Welchen Zweck haben eigentlich Medientrainings wirklich? Woran erkennt man, dass der Trainer seinen Job gut gemacht hat? Und was hat das alles mit Haltung zu tun?
Erst unlängst ist es mir wieder widerfahren: Ich sitze mit Freunden nach einem netten Abendessen zusammen, da richtet einer das Wort in meine Richtung und meint, dass es schon faszinierend sei, wie perfekt es der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz schaffe, Interviewfragen nicht zu beantworten. Keiner könne das so gut wie er. Da müsse unglaublich viel Training dahinterstecken. Er schaffe es immer, an der Frage vorbei zu antworten und in langen, zeitraubenden Sätzen nichts zu sagen. Diese Kritik an Sebastian Kurz’ Antworttechnik kommt in der Regel jedoch nicht verärgert oder genervt, sondern durchaus mit freudiger Bewunderung daher. Als ob ein Künstler beim Ausüben seiner Kunst beobachtet worden wäre. Es erinnert mich auch an Kinder, die einem Zauberer fast empört entgegenschleudern, dass da bestimmt ein Trick dabei war …
Zurück zur Rhetorik, zurück zu Medientrainings: Wenn immer Zuseher erkennen, dass ein Politiker oder ein Interessenvertreter für ein Interview trainiert worden ist, muss im Training etwas falsch gelaufen sein. Denn wer seine Technik beherrscht, wird dabei nicht ertappt. Alleine die Ansage, dass Kurz geschickt den Fragen ausweiche, relativiert bereits Kurz’sches Können. Denn würde er es tatsächlich können, wäre es nicht bemerkt worden.
Und das ist die Crux für uns Medientrainer: Wir sind immer dann gut, wenn keiner den Output bemerkt. Wir haben unseren Job dann gut gemacht, wenn der Interviewte sich in der Zeitung so wiedergegeben fühlt, wie er es im Interview gedacht und auch gesagt haben mag. Wir sind erfolgreich, wenn die Headline in den Online-Medien die Absicht des Interviewten als Inhalt hat. Wir können uns zufrieden zurücklehnen, wenn wir die Fragen für Live-Diskussionen richtig antizipiert und die Konter darauf mit dem Kunden geübt haben – und diese auch so kommen. Wir freuen uns wie die Kinder, wenn unsere Kunden auf einstudierte Handbewegungen beim Reden verzichten. Sei es die »Klospülung ziehen« (geballte Faust beim Reden rauf und runter) oder der Scheibenwischer (Arme öffnen sich rhythmisch vor dem Körper und schließen wieder). Wir brechen in Jubelgeschrei aus, wenn der Kunde im Rahmen von Interviews endlich darauf verzichtet, an seltsamen Stellen plötzlich zu lächeln. Wir Medientrainer gehen vor dem Fernseher dankbar in die Knie, wenn ein Kunde in der ZIB2 auf eine spitze Frage Armin Wolfs einfach »das weiß ich nicht« sagt, anstatt herumzulavieren. Und in den Büros der Medientrainer hört man Sektkorken knallen, wenn eine Führungskraft in der Umgangssprache vor die Medien tritt und auf diese seltsamen Substantivierungsketten verzichtet (eine Abkehr von der Implementierung von Substantivierungen im Rahmen rhetorischer Prozesse einleitet und systematisch einer Nivellierung gegen Null zuführt).
In Wahrheit werden wir Medientrainer dafür bezahlt, politische wie managende Führungskräfte dazu zu bringen, ganz normal zu reden – so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Eine unnötige komplexe Sprache als Symbol einer selbst ernannten, oder gerne auch medial gehypten Elite, sollte längst der Vergangenheit angehören. Man kann sich auch durch Kompetenz von anderen abheben, ohne diese durch unnötige Worte jedem vor Auge führen zu müssen. Ich habe mich unlängst mit einem der besten Medientrainer des Landes ausgetauscht, und die Routine und Erfahrung, die uns eint, lässt uns auch denselben Schluss ziehen, worauf es bei der Vorbereitung auf Auftritte jeglicher Art ankommt: auf die Haltung! Die eigene Haltung gegenüber dem Interviewer, gegenüber der Situation, gegenüber sich selbst. Ohne diese Haltung funktioniert keine Technik. Und mit der richtigen Haltung braucht man die Technik nicht bzw. kaum mehr. Aber sie zu beherrschen, gibt dann trotzdem Sicherheit – wer weiß, vielleicht war ja die eine oder andere Frage doch nicht zu antizipieren.