Management by SINN

Wie Führungskräfte zu Sinnstiftern werden können, lesen Sie hier.

»Meine Arbeit muss Sinn ergeben!« sagen 73 % der Befragten in der Studie »Was ist gute Arbeit?«. Nicht nur die jüngeren Generationen, Gen Y und die langsam auf den Arbeitsmarkt drückende Gen Z, hinterfragen und wollen das »Warum« hinter allem wissen – beruflich wie privat. Welchen Sinn hat das Unternehmen? Welchen Sinn hat mein Arbeitsplatz? Daher sind die Führungskräfte der Zukunft noch mehr gefordert, ihren Mitarbeitern den Sinn von Aufgaben im Einzelnen sowie den Sinn ihrer Arbeit und den Sinn des ganzen Unternehmens im Allgemeinen zu erklären. Aber was heißt das eigentlich genau – »Sinn ergeben«? Denn was für den einen durchaus sinnvoll erscheint, ist für den anderen noch lange nicht klar. Die Sinnfindung hängt von zahlreichen Faktoren ab und ist etwas sehr Individuelles, sehr Subjektives.

Folgendes 4-Säulen-Modell gilt Führungskräften als Gerüst, anhand dessen sie den Sinn von Arbeit klar und strukturiert erklären können. Daran orientieren können sich auch alle HR- und Personalverantwortlichen, um sowohl neue Bewerber als auch bestehende Mitarbeiter vom Sinn ihrer Tätigkeit im Unternehmen zu überzeugen. Ich benutze das Akronym »SINN« für die verschiedenen Aspekte der Sinnsuche.

S – SelbstBEWUSSTsein
Als Erstes gilt es herauszufinden, wie der Einzelne tickt. Wer er ist, was er kann und was er will. Diesem SelbstBEWUSSTsein des Mitarbeiters gilt es zu entsprechen. Denn wer tut, was er liebt und kann, ist seinem Sinn schon einen großen Schritt näher. Dazu gehören aber auch Faktoren wie seine Motivationsknöpfe und seine Vorstellung von einem idealen Arbeitsumfeld. Jeder hat hier andere Vorstellungen. Der eine braucht die quirlige Atmosphäre eines Großraumbüros, der Sensiblere braucht für seine Konzentrationsfähigkeit die Ruhe im Einzelbüro. Über Persönlichkeitsanalysen wie DISG, Insights, Reiss-Profil oder 9 Levels kommt man den Werten und Eigenschaften der Person näher. Wer einen etwas anderen Blickwinkel wagen möchte, dem sind auch astrologische Persönlichkeitsanalysen oder Berufsanalysen empfohlen. Beschäftigt sich eine Führungskraft individuell mit dem einzelnen Mitarbeiter und versucht, den Führungsstil an dessen persönliche Art anzupassen, dann drückt das nicht nur eine hohe Wertschätzung und Achtung seitens des Arbeitgebers aus, sondern fördert auch das, was die zweite Bedeutung des Wortes »Selbstbewusstsein« meint: nämlich das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters und das Vertrauen in seine Fähigkeiten.

I – Innerer Frieden
Die zweite Säule nenne ich den inneren Frieden. Hier geht es darum, ob sich der Mitarbeiter generell mit dem Unternehmen identifizieren kann. Oft wird tief im Inneren gehadert, ob der Arbeitgeber wirklich der richtige ist. Bei diesem Aspekt spielen der gesamte Unternehmenssinn, die Vision und die Corporate Culture eine wichtige Rolle. Und damit sind wir an der Basis der Sinnfindung im Unternehmen angekommen. Welche Werte verkörpert das Unternehmen? Und wie werden diese auch gelebt und sichtbar? Die Führungskraft tut gut daran, in regelmäßigen Abständen die Mitarbeiter ins aktuelle Geschehen des Unternehmens als Ganzes mit einzubeziehen. Welche Ziele und Visionen werden derzeit verfolgt? Welche Herausforderungen gibt es aktuell? Auf welche Marktveränderungen geht das Unternehmen wie ein, um die Arbeitsplätze langfristig zu sichern? Nur so kann in den Mitarbeitern das zufriedene Gefühl gestärkt werden, beim richtigen Arbeitgeber zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Denn wer grundsätzlich mit seinem Arbeitgeber im Reinen ist und sich mit ihm identifizieren kann, den können auch Konflikte am Arbeitsplatz oder große Change-Projekte so schnell nicht aus der Bahn werfen. Ein wichtiger Faktor für den inneren Frieden, der gerne unterschätzt wird, ist aber auch der Status des Unternehmens nach außen, das Employer Branding, die starke Marke. Die Kunst der obersten Führungsriege ist es, das Unternehmen so aufzustellen, dass Mitarbeiter tief im Inneren stolz sind, bei diesem Unternehmen arbeiten zu dürfen. Denn nur so ist eine langfristige Mitarbeiterbindung möglich. Und die ist in Zeiten von Fachkräftemangel, War for Talents und demografischen Veränderungen überlebenswichtig. Das deutsche Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) stellte gerade im Oktober 2018 in einer Studie fest, dass für die heutige Jugend Status und Ansehen als Einflussgröße Nummer eins gilt. Und zwar nicht nur bei der Wahl der richtigen Turnschuhe, das neuesten Smartphones oder der Marke der Jeans, sondern auch bei der Wahl des Arbeitsplatzes bzw. der Ausbildungsstätte. Plattformen wie kununu, Glassdoor & Co. werden dazu genutzt, Image und Reputation »abzuchecken«. Wie cool ist es, bei dem einen oder anderen Arbeitgeber zu arbeiten? Sind meine Eltern, mein soziales Umfeld stolz auf mich, wenn ich hier arbeite? Kann ich den Job mit meinen Werten vereinbaren? Kann ich hinter dem Unternehmenszweck stehen, z. B. in der Rüstungsindustrie, aber vielleicht auch in Bereichen wie Pharma, Atomkraft etc.? Bin ich hier mit mir »im Reinen«? Ob der Mitarbeiter das mit Ja beantworten kann, hängt von dessen Persönlichkeit, aber auch vom guten (Recruiting) Marketing des Unternehmens ab. Nicht umsonst sind die Auszeichnungen zum besten Arbeitgeber Deutschlands oder Great Places to Work begehrt. So hat eine Abstimmung über kununu 2018 adidas auf Platz 1, Google Germany auf Platz 2 und Bayer auf Platz 3 gereiht – noch vor BMW, Daimler, SAP, Puma und dem Flughafen München. Die Führungskraft der Zukunft sollte sich gut überlegen, wie sie im War for Talents den Mitarbeitern ihren inneren Frieden geben kann.

