Mythen der Körpersprache

In diesem Artikel räumen unsere beiden Gastautorinnen mit häufigen Mythen rund um Körpersprache auf.

Jeder von uns spricht mit dem Körper und sieht die Körpersprache anderer – schon von Kindesbeinen an. Wir glauben, dass wir Profis im Lesen von Körpersprache sind. Und doch gibt es einige Mythen über Körpersprache, die alle kennen und seit Jahren weitergegeben werden.

Das berühmteste Beispiel für die Bedeutung der nonverbalen Signale in einem politischen Wahlkampf ist die Präsidentschaftswahl im Jahr 1960 zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon: Am 26. September 1960 wurde zum ersten Mal eine Präsidentschaftsdebatte im Fernsehen übertragen. Heute weiß man, dass ohne das Fernsehen John F. Kennedy wahrscheinlich niemals Präsident der Vereinigten Staaten geworden wäre. Die Befragung nach der ersten Fernsehdebatte kürte Kennedy als eindeutigen Sieger ebendieser. Wähler, die die Debatte nur im Radio verfolgten, waren der Meinung, dass Nixon der bessere Kandidat war. Bei der Wahl 1960 wurde John F. Kennedy sehr knapp zum Präsidenten der USA gewählt. Selbst Kennedy gab später zu, dass das Fernsehen ihm zum Sieg verholfen hatte. Er war jung, wirkte charmant, gesund und gelassen auf die Fernsehzuschauer. Nixon, der gerade aus dem Krankenhaus kam, wirkte blass, kränklich und schwitzte stark. Aufgrund dieser Wirkung fanden die Wähler, dass Kennedy der bessere Kandidat war. Die Angst vor der visuellen Wirkung war so groß, dass es danach 16 Jahre lang keine Fernsehdebatten im Wahlkampf gab.

Der »7 – 38 – 55« Mythos

Einer der hartnäckigsten Mythen ist, dass der Inhalt in der Kommunikation nur 7 % ausmache, die Stimme 38 % und die Wirkung der Körpersprache 55 %. Der Wissenschaftler Albert Mehrabian hat in den 1960ern folgende Studie durchgeführt: Probanden bekamen je 3 positive, neutrale und negative Wörter zu hören. Alle Wörter wurden mit positivem, neutralem und negativem Stimmausdruck gesprochen. Dabei wurde festgestellt, dass die Probanden dem Tonfall mehr Bedeutung als dem Wort gaben. Danach wurden den Probanden zusätzlich noch Fotos mit Gesichtern gezeigt, die positive, neutrale und negative Gesichtsausdrücke zeigten. Ein neutrales Wort wurde in unterschiedlichem Tonfall und mit verschiedenen Fotos unterschiedlich kombiniert. Dabei wurden die Fotos sicherer erkannt als der Tonfall, wenn die Kombination inkongruent war, das heißt nicht zueinander passte. So kam Mehrabian zum Wirkungsverhältnis 7 – 38 – 55.
Wenn wir inkongruent kommunizieren, dann vertrauen wir der Mimik und der Körpersprache mehr. Das ist die Erkenntnis der Studie, mehr nicht. Verallgemeinerungen für andere Kommunikationsprozesse sind demnach nicht zulässig.

