KI in der Arbeitswelt

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem Einsatz von KI in der Arbeitswelt und den dabei aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachtenden Vorgaben und Voraussetzungen.

Die Einsatzmöglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) entwickeln sich ständig weiter und spielen in vielen Lebensbereichen und dementsprechend auch in der Arbeitswelt eine stark wachsende Rolle. Vor allem durch die Veröffentlichung von ChatGPT (ein Chatbot, d. h., ein Roboter, mit dem man kommunizieren kann und der dazu KI einsetzt) durch ein US-amerikanisches Unternehmern im November 2022, das diverse Funktionen und Services zur Generierung von Antworten auf ganz unterschiedliche Fragen bzw. Aufgaben kostenlos zur Verfügung stellt, wurde das öffentliche Interesse an KI mit einem Schlag erhöht.

Was ist KI?

KI bzw »Artificial Intelligence« (AI) wird weltweit nicht einheitlich definiert. Die Europäische Union (EU) beschreibt KI als die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fertigkeiten, wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität, nachzuahmen. Wie oft Personen KI bereits in ihrem privaten oder beruflichen Alltag nutzen, ist diesen meist nicht bewusst, so wie dies auch beim vermehrten Transfer personenbezogener Daten (vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) zunächst der Fall war. Nicht nur Suchmaschinen wie Google sind eine Art von KI, sondern auch im Arbeitsalltag häufig verwendete Übersetzungssysteme wie DeepL.

AI Act auf EU-Ebene

Angesichts der erwähnten Entwicklungen bereiten die gesetzgebenden Organe der EU aktuell eine Verordnung vor, die den Einsatz von KI rechtlich regeln und einen gewissen Schutz beim Einsatz technischer Systeme gewährleisten soll. Das Europäische Parlament hat am 14. Juni 2023 mit Mehrheit einem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (Gesetz über Künstliche Intelligenz) und zur Änderung bestimmter Rechtsakte der EU (Artificial Intelligence Act – AI Act) zugestimmt. Nach weiteren Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament über den finalen Text der Verordnung wird diese voraussichtlich 2024 erlassen werden. Für HR ist die Regelung des Einsatzes von KI-Systemen insbesondere für das Recruiting, aber auch für Entscheidungen über Beförderungen, über Kündigungen von Arbeitsverhältnissen und für die Überwachung und Bewertung der Leistung und des Verhaltens von Arbeitnehmern von Bedeutung. Darüber hinaus können KI-Systeme künftig z. B. auch über den Zugang von Arbeitnehmern zu allgemeiner und beruflicher Bildung entscheiden. Der Einsatz von KI-Systemen in diesem Bereich ist nicht verboten, unterliegt jedoch strengen Regeln, weil es sich dabei laut dem Entwurf der Verordnung um Hochrisiko-KI-Systeme handelt.

