Lehrlinge – einst und heute

Der Logistik-Dienstleister Dachser bildet Jahr für Jahr rund 30 Lehrlinge in Österreich aus. TRAiNiNG unterhielt sich darüber mit der Ausbildungsleiterin Anja Renger.

In welchem Bereich ist Dachser tätig und wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen?

Wir sind ein internationales Logistik- und Trans-portdienstleistungsunternehmen. Dachser ist ein Familienunternehmen und wurde 1930 in Deutschland gegründet. Seit 2005 steht mit dem Enkel des Firmengründers bereits ein Vertreter der dritten Generation an der Unternehmensspitze. Weltweit sind über 27 500 Mitarbeiter für das Unternehmen tätig. Aktuell beschäftigt Dachser Austria an 10 Standorten 480 Mitarbeitende, davon 72 Lehrlinge.

Wie werden potenzielle Lehrlinge auf das Unternehmen aufmerksam?

Die Ansprache der Jugendlichen erfolgt über verschiedene Wege. Grundsätzlich verfolgen wir hier mehrere Strategien. Eine der wichtigsten ist die Kooperation mit Schulen. Hier am Standort Himberg besteht die Zusammenarbeit mit der polytechnischen Schule bereits seit vielen Jahren, da die Schule einen Logistik-Fachbereich anbietet. Regelmäßig präsentieren wir uns am Tag der offenen Tür, legen Werbematerial auf und informieren die Eltern der Schüler. Außerdem bieten wir an mehreren Terminen pro Jahr die Möglichkeit für Schüler, unseren Betrieb in der Praxis kennenzulernen. Dabei ist es erfahrungsgemäß für die jungen Menschen wichtig, ein Gefühl für die Stimmung am Arbeitsplatz zu bekommen. Ungefähr die Hälfte unserer Lehrlinge kommen über diese Kooperation zu uns. Durch verschiedene andere Maßnahmen wie beispielsweise unser Lehrlingsvideo schaffen wir weiter Aufmerksamkeit. Beim Rekrutieren setzen wir auch auf klassische Print- wie Onlinemedien und vor allem auf persönliche Präsenz auf Fachmessen wie die »vocatium« in Wien. Zudem nutzen wir auch Social-Media-Kanäle wie Facebook für unsere Lehrlingsansprache. Dabei ist es uns als Dachser besonders wichtig, authentisch zu bleiben und nicht jeden Trend mitzumachen.

Wie sieht der Prozess des Lehrlingsrecruitings aus?

Jährlich erhalten wir ca. 150 Bewerbungen am Standort Himberg und nehmen davon 5 bis 8 Lehrlinge auf. Wir bilden dabei sowohl zum Speditionskaufmann als auch zum Bürokaufmann und zum Betriebslogistiker aus. Die meisten Jugendlichen bewerben sich interessanterweise als Bürokaufmann. Ich vermute, das liegt daran, dass junge Menschen zu wenig wissen, welche Möglichkeiten es sonst noch gibt. Das ist meiner Meinung nach gerade für Lehrlinge der falsche Weg, denn echte Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden. Das Prozedere der Lehrlingsauswahl ist mehrstufig. Jeder Bewerber, der vollständige Unterlagen einschickt, wird von uns auch eingeladen. Bei dieser ersten »Hürde« fallen leider schon einige weg. Danach gibt es einen schriftlichen Test, bei dem wir Allgemeinwissen, Logik, Sprachen, Mathematik und die Konzentrationsfähigkeiten abprüfen. Überraschend häufig sehen wir hier Schwächen im Bereich Englisch. Diejenigen, die beim Test bestehen, laden wir zu einem mündlichen Gespräch ein, das wir mit einem strukturierten Fragebogen führen.

Sie sind seit fast 10 Jahren im Bereich der Lehrlingsausbildung tätig. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Das Bewerberfeld hat sich stark diversifiziert. Früher hatten wir gut 90 % Lehrlinge aus der polytechnischen Schule. Heute kommen viele Bewerber nicht mehr über den klassischen Weg. Einige haben höhere Schulen begonnen, dann abgebrochen und sich für eine Lehre entschieden. Was sich auch verändert hat, ist das Niveau bei Sprachen, sowohl Deutsch als auch Englisch, es ist eindeutig schlechter geworden. Früher konnten die meisten Grundlagen in Englisch. Heute gibt es ein paar, die fast fließend über ihren letzten Urlaub sprechen können und andere, die gerade einmal drei Sätze hinbekommen. Das geht Hand in Hand mit der zuvor angesprochenen Diversifikation des Bewerberfeldes. Wenn jemand 2 Jahre in einer HAK war und diese abgebrochen hat, hat sich dieser Jugendliche bereits gewisse Kompetenzen angeeignet, die andere mit Pflichtschulabschluss nicht haben. Früher waren die Ergebnisse der schriftlichen Bewerbungstests zwischen 50 % und 90 %, jetzt sind wir irgendwo zwischen 30 % und 99 %.

Ein weiterer Punkt, der sich geändert hat: Junge Menschen wollen sich nicht mehr regional verändern. Vor 10 Jahren noch war das für ein internationales Unternehmen ein Pluspunkt, wenn viele Länder offen stehen. Jetzt wollen Lehrlinge nicht einmal mehr ihre Ausbildungsstätte verlassen und für ein paar Wochen in ein anderes Bundesland gehen.