Der Fehler des Othello

Es ist ein Mythos, dass ein einzelnes Signal ausreicht, um festzustellen, wie eine andere Person ist oder sich verhält. Im gleichnamigen Drama von William Shakespeare beschuldigt Othello seine Frau Desdemona, ihn zu betrügen. Sie weiß, dass ihr Mann sehr eifersüchtig ist und hat Angst, dass er ihr nicht glaubt. Othello sieht ihre Angst und glaubt, dass es die Angst der ertappten Ehebrecherin ist und tötet sie. Kurz darauf erfährt er, dass er einer Intrige zum Opfer gefallen ist. Wenn wir Othellos Fehler vermeiden wollen, ist es wichtig, der Versuchung zu widerstehen, zu rasche Schlüsse zu ziehen. Viele Menschen machen genau dies. Sie sehen ein körpersprachliches Signal und interpretieren sofort – und diese Interpretation kann richtig oder falsch sein. Um Körpersprache korrekt zu interpretieren, ist es wichtig, dass mindestens drei Signale auf zwei unterschiedlichen Kanälen in dieselbe Richtung weisen.
Das wohl bekannteste Beispiel: In vielen Seminaren oder auch Büchern wird immer noch erklärt, dass verschränkte Arme Ablehnung zeigen. Gehen Sie mal kurz in sich, wie oft sitzen Sie in Meetings oder in Gesprächen mit verschränkten Armen? Einfach, weil es angenehm ist, Ihnen vielleicht kalt ist, Sie nicht wissen, wohin mit den Händen? Zeigen Sie dabei ein freundliches Lächeln, sind Sie dem Gesprächspartner zugewandt, ist dies wohl eher keine Ablehnung. Wenn Sie Ihre Augenbrauen kritisch zusammenziehen und die kalte Schulter zeigen oder Sie sich abwenden, sieht es schon wieder anders aus.

Wer nach rechts oben blickt, lügt!

Sie haben vielleicht auch schon einmal gehört, dass ein Mensch, der beim Sprechen nach rechts oben schaut, Sie gerade anlügt. Dazu wurden einige wissenschaftliche Untersuchungen gemacht. Diese Annahme konnte nicht nachgewiesen werden und bleibt somit ein echter Mythos.

Der Pinocchio-Effekt

Haben Sie als Kind auch die Geschichten von Pinocchio gelesen? Seine Nase wurde bei jeder Lüge ein kleines bisschen länger. Wenn wir Stress haben und uns beruhigen wollen, greifen wir uns ins Gesicht. Schon ein Baby steckt den Finger in den Mund, um sich zu beruhigen, als Erwachsene können wir das nicht so einfach tun, deshalb greifen wir uns an die Nase, ans Kinn oder streichen über die Augen. Wenn wir lügen, kann es natürlich sein, dass wir gerade Stress empfinden und uns deshalb mit einer Berührung im Gesicht beruhigen wollen. Der wissenschaftliche Mythos beruht ausschließlich auf einem Video von Bill Clinton, in dem er zu seiner Affäre mit Monika Lewinsky befragt wurde. Er griff sich gezählte 14 Mal an die Nase. Danach wurde er der Lüge überführt und seitdem gibt es den Mythos: Wer lügt, fasst sich an die Nase.

Schau mir in die Augen Kleines

Wir glauben, wer lügt, schaut anderen Menschen nicht in die Augen. Der Körpersprache- und Mimikforscher Paul Ekman hat genau das Gegenteil herausgefunden. Lügner schauen ihrem Gegenüber eher in die Augen, um zu sehen, ob die Lüge geglaubt wird. Wichtig ist, dass Sie körpersprachliche Signale wahrnehmen. Achten Sie dabei auf die Reiz-Reaktions-Abfolge. Haben Sie etwas ausgelöst, so dass die andere Person unmittelbar darauf reagiert? Probieren Sie die einfachste Reiz-Reaktions-Folge doch gleich aus. Lächeln Sie den ersten Menschen an, der Ihnen begegnet. Die Reaktion wird wohl was sein?

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

Kellner_neu102018

Gastautorin
Michaela Kellner
ist ­Körpersprache-Expertin und Mimikresonanz®-Pro­filerin, Unternehmens­beraterin sowie Geschäfts­führerin von ANKH.AT.
www.ankh.at

Khom_neu102018

Gastautorin
Andrea Khom
ist Körpersprache-Expertin und Mimikresonanz®-Pro­filerin, eingetragene Mediatorin sowie Geschäfts­führerin von ANKH.AT.
www.ankh.at