Masterstudien – ein Überblick

Dem tertiären Bildungssektor in Österreich ist die Übersichtlichkeit abhanden gekommen. Sogar Recruiter wissen oft nicht, wie sie die unterschiedlichen Mastergrade der Bewerber einordnen sollen. Dieser Artikel beleuchtet einige Aspekte, die Masterstudien von einander unterscheiden und kann daher sowohl Personen, die im Recruiting tätig sind, als auch Menschen, die vor der Auswahl eines Master-Studiums stehen, hilfreiche Hinweise liefern.

Der Umstieg auf das Bologna-System ist längst von (fast) allen Bildungsinstitutionen vollzogen, die einzelnen Studien sind angepasst, die Usicherheiten verflogen. Was bleibt, ist die Frage, wie man die einzelnen Master-Abschlüsse vergleichen kann – oder anders ausgedrückt: welcher Mastertitel wie viel wert ist. (Eigentlich sind es ja in den meisten Fällen Mastergrade und keine Titel.)

Dass unterschiedliche Abschlüsse unterschiedlich hoch angesehen sind, das ist natürlich nichts Neues. In den 80er- und 90er-Jahren, also lange vor »Bologna«, konnte man in vielen Stelleninseraten für Jus-Absolventen lesen, dass nur Absolventen des Wiener Juridicums erwünscht seien. Als Studenten dazu übergingen, in Wien ihr Studium zu beginnen, die schwierigen Prüfungen (z. B. Bürgerliches Recht) in Graz oder Salzburg zu machen und sich eine leichte Prüfung für den Schluss aufzuheben, um das Studium in Wien abschließen zu können – und somit einen »Wiener Abschluss« hatten –, fragten die Recruiter genauer nach: Abschluss in Wien, schön und gut, aber wurden auch alle Prüfungen in Wien abgelegt? Wenn nein, welche nicht?

Und heute? Durch die an und für sich positive Vielfalt sind sowohl der Überblick als auch das Detailwissen über einzelne Studienrichtungen verloren gegangen. Wie soll man Vergleiche ziehen? Woher bezieht man seine Informationen?   Vielleicht ist das ja auch gar nicht so wichtig und das Besserstellen bestimmter Universitäten und Studien war auch früher schon nicht gerechtfertigt?

Und überhaupt: Zählt nicht die Person mehr als deren Abschluss? Es gibt wohl auch ganz sicher Absolventen des Juridicums in Wien, die man besser nicht anstellt, aus vielerlei Gründen. Und ebenso sicher gibt es eine Menge Absolventen einer für schlechter gehaltenen Ausbildung, die für einen bestimmten Job besser geeignet sind, als eine ganze Menge Absolventen einer Ausbildung mit gutem Ruf.

Der Trend, mehr auf die Person als auf deren Ausbildung zu schauen, profitiert sicher davon, dass die Beurteilung der Qualität der Ausbildung schwieriger geworden ist, ist aber insgesamt ein sehr positiver, weil er den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Dieser Trend kommt auch den Anbietern von Persönlichkeitstests sehr entgegen. Viele dieser Tests erlauben nach dem 20-minütigen Ausfüllen eines Fragebogens durch den Bewerber eine detaillierte Analyse seiner Persönlichkeit, seiner Eignung für einen bestimmten Job und u. U. sogar seiner Eingliederungsfähigkeit in ein bestehendes Team (dessen Mitglieder dazu ihrerseits einen Fragebogen ausgefüllt haben müssen).

Maßen sich die Psychologen, die diese Tests entwickelt haben (so es überhaupt Psychologen waren!) da nicht ein bisschen viel an? Hallo Hausverstand? Ein paar Kreuzerln sollen einen Menschen definieren können? Eine verlässliche Prognose für sein zukünftiges Verhalten abgeben? Das Weltbild, in dem das funktioniert, muss ein sehr einfaches sein. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zu den Masterstudien.

Zum wiederholten Male sei in unserem Magazin auf den Unterschied zwischen »ordentlichen Studien« und »Weiterbildungs-Studien« hingewiesen (siehe dazu auch die Tabelle auf Seite 22): Die nach erfolgreichem Abschluss verliehenen Grade sind u. U. gleichlautend, aber nicht gleichwertig.