Wie geht es weiter, nachdem Sie »Ihre« Lehrlinge ausgewählt haben?

Das größte Problem ist die Zeit zwischen Zusage und eigentlichem Arbeitsbeginn im September. Wir wollen, dass die jungen Menschen den Sommer davor noch genießen und dann so richtig motiviert starten. Die Zusage bekommen die Jugendlichen zum Teil schon im Februar oder März. Bis September springen uns manchmal Jugendliche ab, was unser Planen etwas erschwert. Daher sind wir auch bis zum Arbeitsbeginn regelmäßig in Kontakt mit den neuen Lehrlingen, zum Beispiel über eigene WhatsApp-Lehrlings-Gruppen.

Am ersten Arbeitstag sind es vor allem administrative Angelegenheiten, ein Kennenlernen und ein Rundgang durchs Gelände. Danach stellen sich die HR-Managerin und der Geschäftsführer persönlich vor und berichten über ihren beruflichen Werdegang, welcher auch mit einer Speditionskaufmanns-Lehre begann.

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Wie läuft die Ausbildung dann im Detail ab?

Wir erfüllen natürlich die gesetzlichen Anforderungen, die wir in unseren Ausbildungsplänen umsetzen. Die Lehrlinge werden in jeder Abteilung von einem Tutor betreut und wechseln alle vier Monate in eine neue Abteilung, um einen guten Gesamteindruck des Unternehmens und der Abläufe zu bekommen. Vor allem auch, um die großen Zusammenhänge zu verstehen.

Neben den fachlichen Ausbildungen, die wir vor allem selbst durchführen und bei denen auch Führungskräfte immer wieder Vorträge für die Lehrlinge halten, liegt uns auch die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen am Herzen. Hier arbeiten wir mit externen Partnern zusammen, z. B. mit Dale Carnegie, die bei uns regelmäßig den Kurs »Generation next« durchführen. Seit letztem Jahr arbeiten wir auch mit dem il-Institut für Aus- und Weiterbildung zusammen. Dieses Institut hat ein erfolgreiches Konzept für Lese- und Rechenschwächen im Portfolio, welches einigen Lehrlingen beim Lernen hilft. Wenn wir unseren Lehrlingen mitteilen, dass sie jetzt Kurse besuchen dürfen, sind sie im ersten Moment eher sehr skeptisch eingestellt. Während der Kurse jedoch sind sie ausnahmslos total begeistert.

Besonders wichtig sind in unserer Branche natürlich Sprachen, besonders Deutsch und Englisch. Auch hier arbeiten wir mit einem externen Partner zusammen, mit biz.talk. Da das Sprachniveau leider immer schlechter wird und die Kurse bei unseren Lehrlingen gut ankommen, hat sich die Zusammenarbeit mit dem Sprachinstitut in den letzten Jahren intensiviert. Die Kurse finden in Kleingruppen zu je ca. 7 Personen in 3 unterschiedlichen Leistungsgruppen statt. Hier merken wir sehr schnell Erfolge und die jungen Leute freuen sich, wenn sie so schnell Fortschritte sehen. Selbstverständlich bieten wir für alle interessierten Mitarbeiter ebenfalls Sprachkurse mit biz.talk an.

Außerdem gibt es einmal im Jahr einen Ausflug für ein Wochenende an den Grundlsee, wo wir den Austausch und das Vernetzen der Lehrlinge von unterschiedlichen Standorten und aus unterschiedlichen Lehrjahren fördern. Dabei gibt es während des Tages Teamtrainings, die wir gemeinsam mit der JUFA durchführen. Jedes Wochenende steht immer unter einem Motto. Letztes Jahr war es z. B. »Unternehmertum«. Die Lehrlinge absolvieren Übungen und reflektieren danach, was das mit unternehmerischem Denken zu tun hat. Für die meisten externen Kurse gibt es von der WKO ganz interessante Förderungen für Lehrlinge, deren wir uns natürlich auch bedienen.

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Vor welchen Herausforderungen stehen Sie derzeit?

Ich sehe eine steigende Anzahl an Bewerbern für Lehrstellen bei gleichzeitig sinkender Qualität. Wir wollen es schaffen, weniger Bewerbungen zu bekommen, die aber dafür qualitativ hochwertiger. Das reduziert unseren Verwaltungsaufwand enorm.

Welchen abschließenden Tipp haben Sie für Lehrlingsverantwortliche?

Bei all der Vielfältigkeit unseres Bewerberfeldes liegt die Konzentration auf den Potenzialen, die der jeweilige Lehrling mitbringt. Nicht alleine ein bestandener Test entscheidet, ob der Jugendliche auch ins Unternehmen passt. Wer bei uns beginnt, ist vom ersten Tag an Teil des Teams und dies gilt es im Vorfeld »abzuklopfen«. Da ich keinen meiner »Schützlinge« durch einen Lehrabbruch verlieren möchte, ist mir der Recruitingprozess besonders wichtig.

Danke für das Gespräch.

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Anja Renger

Seit 2003 Ausbildung zur Speditionskauffrau, Dachser Berlin

Seit 2006 bei Dachser in Österreich

Seit 2008 Ausbildungsleitung bei Dachser Austria in Himberg

Seit 2014 zusätzlich Speditionsleitung