Krisenfeuerwehr HR-Management?

In einigen Unternehmen denkt HR noch sehr kurzfristig. Warum es wichtig ist, Personalentscheidungen auch strategisch zu sehen, erfahren Sie in diesem Interview.

Laut Literatur soll HRM so gestaltet werden, dass es mit der Unternehmensstrategie korrespondiert. Leider funktioniert das nur selten. Woran liegt das?

Die Grundsatzfrage, die sich jede Organisation in dieser Hinsicht stellen muss, ist: »Inwiefern wird HRM in Strategieentscheidungen mitgedacht?« Ist kein Vertreter der Personalabteilung in strategischen Gremien vertreten – aus welchen Gründen auch immer – sollten deren Agenden dort zumindest von anderen Mitgliedern mitrepräsentiert werden.

Warum ist das so wichtig?

Nahezu jede kurz-, mittel- oder langfristige Strategieentscheidung hat Auswirkung auf Personalplanung, Personalentwicklung, Personalkosten usw. Jeder neue Prozess wirft für das HR-Management folgende Fragen auf: Sind wir als Organisation für die künftigen Anforderungen richtig aufgestellt? Haben wir ausreichend Ressourcen? Haben wir die richtigen Kompetenzen im Haus? Wie lange dauert es, um betroffene Mitarbeiter zu finden oder mit entsprechenden Kenntnissen und notwendigem Wissen auszustatten? Diese Fragen muss man sich vorab stellen. Idealerweise passiert das bereits ganz zu Beginn neuer Herausforderungen – also dann, wenn Entscheidungen diskutiert und getroffen werden.

Was müsste geschehen, damit die Schnittstelle zwischen Strategie und Personal besser zusammenarbeitet?

HR-Interessen müssen in einem ersten Schritt als strategische Komponente wahrgenommen werden – auch in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Ganz wesentlich ist dann natürlich auch, dass Personalverantwortliche auch in Entscheidungsgremien repräsentiert – oder noch besser – selbst vertreten sind.

Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, dass HR an die Unternehmensstrategie ausgerichtet ist?

Mangelhafte Abstimmung zwischen HR und Unternehmensführung passiert häufig und ist in den seltensten Fällen »böse gemeint«. Läuft eine Organisation gut und profitabel, wird von beiden Seiten oft kein Bedarf gesehen, Dinge zu ändern oder auf breiterer Front anzugehen.
Führt HR in Unternehmen ein Schattendasein, kann das jedenfalls massive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben: Was bedeuten konkrete strategische Entscheidungen für das Arbeitsrecht? Haben wir allfällige Nachfolgeplanungen und benötigte Mitarbeiterentwicklung mitgedacht? Ich bin davon überzeugt, dass es in der Verantwortung der HR-Abteilungen liegt, den »Faktor Mensch« und dessen Rolle im Unternehmen auch in Führungsgremien zu repräsentieren. Das Problem strategischen HR-Managements liegt darin, dass es einfach relativ lange braucht, bis gesetzte Maßnahmen auch greifen.

Was sollte HR antworten, wenn es gefragt wird: »Was ist Ihr Beitrag zu unserem Unternehmenserfolg?«

Erfolgsmessung hat für viele Führungskräfte immer etwas mit Key Performance Indikatoren (KPI) und Messbarkeit zu tun. Das ist in der HR-Arbeit natürlich möglich und hat über weite Strecken auch seine Berechtigung. Für mich sollte HR sich idealerweise gar nicht erst in der Rechtfertigungsposition befinden. Das ist aber leider häufig der Fall, weil verabsäumt wird, Ziele, Erwartungen und Rahmenbedingungen vorab zu klären. So sind gewisse Vorgaben oft einfach aufgrund bestehender Strukturen nicht durchführbar: Man kann etwa in einem patriarchalisch-hierarchisch geführten Unternehmen keinen offenen Coaching-Ansatz etablieren, der noch dazu zahlenmäßig quantifizierbaren Erfolg hervorbringt. Wichtig wäre es in vielen Fällen, wenn zwischen Unternehmensleitung und HR ein gemeinsames Verständnis für grundlegende Fragen geschaffen wird: Wohin will das Unternehmen organisatorisch? Wie sollten Mitarbeiter idealerweise miteinander umgehen und zusammenarbeiten? Was sehen wir als Erfolg? Erst daraus sollten Ziele abgeleitet werden.

Besonders das Thema strategische Personalplanung wird laut Studien in der DACH-Region noch sehr stiefmütterlich behandelt. Warum denkt HR häufig so kurzfristig, besonders bei brisanten Themen wie der Personalplanung?

Mit Ausbruch der Wirtschaftskrise ab etwa 2008 hat HR häufig kurzfristig als »Krisenfeuerwehr« in vielen Unternehmen eingreifen müssen, um deren Fortbestand überhaupt zu gewährleisten. Kurzfristiges Handeln hat insofern auf lange Sicht viele Jobs abgesichert. Das gilt vor allem für jene Unternehmen, die nicht einfach Personal abgebaut haben, sondern sich mit Modellen wie freiwilligem Arbeitszeit- und Lohnverzicht auseinandergesetzt haben.
Abgesehen von Krisenzeiten: Es ist in gewissen Branchen nahezu unmöglich, über mehrere Jahre hinaus zu planen, weil diese einfach zu schnelllebig sind und sich Unternehmensstrategien laufend ändern bzw. ändern müssen. Am konkreten Beispiel: Ich halte es für nicht seriös, wenn ich als Personalverantwortlicher eines Online-Unternehmens Prognosen über den Developer-Bedarf im Jahr 2022 abgebe. Es gilt, Trends frühzeitig zu erkennen und abzuleiten, wie sich diese auf das konkrete Unternehmen auswirken könnten, sowohl strategisch als auch personell.
Danke für das Gespräch.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

Olbrich

Thomas Olbrich
ist CCO von karriere.at.
www.karriere.at