Warum gerade erfolgreiche Organisationen sich am schwersten tun, ihre Erfahrung loszulassen und mit Neugier, Mut und Innovation neue Höchstleistung zu schaffen.
»Ich arbeite nur hier«, antwortete die Servicemitarbeiterin auf meine Frage nach einer Lösung meines Anliegens. Mit dieser Aussage brachte sie auf den Punkt, dass sie mir nicht weiter helfen und keine Verantwortung übernehmen könne. Pech gehabt. Mehr kann nicht getan werden … Die Übernahme von Verantwortung für Ergebnisse bildet das Fundament für Höchstleistung. Dieses Verhalten aber entsteht nicht durch Training, sondern durch die Bereitschaft, bei Abweichungen mit Neugier, Mut und Lernen neue, kreative Lösungen zu schaffen.
Leistung erfordert Engagement
Nun hängt die Leistungsfähigkeit von Organisationen vom reibungslosen Funktionieren vieler Komponenten ab. Diese Prozesse werden – wie wir alle erleben – immer wieder das eine oder andere Problem haben. Damit muss gerechnet werden, da es keine perfekte Organisation gibt. Bei unvermeidlichen Abweichungen führt ein Dienst nach Vorschrift nicht zum Erfolg. Daher ist sowohl im Vorgang als auch während der Prozessausführung eine proaktive, mitdenkende Organisation zwingend erforderlich. Einerseits, um Fehlern vorzubeugen und andererseits, um bei Abweichungen effektiv darauf reagieren zu können. Leider sind die wenigsten Mitarbeiter in dieser Weise engagiert. Nach Gallup (2015) sind nur 16 % der Arbeitnehmer mit Herz, Hand und Verstand bei der Arbeit. Dieses Engagement kann den Mitarbeitern aber nicht »antrainiert« werden.
Training reicht nicht aus
Die notwendige Voraussetzung einer verantwortungsvollen Mitarbeit wird auch das beste Training nicht erfüllen können. Im Gegenteil, einfaches Top-down-Training von Abläufen wirkt kontraproduktiv, weil damit nicht ein mitdenkendes Engagement der Mitarbeiter aktiviert, sondern gedankenlose Routine gefördert wird.
Für den Erfolg in der alltäglichen Praxis ist vielmehr notwendig, dass die Mitarbeiter an der Maschine, am Computer und im Service eine aktive Verantwortung für die Resultate, d. h. die Leistung übernehmen. Dies gilt umso mehr, je stärker zunehmende Variabilität und rasche Veränderung auf die Prozesse einwirken. Abweichungen unterminieren die Leistung. Interne Einflussfaktoren wie ein mehr oder weniger definierter Prozessablauf, unterstützende Systeme und Werkzeuge, relevante Informationen, die Führungskräfte und die Mitarbeiter selbst unterliegen ständigen Veränderungen.
Zum Beispiel, das Computersystem bricht zusammen und eine gesamte Airline steht still; die Auftragsabwicklung liefert inkorrekte Information und falsche Teile werden eingebaut; die Qualitätsanforderungen werden nicht erfüllt, aber das Auto wird dennoch ausgeliefert.
Dazu kommen die externen Einflussvariationen, wie steigende Kundenanforderungen, hinderliche Rahmenbedingungen und Markteinflüsse sowie vorgelagerte Abteilungen und Lieferanten, die allesamt mit ihren Abweichungen zusätzlichen Stress auf die Prozessleistung ausüben. Daher muss man von Glück reden, wenn alle diese Prozesse glatt zusammenarbeiten und tatsächlich die versprochene Leistung liefern. Leistung funktioniert nicht von selbst, sondern es erfordert Mitarbeiter, die diese komplexen Organisationssysteme aktiv managen und verbessern.
