Jeder Mensch ist verschieden, jeder Mitarbeiter hat andere Werte und andere Erwartungen. Also ist auch jeder Mitarbeiter anders zu motivieren. Worauf es dabei ankommt, und welchen Stellenwert das Gehalt heutzutage hat, erzählen Experten im Interview mit TRAiNiNG.
Um Menschen zu beeinflussen, das zu tun, was das Unternehmen möchte, wurden Führungskräfte geschaffen. Eine gute Führungskraft schafft es, bei den Mitarbeitern die intrinsische Motivation zu erhöhen, bzw. auf einem hohen Level zu halten. Und das eben nicht durch pauschale Maßnahmen, sondern durch individuelle Führung. Die einfachste und schnellste Methode, einen Menschen dazu zu bewegen, etwas zu tun, was ich will, besteht darin, ihm eine Waffe an den Kopf zu setzen. In Businesssprache übersetzt heißt das, hohen Druck auszuüben und mit Sanktionen zu drohen. Diese Methoden der Menschenführung bzw. der Motivation werden noch immer angewandt – und schaut man sich den Outcome an, sogar manchmal ziemlich erfolgreich. Man stelle sich vor, beim Bundesheer wird Kreativität, Selbsterkenntnis oder Individualität gefördert – das nähme wohl kein gutes Ende. Oder stellen Sie sich vor, Piloten würden NICHT ihren »Dienst nach Vorschrift« machen, sondern regelmäßig neue Verfahren ausprobieren? Hier würde ich dann nicht gerne im Flugzeug sitzen.
Im Kampf nach den besten Talenten und nach den passendsten Mitarbeitern setzen Unternehmen jedoch heutzutage Gott sei Dank auf andere Methoden und versuchen, den Sinn an der Arbeit hervorzuheben, um so für Motivation und Freude an der Arbeit zu sorgen. TRAiNiNG hat bei einigen HR-Managern und Experten nachgefragt, wie wichtig intrinsische Motivation im Vergleich zur extrinsischen ist.
Thomas Olbrich (Chief Culture Officer bei karriere.at): »In den vergangenen 10 Jahren hat sich am Arbeitsmarkt viel verändert: Stand früher eher der konkrete Job mit seinen Vor- und Nachteilen bei Arbeitnehmern und Kandidaten im Vordergrund, so spielt heute weitaus mehr eine Rolle: Passt das Unternehmen zum Mitarbeiter? Empfindet der Mitarbeiter oder Bewerber das Handeln des Unternehmens als sinnvoll? Kann er sich selbst als Teil eines großen Ganzen identifizieren? Ist das Unternehmensimage überhaupt mit den persönlichen Werthaltungen kombinierbar? Diese und noch viele andere Aspekte tragen dazu bei, ob intrinsische Motivation überhaupt möglich ist.«
Monika Herbstrith-Lappe (Gründerin & Geschäftsführerin bei Impuls & Wirkung) erzählt ein interessantes Experiment: »Motivation ist ein Prozess im Menschen, daher schon ein intrinsischer Prozess. Äußere Motivation macht innere Motivation kaputt. Ein Versuch zeigt das ganz deutlich: Forscher haben Kinder nach ihrer Lieblingsbeschäftigung gefragt und nur jene ausgewählt, die angaben, dass ihnen Zeichnen und Malen am meisten Spaß machen. Dann hat man ihnen gesagt, dass man Kinderzeichnungen für Bücher bräuchte und sie daher für jede Zeichnung einen kleinen Geldbetrag bekämen. Zunächst waren die Kinder begeistert. Doch rasch wurden die Zeichnungen immer liebloser, um möglichst rasch und einfach zur Belohnung zu kommen. Und schließlich haben sie aufgehört zu malen. Es war ihnen das Geld nicht mehr Wert – obwohl sie zuvor von sich heraus freiwillig gemalt haben. Belohnen ist das neue Bestrafen, denn es nimmt Leistung den eigentlichen Sinn.«
Unter gewissen Voraussetzungen bzw. bei gewissen Tätigkeiten ist jedoch auch extrinsische Motivation förderlich.