N – Nutzen:
Bei diesem Aspekt geht es um die Nutzenbeziehung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen in beide Richtungen. »What’s in it for me?« fragt sich sowohl die eine, als auch die andere Seite. Die sinnstiftende Führungskraft sieht und wertschätzt, was der Mitarbeiter für das Unternehmen tut. Was würde passieren, wenn die Stelle plötzlich unbesetzt ist und man keinen geeigneten Nachfolger findet? Was in Zeiten des Fachkräftemangels ja durchaus realistisch ist. Welche Bedeutung hat die Mitarbeit des Einzelnen? Aus dieser Perspektive entsteht eine ganz neue Beziehung aus Dankbarkeit, Achtung und Wertschätzung der Führungskraft dem Mitarbeiter gegenüber. Betrachtet man das Nutzenverhältnis von der anderen Seite, stellen sich ganz andere Überlegungen dar. Aus Sicht des Mitarbeiters bewertet er die Frage »Was nützt mir dieser Job?« nach folgenden Kriterien:

  • Was lerne ich hier – jetzt und in der Zukunft?
  • Wie kann ich mich hier entfalten, meine Stärken einbringen und mich entwickeln?
  • Wie viel Spaß macht mir der Job – in Bezug auf die Aufgabenstellung genauso wie auf das Arbeitsumfeld?
  • Bin ich mit meinem Gehalt zufrieden?

Wichtig bei diesem Aspekt des Nutzens ist ein gesundes Gleichgewicht beider Seiten. Sobald der Nutzen zu sehr auf eine Seite kippt, sind wir beim Aus-Nützen! Dabei kann das Unternehmen seine Mitarbeiter genauso ausnützen wie der Mitarbeiter das Unternehmen. Auch hier ist die sinnstiftende Führungskraft gefordert, auf eine Balance der beiden Nutzenseiten zu achten.

N – Neugier
In Zeiten ständiger Veränderungen und in unserer VUCA-Welt bekommt die Neugier eines Mitarbeiters plötzlich wieder einen hohen Stellenwert. Wollte man früher eher angepasste, brave Angestellte, wird heute Flexibilität, Kreativität und Offenheit für alles Neue groß geschrieben. Alles wird agil, Hierarchien fallen. Methoden wie Design Thinking, LEGO® SERIOUS PLAY® etc. boomen. Management by SINN hat die Aufgabe, hier empathisch und vorsichtig vorzugehen. Besonders langjährige Mitarbeiter haben Angst. Hier müssen die Neugier behutsam gefördert, der Sinn hinter den Veränderungen gut erklärt und die Zukunftschancen des Unternehmens dargestellt werden. Veränderung klappt nur MIT diesen Menschen. Anders bei den jungen, aufstrebenden, neuen Team-Mitgliedern. Hier gilt es, deren natürlich vorhandene Neugier zu befriedigen. Welche Aussichten bietet ihnen das Unternehmen? Welche Aufstiegschancen? Welche Abwechslung? Welche Fortbildungen? Welche Chancen auf stetiges Lernen und persönliches Wachstum? Denn wenn die Zukunft gerade für Mitglieder der Gen Y und Gen Z nicht erkennbar ist, wird das Unternehmen schnell zu einem »Arbeitslebensabschnittspartner« für kurze Zeit.

Die SINN-stiftende Führungskraft hat somit keine leichte Aufgabe. Hier sind Fingerspitzengefühl, Empathie und eine große innere Stärke gefragt. Nicht umsonst sagt John C. Maxwell, der bekannte Leadership-Experte: »To Lead ­Others, First Lead Yourself«. Ich bin überzeugt, dass ›Management by SINN‹ unserer neuen Zeit gerecht wird. Hier liegt die Zukunft.

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Haider_Claudia

Gastautorin
Claudia Haider
ist Unternehmerin und Expertin für Sinn, Life Design und Persönlichkeitsentwicklung.
www.claudiahaider.com