Im Recruiting tätige Personen sollten schon etwas über die Unterschiede wissen – sollte man meinen. Zu unserer Überraschung gibt es aber auch in diesem Bereich einige, die einen Weiterbildungs-Master vom Master eines ordentlichen Studiums nicht zu unterscheiden wissen. Dabei ist diese Unterscheidung nicht sehr schwer und wird meist schon durch die angeführten Titel (akademischen Grade) offensichtlich: Wer einen Mastertitel ohne Bachelortitel (oder Magister-Titel) führt, hat wohl einen Weiterbildungs-Master-Studiengang abgeschlossen. Der Umkehrschluss gilt allerdings nicht: Ein Mastertitel neben einem Bachelor- (oder Magister-) Titel, lässt zwar vermuten, dass es sich um den Master eines ordentlichen Studiums handelt, sicher kann man sich aber nicht sein. Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Max Mustermann, MA

Hier fehlt der Titel des Grundstudiums, das für ein ordentliches Master-Studium unbedingte Voraussetzung ist, daher handelt es sich dabei um einen Weiterbildungs-Master-Titel, außer Herr Mustermann hat aus schwer nachvollziehbaren Gründen die anderen Titel bewusst nicht angeführt oder gar vergessen. Es kommt natürlich auch darauf an, wo der Name mit Titel steht: Auf einer Visitenkarte könnte man aus Platzgründen die anderen Titel weglassen und nur den höchsten Abschluss anführen. In Bewerbungsunterlagen wäre das allerdings sehr seltsam.

Maria Musterfrau, BA MA

Wahrscheinlich handelt es sich um den Master-Titel eines ordentlichen Studiums, sicher ist das aber nicht. Frau Musterfrau könnte auch ihren Bachelor-Grad in einem ordentlichen Studium erworben und danach einen Weiterbildungs-Master gemacht haben. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber alles andere als unmöglich und kommt tatsächlich auch immer wieder vor. Warum unwahrscheinlich? Weil der Weiterbildungsmaster ja meist mit hohen Kosten verbunden ist und weil es die gleichen oder zumindest ähnliche Ausbildungen auch als ordentliche Studien gibt – beinahe kostenlos, mit Kollegen, die ebenfalls schon einen Bachelor-Abschluss haben.

Grad hat with diploma and books isolated on white

Sowohl ordentliche Master-Studiengänge als auch Weiterbildungs-Masterstudiengänge gibt es in den Formen Vollzeit, berufsbegleitend und auch als Fernstudium. Bei den ordentlichen Master-Studiengängen überwiegt die Vollzeitform, bei den Weiterbildungs-Masterstudien überwiegt die berufsbegleitende Form. Fernstudien sind selten und ergänzen da und dort das Angebot.

Die Art des Studiums und seine Struktur lassen – unabhängig von Inhalt und Qualität der Ausbildung – Rückschlüsse auf die jeweiligen Absolventen zu. Wer ein berufsbegleitendes Masterstudium neben einem Vollzeitjob in der vorgesehenen Anzahl von Semestern erfolgreich abgeschlossen hat, hat zumindest sein Zeitmanagement im Griff. Ein abgeschlossenes Fernstudium wiederum lässt auf einiges an Disziplin schließen – denn nicht jeder ist für ein Fernstudium gemacht und es bedarf einiges an Disziplin über längere Zeit, um ein Fernstudium erfolgreich zu absolvieren.

Das Ganze wird dadurch verkompliziert, dass viele Anbieter ordentlicher Studien dazu übergegangen sind, auch Weiterbildungs-Master-Programme anzubieten. Es reicht also nicht, auf die Institution zu achten. Und auch die umgekehrte Entwicklung ist – für viele unerwartet – möglich: Mit der Donau-Universität Krems hat ein Anbieter von Weiterbildungs-Studien das Promotionsrecht zugesprochen bekommen. So etwas verwirrt zusätzlich und der interessierte Beobachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, das habe eher politische als wissenschaftliche oder bildungstechnische Gründe. Wie auch immer: Die beiden ersten PhD-Studien an der Donau-Universität beginnen genau jetzt, nämlich mit dem Sommersemester 2016. Interessant sind die Zulassungskriterien, auf der Website der Donau-Universität steht zu lesen: »Die Aufnahme in ein PhD-Studium setzt gemäß dem Universitätsgesetz 2002 grundsätzlich ein abgeschlossenes ordentliches Diplom- oder Masterstudium voraus.« Grundsätzlich dürften also keine Master-Absolventen der Donau-Universität ebendort ein PhD-Studium beginnen. Kein Wunder, dass man da als Recruiter den Überblick verlieren kann, welcher Abschluss wie viel gilt.