Einsatz von KI in der Arbeitswelt

Der erwähnte Chatbot ChatGPT kann als Recherchetool (z. B. für einfache rechtliche HR-Fragen, wie Kündigungsfristen in den betreffenden Ländern, z. B. unter Berücksichtigung der Regelungen im maßgeblichen Kollektivvertrag) oder zum Verfassen von Texten (z. B. für Stellenausschreibungen, Kündigungsschreiben oder auch den Entwurf eines Arbeitsvertrages) nach bestimmten Vorgaben eingesetzt werden. Je konkreter die unternehmerischen Vorgaben in der Praxis sind und je stärker daher in allgemeine Standards aufgrund der Praxis im Betrieb, der jeweiligen Werte etc. eingegriffen wird, desto komplexer sind die an die KI zu erteilenden Vorgaben, desto intensiver werden die Ergebnisse individuell überprüft werden müssen, und desto stärker ist der Mehrwert und die Effizienz des Einsatzes von KI-Systemen zu hinterfragen.
KI kann grundsätzlich auch im Bereich der Entlohnung von Arbeitnehmern zur Berücksichtigung gewisser, marktübergreifender Standards eingesetzt werden. Die Zahlung eines Gehalts, das den Erwartungen der Arbeitnehmer und der Realität am Arbeitsmarkt entspricht, ist von großer Bedeutung, um Arbeitnehmer im Betrieb zu halten (Stichwort »Employee Retainment«) bzw. für das Employer Branding. KI kann bei der Festlegung des Gehalts neben den Vorgaben laut Kollektivvertrag sowie den Valorisierungen auch zusätzliche Faktoren berücksichtigen, wie z. B. die Inflation, die aktuellen Lebenshaltungskosten oder die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in bestimmten Branchen. Der Einsatz von KI-Systemen bei der Berechnung des Gehaltes könnte auch vermehrt dem nach wie vor bestehenden »Gender Pay Gap« (geschlechtsspezifisches Lohngefälle) entgegenwirken, weil das System auf der Grundlage der vorgegebenen Daten grundsätzlich neutral bleibt und nicht wegen des Geschlechts, sondern ausschließlich anhand der vorgegebenen sachlichen Parameter differenziert. KI-Berechnungen könnten daher dazu beitragen, gerechte(re) Gehälter für die Arbeitnehmer festzulegen. KI kann die Unternehmen aus HR-Sicht auch dabei unterstützen, eine attraktive Employer Value Position (EVP – Arbeitgeberwert) zu schaffen, indem die besonderen Vorteile und die Kultur des Unternehmens auf Social Media oder sonst hervorgehoben werden, um die besten Bewerber anzuziehen. Dabei werden z. B. Daten aus Umfragen zur Zufriedenheit der Arbeitnehmer untersucht, um zu ermitteln, weshalb diese für das konkrete Unternehmen arbeiten möchten.

KI im Recruiting und bei der Beendigung

Der Einsatz von KI-Systemen im Recruiting oder bei anderen Personalentscheidungen kann diese erheblich vereinfachen (insbesondere bei sich wiederholenden Aufgaben und Prozessen), aber auch unbeabsichtigte Diskriminierungen zur Folge haben, wenn die KI unsachliche Grundsätze und daher programmierte Vorurteile für die Auswahl der einzustellenden, zu befördernden oder zu kündigenden Kandidaten verwendet. Durch den Entfall menschlicher Interaktion zwischen Recruiter/HR und Bewerber und der Möglichkeit, gegenzusteuern, können unsachliche Kriterien verfestigt werden. Bewerber und bereits eingestellte Mitarbeiter haben nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) ein Recht auf eine diskriminierungsfreie Behandlung und andernfalls Schadenersatz- oder weitergehende Ansprüche.
Darüber hinaus müssen Arbeitgeber beim Einsatz von Algorithmen das geltende Datenschutzrecht beachten. Nach Art 22 DSGVO haben Personen das Recht, keiner ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihnen gegenüber rechtliche Wirkungen hat oder sie in ähnlicher Weise beeinträchtigt (z. B. Ablehnung des Abschlusses eines Arbeitsvertrages), wenn dafür keine im Gesetz genannte Ausnahme vorliegt. Das Datenschutzrecht wird nur dann verletzt, wenn die Entscheidung ausschließlich automatisiert, d. h. ohne menschliches Eingreifen erfolgt, Bewerber also z. B. im Rahmen eines Online-Recruiting-Tools ihre Qualifikationen angeben und automatisch abgelehnt werden, weil sie bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllen. Der Arbeitgeber könnte dies verhindern, indem er das KI-Tool nur als Entscheidungshilfe für das weitere Verfahren verwendet. Eine einschlägige gesetzliche Ausnahme wäre beim Recruiting z. B. dann gegeben, wenn die auf einer automatisierten Verarbeitung beruhende Entscheidung für den Abschluss eines Vertrages erforderlich ist, sich also eine sehr große Anzahl an Personen auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, und die Recruiter keine Chance haben, sich alle Unterlagen anzusehen, um die offene Stelle zu besetzen. In diesem Fall ist mit Art 22 DSGVO vereinbar, dass der Arbeitgeber Algorithmen einsetzt, die automatische Absagen an jene Bewerber senden, die nicht einmal die in der Stellenausschreibung genannten Mindestvoraussetzungen erfüllen. Hier bringt der Einsatz von KI im Recruiting erhebliche Vorteile, weil KI-Systeme in kurzer Zeit tausende Unterlagen vorsondieren bzw. erste Gespräche mit den Bewerbern führen können. Die Recruiter/HR erhalten die konkreten Informationen, die sie für die weitere Entscheidung benötigen und können direkt mit diesen arbeiten. Neben dem Vorteil der umfassenden Sprachkenntnisse und der Möglichkeit, außerhalb der Schranken des Arbeitszeitrechts, rund um die Uhr zu arbeiten, lernt das KI-System auch immer mehr über die Bewerber oder Mitarbeiter, weil es sich auch im Internet und auf Social Media Informationen über diese beschaffen kann. In diesem Zusammenhang ist aber insbesondere bei Beförderungen oder Beendigungen darauf zu achten, dass ein KI-System nicht das Datenschutzrecht oder arbeitsrechtliche Bestimmungen verletzt, indem es willkürlich im Internet nach veröffentlichten Informationen über Mitarbeiter sucht und diese in die Entscheidung – in einem die bisher von der Judikatur aufgestellten Schranken zur Nutzung solcher Daten auf Social-Media-Accounts o. ä. weit übersteigenden Ausmaß – miteinfließen lässt. Für die finale Entscheidung sind daher stets die Arbeitsrechts-Teams miteinzubinden, um Verstöße gegen rechtliche Vorgaben und Verwaltungs- oder sonstige Gerichtsverfahren tunlichst zu vermeiden.

