Neuerungen Arbeitsbedingungen

Die jüngst umgesetzte RL über transparente Arbeitsbedingungen in der EU bringt zusätzliche Anforderungen für neu abgeschlossene Arbeitsverhältnisse mit sich.

 

Am 27. März 2024 wurde das Transformationsgesetz (BGBl. I Nr. 11/2024) veröffentlicht, das die europarechtlichen Vorgaben der »Transparenz-Richtlinie« (EU) 2019/1152 nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens u. a. gegen Österreich und Abgabe einer neuerlichen Stellungnahme Österreichs im Februar 2024 mit einiger Verzögerung in nationales Recht überführte. Die Anpassungen, die laut RL bereits bis 1. August 2022 vorzunehmen gewesen wären, erfolgten insbesondere durch Änderungen und Ergänzungen des AVRAG und daraus resultierende Anpassungen des AngG, des AÜG und des ABGB. Die kurzfristig am 28. März 2024 in Kraft getretenen Neuregelungen sind auf alle ab diesem Datum abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse anzuwenden und bedeuten für viele Arbeitgeber die Verpflichtung zur kurzfristigen Anpassung ihrer zum Teil über Jahre hinweg verwendeten Musterverträge bzw. Dienstzettel.

Änderungen Dienstzettel

Von besonderer Relevanz für die Praxis sind die Änderungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG), insbesondere jene des § 2 AVRAG.

§ 2  AVRAG enthielt bereits vor der Novelle eine Liste von Informationen, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern schriftlich, in Form eines Dienstzettels oder schriftlichen Arbeitsvertrages, mitteilen mussten, wie insbesondere Name und Anschrift des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses, Kündigungsfrist und -termine, gewöhnlicher Arbeits- bzw. Einsatzort, Einstufung im jeweiligen Kollektivvertrag, Höhe des Grundgehalts, vereinbarte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers etc.
Diese Liste notwendiger Informationen wurde mit der Umsetzung der Transparenz-RL um einige zusätzliche Punkte ergänzt, wie vor allem einen nunmehr gebotenen Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungsverfahren, den Namen und die Anschrift des zuständigen Sozialversicherungsträgers (neben der bereits bisher vorgeschriebenen Angabe der zuständigen Mitarbeitervorsorgekasse), den Sitz des Unternehmens, eine kurze Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung, die gewährte Überstundenvergütung, Dauer und Bedingungen einer vereinbarten Probezeit sowie – soweit vorgesehen – der Anspruch auf eine vom Arbeitgeber gewährte Weiterbildung.
Die Aufnahme der erwähnten ergänzenden Angaben in den schriftlichen Arbeitsvertrag steht der sonst gebotenen Ausstellung eines Dienstzettels gleich. In der Praxis werden die genannten Angaben daher häufig im (schriftlichen) Arbeitsvertrag gemacht und wird kein gesonderter Dienstzettel ausgestellt.

Der korrekten (formellen) Gestaltung des Arbeitsvertrages kommt seit der aktuellen Novelle auch insofern größere Bedeutung zu, als mit dem neu eingeführten § 7a AVRAG erstmals eine Sanktion bei Verstößen des Arbeitgebers gegen die Informationspflichten des § 2 AVRAG bzw. bei Verstoß gegen die Pflicht zur Ausstellung eines Dienstzettels oder eines schriftlichen Arbeitsvertrages (gemäß der vorgenannten gesetzlichen Vorgaben) vorgesehen ist. Zuvor wurden Arbeitsverträge aufgrund der sonst – von Sonderfällen abgesehen – nicht bestehenden Formvorschriften z. T. auch mündlich oder durch »schlüssige Handlungen« (durch faktischen Arbeitsbeginn und Annahme der erbrachten Leistungen) abgeschlossen und die Ausstellung des Dienstzettels trotz entsprechender Vorgaben ausgespart.

Die neuen Änderungen des AVRAG sehen außerdem vor, dass ein Dienstzettel oder der schriftliche Arbeitsvertrag von Arbeitnehmern, die länger als einen Monat im Ausland arbeiten, weitere Informationen enthalten muss, wie z. B. einen etwaigen höheren Mindestlohn nach dem Recht jenes Landes, in dem die Arbeit ausgeführt wird, die Erstattung von Auslagen nach österreichischem und ausländischem Recht sowie ein Hinweis auf die nationale Website über Entsendungen jenes Staates, in dem die Arbeit ausgeführt wird (§ 2 Abs 3 AVRAG). Für Österreich ist die entsprechende Website www.entsendeplattform.at.

Änderungen Arbeitsvertrag und Sanktionen

Eine Neufassung bereits bestehender Arbeitsverträge ist nicht erforderlich, weil die neue Rechtslage gemäß § 19 Abs 1 Z 57 AVRAG ausdrücklich nur für ab 28. März 2024 neu abgeschlossene Vertragsverhältnisse gilt. Arbeitsvertragsmuster für künftig abzuschließende Arbeitsverträge sollten aber von Arbeitgebern schnellstmöglich an die Anforderungen der Novelle angepasst und die oben erwähnten Ergänzungen vorgenommen werden.

Die mit § 7a AVRAG neu eingeführte Strafdrohung unterliegt keiner Kumulation und hat die Besonderheit, dass eine Strafe – anders als im Verwaltungsstrafrecht grundsätzlich üblich – im Falle eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorgaben, auch dann, wenn bereits ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde, durch die nachträgliche Ausstellung eines Dienstzettels abgewendet werden kann. Arbeitgebern bleibt somit im worst case die Möglichkeit zur nachträglichen Ausstellung von Dienstzetteln bzw. schriftlichen Arbeitsverträgen, um Verwaltungsstrafen zu vermeiden.