Existierendes versus
innovatives Wissen
Was brauchen nun die Mitarbeiter, die sich in dieser turbulenten Situation wieder finden? Für Standardsituationen und zur Fachausbildung ist die Weitergabe von bewährtem Wissen von Nutzen. Hier liefert Training einen wesentlichen Beitrag zur Leistungsfähigkeit der Organisation. Wozu das Rad neu erfinden? Allerdings, wenn wir uns im Bereich der Höchstleistung bewegen, dann sind Standardlösungen auf Basis von Erfahrung nachgerade schädlich. Wie sollen mit den Methoden von gestern die Probleme von heute für den Erfolg von morgen gelöst werden? Für effektive Wettbewerbsvorteile müssen neue Probleme gelöst werden, wo die Mitbewerber noch nicht einmal verstanden haben, dass sie solche haben. Das Letzte was Mitarbeiter mit akuten Problemen brauchen, ist ein Besserwisser, der ihnen mittels Training die »Standard Operating Procedure (SOP)« aufdrücken will. Denn genau diese SOPs haben sich ja als nicht leistungswirksam herausgestellt. Bei Versagen der Standardabläufe müssen kreative, bessere Lösungen erarbeitet werden. Um attraktive Neuprodukte, wettbewerbsrelevantes Wissen und einzigartige Kompetenzen zu entwickeln, müssen die Mitarbeiter über die Grenzen des bestehenden Wissens hinausgehen und neue Fragen stellen und beantworten. Innovationen entstehen eben nur, indem man die Komfortzone verlässt und neue Wege geht.
Aktivierung des Engagements
Bestehendes Wissen und langjährige Erfahrung und deren Training reichen für den Erfolg von morgen definitionsgemäß nicht aus. Daher besteht die Aufgabe darin, das Engagement und die Neugier zu aktivieren, sodass Mitarbeiter mit Eigeninitiative an den entscheidenden Herausforderungen arbeiten.
In unserer Projekterfahrung entsteht dieses Engagement durch die gezielte Einbindung und Entwicklung der Mitarbeiter anhand ihrer konkreten Prozessprobleme am Job. Durch die Übertragung von Verantwortung für die Problemlösung und eine unterstützende Führung lernen die Mitarbeiter, »ihre« Probleme zu verantworten, zu verstehen und zu lösen.
Fokus auf das Wesentliche lenken
Nun sind wir Menschen so konzipiert, dass wir das Richtige erst dann tun, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Daher besteht die Aufgabe der Führung darin, die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auf die entscheidenden Aufgaben zu lenken. Worüber sprechen die Kollegen miteinander? Pokemon Go? Bundesliga? Die »Schwachköpfe« in der anderen Abteilung? Das Wochenende? Die wirksame Führungskraft sorgt dafür, dass folgende Fragen täglich gestellt und systematisch abgearbeitet werden:
Was sind unsere Ziele heute? Was ist meine Aufgabe und Verantwortung?
Wo stehen wir mit der Leistung unserer Prozesse und Kennzahlen?
Wie trägt diese Aufgabe zum gesamten Wertstrom bis zum Kunden hin bei?
Wie können wir das Problem verstehen und welche Lösung testen wir jetzt?
Was können wir davon lernen und wie geben wir das Wissen weiter?
Welche Unterstützung/welches Coaching meines Vorgesetzten brauche ich?
Die Energie, die früher in Ausreden, warum etwas nicht geht, und in der Aushebelung von Vorschriften verpuffte, wird für kreative Lösungen genutzt. »Alles Leben ist Problemlösen«, wusste schon Sir Karl Popper. Es macht Sinn, dass dieser Antrieb im Betrieb in die Leistungssteigerung durch kontinuierliche Verbesserung fließt. Die Unternehmensführung hat die Aufgabe, ein Managementsystem zu entwickeln, das die Mitarbeiter fordert und fördert, jeden Tag jeden Prozess leistungsfähiger zu machen.
Hier tun sich die erfolgreichen Unternehmen am schwersten. Dafür ist das Beispiel Nokia eine Mahnung. Der Marktführer in Mobiltelefonen verpasste die Trends durch iPhone & Co. Der Erfolg gab ihnen solange Recht, bis die unaufhaltsamen Veränderungen die Erfolge und die Manager von gestern einholten.
Daher gilt es, unbeeindruckt von den eigenen Erfahrungen und Erfolgen die Mitarbeiter loszulassen, um täglich bessere, kreativere und wettbewerbsstärkere Wege zur Höchstleistung zu schaffen.