Einbindung des Betriebsrates

Der Einsatz von KI-Systemen kann abhängig von deren Gestaltung und Ausmaß zwingend den Abschluss einer Betriebsvereinbarung voraussetzen, wenn es sich um ein System zur Kontrolle der Arbeitnehmer nach § 96 Abs 1 Z 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) handelt, sofern dieses System die Menschenwürde berührt. Besteht kein Betriebsrat im Unternehmen, bedarf es idZ der Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer. Zu denken ist beim Einsatz von KI auch an den BV-Tatbestand in § 96a ArbVG, wie dieser bereits beim Einsatz bisher gängiger Personaldatensysteme in Unternehmen verwirklicht wird. In der Praxis kommt es daher vermehrt zum Abschluss von IT-Rahmen-Betriebsvereinbarungen, die dann bloß an die einzelnen technischen Erweiterungen/Änderungen angepasst, aber nicht neu verhandelt werden müssen. Abgesehen davon hat der Betriebsrat nach § 91 Abs 2 ArbVG ein Informationsrecht, wenn personenbezogene Daten der Arbeitnehmer verarbeitet werden, das auch das Recht auf Information über die verwendete Software bzw. die verwendeten Programme und grundsätzlich auch KI-Systeme umfasst.

Fazit

Auch wenn KI in der Arbeitswelt bereits eine wichtige Rolle spielt, ist es wohl noch zu früh, um über deren konkrete Auswirkungen und eine Nutzen-Risken-Analyse zu sprechen. Wenn KI-Systeme im HR-Bereich eingesetzt werden, sollte ihre Arbeitsweise immer auch von Menschen kontrolliert werden, um – auch nur unbeabsichtigte – Diskriminierungen und mögliche arbeits- und datenschutzrechtliche Sanktionen zu vermeiden. Durch ein bestimmtes Maß an menschlichen Eingriffen sollten die erwähnten rechtlichen Vorgaben eingehalten und zugleich die von KI-Systemen auch für HR geschaffenen Möglichkeiten genutzt werden können.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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