Mehrfacharbeitsverträge

Das Recht der Arbeitnehmer, innerhalb bestimmter Grenzen gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis mit mehreren Arbeitgebern einzugehen, wurde in § 2i AVRAG ausdrücklich gesetzlich verankert, da diese Möglichkeit bisher regelmäßig im Arbeitsvertrag von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig gemacht wurde. Der ursprüngliche bzw. erste Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmern nunmehr den Abschluss weiterer Arbeitsverhältnisse nur dann untersagen, wenn diese entweder (i) mit den Arbeitszeitvorschriften unvereinbar sind (in diesem Fall haftet der Arbeitgeber sonst potenziell für die Verletzung der Höchstarbeitszeitgrenzen, wenn diese durch die Kumulation aller Beschäftigungen überschritten werden) oder (ii) wenn die Zweitbeschäftigung das bestehende Arbeitsverhältnis beeinträchtigt, was – neben einer konkurrenzierenden Tätigkeit, die bereits durch § 7 AngG untersagt ist – z. B. in Fällen von zu starken körperlichen Belastungen durch das zusätzliche Arbeitsverhältnis oder bei Interessengegensätzen zwischen den Arbeitsverhältnissen (und den besonderen Werten der Arbeitgeber) der Fall sein wird.

Ausbildungskostenrückersatz

Der neu geschaffene § 11b AVRAG sieht vor, dass die Teilnahme an Aus-, Fort- und Weiterbildungen durch Arbeitnehmer in jedem Fall als Arbeitszeit anzusehen ist und dass die Kosten dafür vom Arbeitgeber zu tragen sind (sofern sie nicht von einem Dritten erstattet werden), wenn die Aus-, Fort- und Weiterbildung Voraussetzung für die im Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit ist. Im Anwendungsbereich dieser neuen Regelung ist der bisher übliche Abschluss einer gesonderten Vereinbarung über die (Teil-)Erstattung von vom Arbeitgeber bezahlten Ausbildungskosten durch die Arbeitnehmer (die zeitlich gestaffelt abhängig vom Zeitpunkt des Ausscheidens nach erbrachter Ausbildung erfolgte), daher – anders als bisher – auch dann nicht durchsetzbar, wenn die Ausbildung auch über die konkrete Tätigkeit beim jetzigen Arbeitgeber hinaus »nutzbar« ist, und damit den künftigen Wert der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt erhöht.

Kündigungsschutz und Benachteiligungsverbot

Zur Absicherung sowohl der neuen als auch der bestehenden Rechtslage wurde in § 7 AVRAG ein ausgeweitetes Benachteiligungsverbot gegenüber Arbeitnehmern, die die oben erwähnten Rechte geltend machen, und ein allgemeines Kündigungsverbot in Form eines Motivkündigungsschutzes verankert. Darüber hinaus wurde der Kündigungsschutz des § 15 AVRAG und die diesbezügliche schriftliche Begründungspflicht des Arbeitgebers auch auf Kündigungen im Zusammenhang mit der Geltendmachung der oben genannten Rechte ausgeweitet.
Arbeitnehmer können sohin künftig binnen fünf Kalendertagen ab Zugang einer Arbeitgeberkündigung schriftlich eine Begründung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen. Der Arbeitgeber muss diesfalls binnen fünf Kalendertagen ab Verlangen die schriftliche Begründung ausstellen. Daher sollte nunmehr bereits vor Ausspruch der Kündigung seitens HR oder der beim Arbeitgeber zuständigen Stelle geklärt und entsprechend dokumentiert werden, welche sachlichen Gründe für die Beendigung im Falle einer entsprechenden Aufforderung genannt werden können, um Fehler oder die Nennung motivwidriger Gründe im Falle eines Verfahrens zu vermeiden.

Zusätzliche Änderungen

Die aktuellen Änderungen anderer Gesetze spiegeln im Wesentlichen die Änderungen des AVRAG im Geltungsbereich der jeweiligen Gesetze wider. § 1164a ABGB regelt die Dienstzettelpflicht für freiberufliche Arbeitsverhältnisse und wurde um die auch für solche Beschäftigungen relevanten Bestimmungen des novellierten § 2 AVRAG erweitert.
§ 7 AngG, der, wie erwähnt, ein Wettbewerbsverbot für Angestellte während des aufrechten Arbeitsverhältnisses regelt, wurde um einen Verweis auf § 2i AVRAG ergänzt.
Schließlich wurden auch die Anforderungen an die Überlassung von Arbeitnehmern in § 11 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) und die Anforderungen an eine Überlassungsvereinbarung an die oben angeführten inhaltlichen Änderungen des § 2 AVRAG angepasst. Im Falle einer Überlassung an ein ausländisches Entleiherunternehmen sieht § 11 Abs 6 AÜG außerdem eine Verpflichtung vor, dem Arbeitnehmer Informationen über die Auslagenerstattung sowie einen Hinweis auf die nationale Website für Entsendungen jenes Staates, in dem die Arbeit ausgeführt wird, zur Verfügung zu stellen.
Fazit und Empfehlung
Gemeinsam mit den in den letzten Jahren erfolgten Vorgaben i.S. Grundgehalt bietet die aktuelle Änderung des AVRAG eine gute Gelegenheit für Arbeitgeber, ihre Arbeitsverträge oder zumindest die Dienstzettel und auch ihre Praxis an die geänderten gesetzlichen Vorgaben i.S. zusätzliche Dienstverhältnisse, Ausbildungskostenersatz und die Begründungspflicht für Kündigungen von Dienstverhältnissen anzupassen, um einerseits compliant zu sein und dies auch beim Recruiting neuer Arbeitskräfte entsprechend vermarkten zu können.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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