»Moment, welche Ziele eigentlich?«

Dieser Abend hatte alles, was eine gute Show braucht: Emotionen, Action, ein begeistertes Publikum – und einen sehr sympathischen Vortragenden.

Florian Wildgruber steht auf der Bühne in Waldshut-Tiengen (Baden-Württemberg), in grauem T-Shirt, modischen Jeans und Freizeitschuhen und ist vom lang anhaltenden Applaus gerührt. Gerade hat er seine einstündige Keynote beendet und die fast 500 Menschen in der Stadthalle klatschen und klatschen. Die Halle dröhnt, zuerst applaudieren sie durcheinander, dann rhythmisch, dann wieder durcheinander und schließlich flaut der Applaus langsam – sehr langsam – ab.
Was hat die Zuhörer begeistert?
Nun zunächst ist der Vortrag eine echte Show, meisterhaft durchchoreografiert, mit bewusst gesetzten Höhepunkten, toll ausgeleuchteter Bühne, perfekter Technik. In den richtigen Momenten setzt Musik ein, wird einmal lauter, dann wieder leiser.
Und dann ist da der Inhalt: ein Aufruf, die eigene Willenskraft zu stärken und sich immer neue Ziele zu setzen. Denn es geht um den Weg und um die Menschen, die man auf dem Weg kennenlernt. »Wer ankommt, ist tot«, sagt Florian Wildgruber an einer Stelle. Und er ergänzt: »Ich hoffe, ich komme mein Leben lang nicht an.« Denn es gibt nichts Bittereres, als sein einziges Ziel erreicht zu haben. »Wenn man am Gipfel steht, dann geht es von dort nur noch bergab.« Wer z. B. bei seiner Hochzeit sagt, das sei der schönste Tag seines Lebens, der tut sich damit nichts Gutes. Denn was soll dann noch kommen? Einen Seitenhieb auf den Zwang und den Leistungsdruck, die Ziele (»Moment, welche Ziele eigentlich?«) immer schneller zu erreichen, kann er sich an dieser Stelle nicht verkneifen. (»So, wie viele Leute heute Erfolg sehen, macht er uns langfristig kaputt.«) Generell ist in seiner Keynote auch immer wieder eine Prise gut verträglicher Gesellschaftskritik enthalten. Zum Beispiel, wenn er drei Standardsätze aufzählt, die Eltern in unserem Kulturkreis ihren Kindern mitgeben: »Jetzt beginnt der Ernst des Lebens.« »Ich wollte nur, dass du es besser hast als wir.« »So gut wie du möchte ich es auch einmal haben.« Dabei bindet er die Zuhörer voll ein. So sagt er z. B. nur »Jetzt beginnt der …« und lässt das Publikum den Satz vervollständigen. »… Ernst des Lebens«, ruft die Halle.
Das Einbinden der Zuhörer ist generell ein wichtiges Element während der gesamten Show. Am deutlichsten wird das, als er etwa bei Halbzeit je ein Exemplar seiner beiden Bücher (­»STÄRKE!« und »Stopp mimimi!«) verschenkt. Naja, verschenken ist vielleicht zu viel gesagt, man muss sie sich verdienen. 30 Liegestütze muss man machen. Als sich zwei Männer dafür auf der Bühne einfinden, erfahren sie, dass die Sache einen Haken hat: Florian Wildgruber macht mit und gibt das Tempo vor. Das Publikum lacht und ist voll Spannung, was jetzt wohl passieren wird. Florian pumpt und zählt von 30 runter, macht aber immer wieder Pausen – und zwar mit dem Gesicht ganz knapp über dem Boden!
18, 17, 16 – Das Publikum geht voll mit. Ab 7 zählt die ganze Halle. Die beiden schaffen es (fast), sie haben sich ihr Buch jedenfalls verdient. »Das, was ich mit Ihnen gerade gemacht habe, das passiert da draußen jeden Tag. Für die meisten Dinge braucht es keine Anstrengung, und dadurch geht langsam aber sicher die Willenskraft zurück. Das ist überhaupt kein Problem, solange, bis man etwas verändern möchte.«
Es gibt während des Abends auch emotionale Momente. Dabei moduliert er seine Stimme sehr gut, wenn er leise wird, ist das Publikum mucksmäuschenstill. In den ruhigen Momenten bringt er dann die Kernaussagen: »Wir lernen, den Gipfel zu bewundern, was wir nicht sehen, ist der Berg. Wir müssen lernen, den Berg hinaufzugehen.« Das passt wunderbar in unsere Zeit. Oder: »Man sollte versuchen, Leistung, Fokus und Leichtigkeit zusammenzubringen.« Was man dazu braucht, ist Gelassenheit. »Lachen und Humor sind so exzellente Dünger im Garten des Lebens«, denn sie fördern die Gelassenheit.
Plötzlich sagt Florian Wildgruber: »Wow, wie die Zeit vergeht!« Und in der Tat, ein Blick auf die Uhr, eine Stunde ist vorbei, das hat gar nicht so gewirkt. Natürlich bleibt aber noch Zeit für das besonders choreografierte Finale, das an dieser Stelle jedoch nicht verraten wird.

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Wildgruber

 

TRAiNiNG kürt jedes Jahr im Mai eine Rednerin oder einen Redner des Jahres. Für das Jahr 2019 hat sich Florian Wildgruber  für diese Auszeichnung beworben.
Im Rahmen unserer Bewertung haben wir den hier beschriebenen Vortrag besucht.
Weitere Infos:
magazintraining.com/RdJ