Kurt Durnwalder (Geschäftsführer ITO GmbH): »Wer lange Freude an einer Tätigkeit haben will, muss intrinsisch motiviert sein. Und Unternehmen sparen Geld, wenn sie intrinsisch motivierte Mitarbeiter haben. Wenn es allerdings darum geht, Tätigkeiten durchzuführen, die als nicht besonders lustvoll und an sich als nicht wirklich befriedigend erlebt werden oder in einem Umfeld zu arbeiten, das eingeschränkt Freude bereitet, sind es in besonderem Maße extrinsische Motivatoren, die bei Laune halten. Entlohnungsmodelle mit mehr oder weniger ausgeklügelten Bonifikationssystemen sind besonders bei großen Unternehmen an der Tagesordnung, und meistens finden die Betroffenen auch intelligente Wege, die Bonifikationen zu bekommen: Ansonsten würde sich rasch Demotivation breitmachen.«
Mario Filoxenidis (Geschäftsführer EUCUSA Consulting GmbH) weiß auch, dass die ›Karotte vor der Nase‹ ausgedient hat: »In stark verkaufsorientierten Organisationseinheiten funktionieren externe Anreize wie Prämien oder Incentives als Performance-Treiber nach wie vor. Doch die meisten Unternehmen haben längst erkannt, dass sich Menschen nachhaltig nur selbst motivieren können und dass andere Treiber – wie z. B. versprochenes Entgelt – als ›Karotte‹ für die Performance entscheidend sind. So sind Wertschätzung, gegenseitiges Vertrauen und regelmäßiges Feedback immer stärker werdende Motivationsfaktoren, um gute Leistungen zu geben bzw. zu erhalten.«
Je nachdem, wie ein Mitarbeiter »tickt«, sind für ihn unterschiedliche Anreize relevant bzw. motivierend.
Ursula Autengruber (Geschäftsführung Structogram Österreich) über unterschiedliche Motivatoren: »Nur dann, wenn wir einen Sinn in unserem Tun sehen, sind wir auch bereit, eine Leistung zu bringen. Hier spielt die Frage ›Wozu?‹ eine wichtige Rolle. Und dieses ›Wozu‹ ist wieder für jeden anders und zu einem großen Teil in unserer Persönlichkeitsstruktur begründet.
- Personen wollen dazugehören, Mitglied in einem Team sein – sie wollen die Anerkennung als Mensch
Andere wollen Herausforderungen gestellt bekommen und sich immer wieder beweisen – sie wollen die Anerkennung für ihre Leistung - Wieder andere schätzen es, in Ruhe arbeiten zu können und Strukturen vorzufinden – sie wollen die Anerkennung als Experte.
- Können Mitarbeiter den Sinn in der Arbeit erkennen und sich entsprechend ihrer persönlichen Biostruktur verwirklichen, sind sie engagierter.«
Demotivation vs. Motivation
Was in dem Headline-Zitat dieses Artikels eher belächelt wird, hat der Nobelpreisträger und Psychologe Daniel Kahneman untersucht. Er erzählte Fluglehrern der israelischen Luftwaffe einst, dass Lob viel wirksamer sei als Tadel. Einer der Ausbilder entgegnete: »Mit Verlaub, was Sie sagen, ist Unsinn. Oft habe ich Schüler überschwänglich gelobt, die ein ausgezeichnetes Manöver geflogen sind, und das nächste Mal sind sie fast immer schlechter geflogen. Und ich habe Schüler angeschrien, die ein schlechtes Manöver flogen, und in den meisten Fällen verbesserte sich ihre Leistung beim nächsten Mal. Erzählen Sie mir nicht, dass Bestrafung nicht wirkt.« Die persönliche Erfahrung des Fluglehrers widersprach also der Behauptung Kahnemans. Was der Ausbilder dabei nicht berücksichtigte: Wenn ein Schüler besonders schlecht geflogen ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit automatisch hoch, dass er beim nächsten Mal besser fliegt – und umgekehrt. Kahneman untersuchte die längerfristige Wirkung von Lob und Tadel genauer und stellte fest: Auf lange Sicht wirkt das Lob besser als der Tadel. Unsere kurzsichtige Alltagswahrnehmung verführt uns aber zum Fehlschluss – genau wie den Fluglehrer. Denn intuitiv vergleichen wir nur ein Ergebnis mit dem nächsten, überblicken aber kaum die langfristige Auswirkung unseres Handelns. (Quelle: »Bullshit Busters« von Wirl/Ebert S. 182f)
Monika Herbstrith-Lappe über die Chancen von guten Führungskräften: »Motivation und positive Einstellung der Führungskräfte wirken ansteckend auf das Team. Führungskräfte können einen Nährboden schaffen, der Motivation fördert. Hier kann man bei ›Gamification‹ Anleihe nehmen: Jedes Spiel verfügt über ein klares Ziel und über Regeln, die das Zusammenspiel ermöglichen und genügend Spielraum für die individuellen Strategien lassen. Ganz entscheidend ist, dass man Rückmeldung zum Leistungsfortschritt bekommt. Feedback zu geben, über Stärken und Entwicklungspotenziale gehört daher zu den zentralen Führungsaufgaben. Alleine Menschen anzusehen steigert ihr Ansehen. Auf einer japanischen Insel gibt es besonders viele und erstaunlich fitte über 100 Jahre alte Menschen. Sie haben ihr ›IKiGAI‹ gefunden: ihren Lebenssinn. Wörtlich: ›Das, wofür es sich lohnt aufzustehen‹. Menschen ihren Stärken gemäß einzusetzen ist daher eine zentrale Führungsaufgabe.«
Mario Filoxenidis sinniert darüber, was Führungskräfte wirklich erreichen können: »Wenn es gelingt, ein Klima der Selbstmotivation zu schaffen, ist schon viel erreicht. Führungskräfte sollten die gewünschte Unternehmenskultur mit Vorbildwirkung leben. Weicht die Werteorientierung der Führungskraft von den Unternehmenswerten stark ab, wird in dem jeweiligen Arbeitsbereich Verunsicherung und Demotivation stattfinden.«
Der schnöde Mammon
»Wir müssen unsere Arbeit lieben und nicht wegen des Geldes arbeiten«, so sagen es die Experten. Nun, das stimmt ja auch! Keine Frage. Viele lieben ihre Arbeit, doch manche lieben es noch mehr, am Strand zu liegen, in den Bergen zu wandern oder an einem schönen See zu segeln. Geld ist also eine Voraussetzung, dass jemand arbeiten geht. Gute Mitarbeiter können sich jedoch ihren Job, ihren Arbeitgeber aussuchen. Und ob hier das Gehalt um 5 – 10 % höher oder geringer ist, ist wohl nicht entscheidend.
