennen wir aus der Schulzeit, wobei man eben über einen Bock oder einen Mitschüler springt. In der Personalmanagementliteratur werden diesen sog. »Leapfrog-Leaders« frische und zukunftsweisende Perspektiven und Ideen nachgesagt. Dies sind sozusagen potenzielle Führungskräfte, welche Signale in der heutigen sich rasch ändernden Arbeitswelt besser und schneller erkennen, verstehen und darauf reagieren und damit wiederum ihren Erfahrungsmangel wettmachen. Es handelt sich hier um eine beschleunigte Beförderung, bei der Nachwuchstalente mindestens eine Führungsebene überspringen und damit direkt in Spitzenpositionen landen. Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob diese Talente wirklich schon so weit sind, um Unternehmen erfolgreich zu steuern und in weiterer Folge HR dabei bestmöglich unterstützen kann.
Wandel in Spitzenpositionen
Organisationen werden komplexer, globale Märkte ändern sich rasant, der Wettbewerb wird durch neue Technologien immer intensiver. Die Arbeitswelt ist im stetigen Wandel. Neues Denken ist gefragt. Organisationen setzen dabei auf Führungskräfte, die im Chaos zurechtkommen und Ordnung finden, die neue Geschäftsmodelle verstehen, Trends erkennen und Veränderungen forcieren. Dabei ist es nicht zwingend notwendig, dass sie den klassischen hierarchischen Karriereweg bestreiten. Vielmehr werden immer öfter Hierarchiestufen übersprungen und man vertraut auf »Leapfrog-Leader«. In der Personalmanagementliteratur wird diesen nachgesagt, sich in komplexen Situationen wohl zu fühlen und mit begrenzten Informationen handeln zu können. Sie zeichnen sich vor allem durch frische, zukunftsweisende Perspektiven und innovative Ideen aus. Was diese Führungskräfte definiert, ist die beschleunigte Beförderung, nicht das Alter, denn viele von ihnen sind noch überraschend jung. Diesen Mangel an Erfahrung hofft man insbesondere durch Change-Leadership und digitale Kompetenzen wettzumachen, insbesondere, um die Signale des heutigen unvorhersehbaren Umfelds schneller zu verstehen und darauf reagieren zu können.
Klassische Anforderungen an Spitzenführungskräfte wie beispielsweise Intelligenz, Integrität und Ausdauer sind nach wie vor entscheidende Kriterien. Hinzu kommen nun aber vermehrt der spielerische Umgang mit neuen Technologien und digitalen Medien, Innovationsfähigkeit, Neugierde und der Mut zu handeln. Die am besten geeigneten Kandidaten werden zunehmend weiter unten in der Organisation gesucht und gefunden. Häufig zu beobachten ist dieser Trend in den Bereichen Technologie, Medien- und Telekommunikation sowie im Einzelhandel. Firmen wie Google oder Microsoft haben hierbei schon positive Erfahrungen gemacht.
Talentmanagement
Der Trend, nicht mehr zu warten, bis herausragende Nachwuchs-Führungskräfte durch mehrjährige Hierarchieebenen gegangen sind, um ihre Führungserfahrung zu entwickeln und sie stattdessen frühzeitig in Spitzenpositionen zu setzen, hat entscheidende Auswirkungen auf die Talent-Manager. Dies beeinflusst zunehmend, wie wir Führungskräfte erfolgreich finden, entwickeln und positionieren. Ein risikoreiches Unterfangen?! Denn wie können Talent-Manager erkennen, wer wirklich schon für eine Spitzenposition geeignet ist, obwohl es augenscheinlich an jahrelanger Führungserfahrung fehlt? Eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob junge Mitarbeiter mit Potenzial als »Leapfrogs« in Frage kommen, sind Executive Assessments. Executive Assessments bestehen zunehmend aus mehreren Modulen. Das Kernstück ist ein biografie- und kompetenzorientiertes Experteninterview. Zusätzlich kommen oft noch Rollenspiele, psychometrische Testverfahren und Vorträge zum Einsatz. Gut gestaltete Executive Assessments messen nicht nur bisherige Erfahrungen, sondern helfen zudem, das Potenzial für zukünftige Leistungen vorherzusagen. Sie bieten Einblick in das Verhalten unter Druck und zu Führungsfähigkeiten, etwa bei Interviews mit der Presse, in Kundengesprächen, bei Geschäftsessen mit Investoren. Wie unter großem Druck reagiert wird, ist ein entscheidender Indikator für den Erfolg in der nächsten oder sogar übernächsten Hierarchieebene.
Wichtige Voraussetzung zur Weiterentwicklung ist die Selbstreflexionsfähigkeit verbunden mit hoher Lernbereitschaft (Learning Agility). Geeignete Instrumente stellen Mentoring-Programme, Coaching, 360-Grad-Feedback, Erfahrungsgruppen oder etwa Rollenspiele dar. Zur Vertiefung der digitalen Kompetenzen und der Medienkompetenzen, insbesondere im virtuellen Kontext, zählen Workshops, Revers Mentoring, mobiles Lernen, Lernen mit Datenbrillen oder auch virtuelle Lern-Communities.
Leapfrog-Leader, die beispielsweise von extern rekrutiert wurden, bringen nicht nur frischen Wind ins Unternehmen, sie können auch auf Widerstand seitens der Belegschaft und der Investoren stoßen. Daher ist starker Rückhalt wichtig. Die Unterstützung der obersten Führungsebene, der Personalabteilung, aber auch der Kollegen, sind unabdingbar. Ein Mentoringprogramm während der ersten Monate stellt eine gute Möglichkeit zur Vorbereitung auf den Umgang mit großer Verantwortung dar. Klar ist jedoch, dass insbesondere maßgeschneiderte Programme essenziell sind.
Fazit
Der Personalentwicklung kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Sie hat die Aufgabe in der Findung, Entwicklung und Positionierung dieser Entscheidungsträger frühzeitig mitzuwirken und für den Erfolg wichtige Weichen zu stellen. Innovative Ideen sind hierbei gefragt!
Literatur
Frangos, C. 2016: Leapfrog Succession and the New Leadership Paradigm. In: People + Strategy
Franken, S. 2016: Führen in d. Arbeitswelt der Zukunft. Instrumente, Techniken u. Best Practice Beispiele. Wiesbaden, Springer Gabler
Klaus H./Schneider, H. (Hrsg.) 2016: Personalperspektiven. Human Resource Management und Führung im ständigen Wandel. Wiesbaden, Springer Gabler
Weinert S./Stulle, K. (Hrsg.) 2015: Executive Assessment. Zentrale Instrumente im Überblick. Berlin Heidelberg. Springer Verlag.