Mögliche Kriterien

Es gibt mehrere Ansätze, die Qualität (und den Wert) der Master-Abschlüsse miteinander zu vergleichen.

1) Rankings

Wir raten zur Vorsicht, was Rankings betrifft. Abgesehen von den international renommierten Ranglisten, die zum Teil quasi als self-fulfilling prophecy funktionieren, weil nämlich eine gute Platzierung auf einer solchen Liste den von der Öffentlichkeit empfundenen Wert der Ausbildung heben kann, haben Rankings meist recht wenig Aussagekraft. Zum Teil basieren sie auf Befragungen der Studenten, Absolventen und des Lehrkörpers. Erstens werden deren Antworten schon alleine deshalb gut ausfallen, weil ein gutes Ranking ja voll in ihrem Interesse ist und zweitens sind die meisten Studenten und Absolventen mehr als nur bereit, ihre Ausbildung als gut zu empfinden. Sich selbst einzugestehen, dass man ein schlechtes Studium begonnen oder schon abgeschlossen hat, erzeugt wohl den Gefühlszustand der kognitiven Dissonanz. Schließlich wird man sich vor der Auswahl des Studiums eingehend informiert haben und vermutlich während des Studiums auch schon einige Anstrengungen in Kauf genommen und Hindernisse überwunden haben. Ein Idiot, wer das für ein mieses Studium tut! Die Tendenz, das Studium für besser zu halten, als es eigentlich ist, ist also sehr groß. Daher sind Absolventenbefragungen alles andere als objektiv. Am besten werden dabei jene Institutionen abschneiden, deren Absolventen am meisten schöngefärbt haben.

Rankings beziehen sich auch auf Akkreditierungen, womit wir beim nächsten möglichen Kriterium wären:

2) Akkreditierungen

Masterstudien an österreichischen öffentlichen Universitäten müssen ebenso wie die Universität selbst nicht akkreditiert sein. Für Privatuniversitäten und Fachhochschulen gilt anderes: So müssen z. B. sowohl die Fachhochschule selbst als auch ihre einzelnen ordentlichen Masterstudien akkreditiert sein, und zwar laut Gesetz von der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (AQ, www.aq.ac.at). Interessanter Weise gilt das laut Fachhochschul-Studiengesetz nicht für Lehrgänge zur Weiterbildung, für die aber auch international gebräuchliche Mastergrade vergeben werden. Es gibt also Masterstudien, die aufgrund der Gesetzeslage von der AQ akkreditiert sein müssen und andere, die das nicht sein müssen, u. U. vom selben Anbieter. Freiwillig kann sich selbstverständlich jede Institution und jeder Studiengang (zusätzlich) akkreditieren lassen. Es gibt zwar einige Akkreditierungen mit ausgezeichnetem Ruf (z. B. FIBAA), aber insgesamt eignen sich Akkreditierungen unserer Einschätzung nach alleine schon wegen der fehlenden Übersichtlichkeit nicht, um die Qualität von Masterstudien miteinander zu vergleichen. Auf jeden Fall gilt wie bei allen Zertifizierungen: Nur weil eine Institution nicht zertifiziert/akkreditiert ist, bedeutet das keinesfalls, dass von ihr nicht höchste Qualität geboten wird.

3) Bewerber/Studenten-Quote

Diese Quote ist deshalb aussagekräftig, weil sie objektiv und leicht vergleichbar ist. Und weil sie statistisch einiges aussagt: 40 in einen Studiengang aufgenommene von 400 Bewerbern haben statistisch einfach eine ganz andere Qualität als 40 von 42. (Wenn man davon ausgeht, dass das Aufnahmeverfahren etwas taugt.) Und diese Qualität beeinflusst selbstverständlich die Qualität der Ausbildung. Leider kommt man an die Quote der einzelnen Studiengänge nicht heran. Für alle FH-Studien liegen sie zwar gesammelt beim Fachhochschulrat auf, werden aber nicht herausgegeben. Schade.

4) Persönliche Erfahrungen

Was bleibt, sind die persönlichen Erfahrungen, die der Recruiter mit Absolventen der einzelnen Studiengänge gemacht hat. Und die Tipps und Informationen, die er aus seinem Umfeld und von anderen Personalern bekommt. Es hat sich in den vergangenen Jahrzehnten also doch nicht sehr viel verändert.

 

Schreiben Sie einen Kommentar!


*