Die Zeiten ändern sich – die Anforderungen an Führungskräfte ebenso. Es braucht eine offene, wertschätzende Unternehmenskultur, in der Vertrauen gelebt wird.
»Ich mache nur das Nötigste, sagt ja eh keiner ›Danke‹, wenn ich mich anstrenge.« »Warum tue ich mir das überhaupt an?« »Hier sieht eh keiner, was ich alles leiste.«
Solche Aussagen hören wir heute immer öfter. Motivationsmangel und fehlendes Engagement sind in der Arbeitswelt heute allgegenwärtig. Trotz anhaltender Krisen sind viele Mitarbeiter wenig motiviert und fragen sich, ob ihre Anstrengungen überhaupt wertgeschätzt werden. In diesem Kontext wird die Bedeutung von Employer Branding und neuen Recruiting-Strategien oft betont. Doch essenziell ist, wie man bestehende Mitarbeiter langfristig bindet und motiviert.
Geringes Engagement
Die Motivation der europäischen Arbeitnehmerschaft bereitet Sorge. Gallups »State of the Global Workplace« Report (Juni 2023) bestätigt das Vorherrschen geringer Motivation, wie viele Personalverantwortliche vermuteten. Nur wenige Mitarbeiter zeigen echtes Engagement für ihren Job, ihr Team oder Vorgesetzte. Sie erfüllen lediglich ihre Aufgaben, betrachten die Arbeit als Mittel zum Zweck. Schockierend ist, dass 72 % dieser Befragten bei einer vermeintlich besseren Option den Job wechseln würden.
In Österreich ist nur einer von 10 Mitarbeitern motiviert und fühlt sich dem Unternehmen stark zugehörig. Diese Mitarbeiter fühlen sich von ihrer direkten Führungskraft wertgeschätzt und fühlen sich im Team wohl. Sie sind außerdem bereit, die für viele Unternehmen in der aktuellen Situation so wichtige »extra Meile« zu gehen.
Mehr Wertschätzung, mehr Flexibilität
Unser Ziel für die Zukunft sollte es, zumindest laut Gallup, sein, sich speziell dieser Gruppe an Menschen im Unternehmen anzunehmen. So schnell man sie verlieren kann, so schnell ginge es prinzipiell auch, sie zu loyalen Mitarbeitern zu machen. Oft genügen schon kleine Veränderungen, wie
- mehr Wertschätzung,
- mehr Flexibilität,
- das nötige Vertrauen in deren Fähigkeiten
- oder ein größerer, klar definierter Handlungs- und Entscheidungsspielraum.
Jon Clifton, CEO von Gallup, bringt es auf den Punkt: »Um die Herausforderungen unserer Zeit in den Griff zu bekommen, müssen wir die Art und Weise, wie wir Menschen führen, ändern.«
Führung verändert sich
Das ist eine klare Ansage, nicht nur an Personalabteilungen, sondern in erster Linie an Führungskräfte. Nicht nur die Zeiten, sondern auch die Führung verändern sich und bekommen neue Ansprüche und Zugänge. Das heißt nicht unbedingt, dass vergangene Zugänge schlecht sind, dennoch sollten wir uns überlegen, wie wir auf die neuen Gegebenheiten unserer Zeit reagieren können. Die Corona-Pandemie hat die Menschen wachgerüttelt, nicht nur was die Digitalisierung angeht, sondern auch im Hinblick auf die eigene Work-Life-Balance.
Eine Kultur der Zugehörigkeit entwickeln
Nun stellt sich die Frage, wie Unternehmen es schaffen können, bei der steigenden Flexibilität in Form von Home-Office, neuen Zeitmodellen etc. eine Kultur zu formen, die, trotz teilweiser physischer Distanz, Zugehörigkeit und Verbundenheit schafft. Die Kultur im Unternehmen wird oft vom Top-Management definiert, wo sie allerdings entsteht und gelebt wird, ist ganz woanders. Jedes Team, jede Abteilung und auch jede Division formt ihre eigene Kultur. Oft spiegelt diese die Werte des Unternehmens wider, oftmals aber auch nicht. Woran das liegt? An der Führungskraft. Mitarbeiter kommen nicht zur Arbeit und sind motiviert, weil sie das Unternehmen, für das sie arbeiten, so großartig finden. Der Hauptgrund ist ein gut funktionierendes, stabiles Team. Dafür verantwortlich zeichnet die Führungskraft. Und genau hier gilt es anzusetzen.
60 % der Führungskräfte erhalten keine Führungskräfteentwicklung
Oft werden Personen in Führungspositionen befördert, ohne entsprechende Erfahrung oder Schulung – das sogenannte »Peter-Prinzip«. Diese Praktiken führen zu Kompetenzlücken und tolerieren schlechte Führung, was zu hoher Fluktuation führen kann. Obwohl das Führungsverhalten offensichtlich schädlich ist, wird oft nicht interveniert, aufgrund von Beziehungen zur Geschäftsführung oder vermeintlicher Expertise.
Diese Nachlässigkeit schadet langfristig dem Unternehmen. Es ist an der Zeit, schlechte Führung nicht länger zu dulden. Zwei Hauptwege, die Unternehmenskultur zu zerstören, sind die Belohnung toxischer Teammitglieder und selbstbezogener Führungskräfte. Großartige Unternehmenskulturen setzen auf Teamarbeit und Ermutigung, nicht auf egozentrische Ansätze. Mitarbeiter mit übermäßigem Ego beanspruchen Erfolg für sich und schrecken talentierte Kollegen ab. Dieses schädigende Verhalten zu tolerieren, zerstört die Teamkultur. Um Zugehörigkeit, Retention, Produktivität und Resilienz zu fördern, ist es entscheidend, proaktiv gegen schlechte Führung vorzugehen. Die Zukunft erfordert eine genaue Beobachtung und wirksame Maßnahmen gegen dieses problematische Verhalten.
Während Gehalt, Flexibilität und Zusatzleistungen wichtig sind, sind sie nicht die Lösung für alles. Ein modernes Büro zieht niemanden an, wenn das Teamklima nicht stimmt. Diskussionen über Arbeitszeitmodelle wie die 4-Tage-Woche sollten erst in den Fokus rücken, wenn Team und Führung harmonieren.
Retention verbessern
Die nachhaltigste Methode, die Bindung ans Unternehmen zu stärken, ist die direkte Führung. Eine zeitgemäße, werteorientierte Führungskräfteentwicklung ist entscheidend. Einmalige Präsenzseminare reichen nicht mehr aus. Kontinuierliche Begleitung und individuelle Teamentwicklung sind essenziell. Maßnahmen wie Coaching, Empowerment und Servant Leadership müssen konkret umgesetzt werden. Nur so kann die Zugehörigkeit und Verbundenheit im Team gestärkt werden, um gemeinsam erfolgreich zu sein.
Tipps zur Stärkung der Verbundenheit und Zugehörigkeit im hybriden Alltag:
- transparente Kommunikation, Coaching und klare Ziele in einer Community betonen,
- regelmäßiger Austausch, Teamaktivitäten und -projekte fördern,
- eine unterstützende Kultur der Wertschätzung etablieren,
- Flexibilität und Inklusion priorisieren,
- Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und fördern,
- Generationenverständnis fördern,
- Funktion und Zweck (1-on-1 virtuell, Präsenzlösungen) verbinden,
- digitale Zusammenarbeit ermöglichen,
- Zusammenarbeit regelmäßig evaluieren und in Frage stellen.