Kurt Durnwalder über die Bedeutung von Gehalt: »Geld hat immer eine Rolle gespielt und das tut es auch heute. Geld ist die Grundlage, um in der Gesellschaft leben bzw. überleben zu können. Allerdings spielt es bei unterschiedlichen Personen und Berufsgruppen eine unterschiedliche Rolle. Wenn man sich die Gehaltsentwicklung anschaut, scheinen insbesondere Führungskräfte eine ausgeprägte Geldorientierung zu haben und Geld oft genug als Schmerzensgeld zu bezeichnen für wenig erfreuliche Tätigkeiten. Man könnte sagen, je weniger Freude die Tätigkeit selbst bereitet, umso wichtiger wird Geld.«
Die häufige Behauptung, dass der Generation Y das Gehalt weniger wichtig sei, ist zwar tendenziell richtig, aber eben nicht auf alle jungen Leute anwendbar.
Monika Herbstrith über die inhomogene Generation Y: »Ca. 18 % von ihnen sind die Adaptiv-Pragmatischen‹, die arbeiten, um das Leben zu finanzieren. Sie kann man tatsächlich mit Geld locken. Bei allen anderen spielt das Einkommen eine untergeordnete Rolle. Die 15 % ›Performer‹ wollen Entwicklung und Karriere, die 18 % ›digitale Individualisten‹ Gestaltungsmöglichkeit, um ihre Ideen zu verwirklichen, die 21 % ›Hedonisten‹ vor allem Spaß und brauchen dafür möglichst viel Freizeit. Diese ist auch den 17 % ›Konservativ-Bürgerlichen‹ wichtig. Und die immerhin 10 % Postmateriellen lehnen unsere Konsumgesellschaft ohnedies ab. Hier stehen Sinn und Nachhaltiges im Vordergrund.«
Ursula Autengruber: »Meiner Erfahrung nach zählen interessante Tätigkeiten und Life-Balance bei den jungen Mitarbeitern tendenziell mehr als der Gehalt. Sie sind eher bereit, über einen Zeitraum hinweg etwas weniger zu verdienen, wenn die Aufgabe für sie Sinn macht, die Umgebung passt und sie ihre Fähigkeiten einsetzen können. Sie sind auch eher bereit, den Arbeitsplatz zu wechseln, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen, Geld alleine ist hier aber nicht mehr ausschlaggebend.«
Thomas Olbrich: »Geld spielt auch heute noch eine sehr wichtige Rolle. Das ist für mich auch zutiefst menschlich und verantwortungsbewusst, dass jeder Mensch mit seinem Einkommen ein möglichst gutes Auskommen finden möchte. Gerade bei jüngeren Arbeitnehmern ist die Palette an Aspekten, an denen ein Job und ein Arbeitgeber gemessen werden, mit Sicherheit aber breiter geworden. Ein Job muss in der individuellen Lebenssituation zu einem Arbeitnehmer passen, es müssen die Vorteile die Nachteile klar überwiegen.«
Motivation messbar machen
Bevor sich Unternehmen mit dem Thema näher auseinandersetzen, muss zuerst einmal festgestellt werden, wie motiviert das Team überhaupt ist. Doch wie geht das?
Thomas Olbrich über mögliche Indikatoren: »Abgesehen von ›Hard Facts‹ wie der Fluktuationsrate gibt es viele andere Indikatoren, die zeigen, dass Mitarbeiter bereit sind, die berühmte ›Extrameile‹ zu gehen: Ideen, die von Mitarbeitern zur Verbesserung von Abläufen eigenverantwortlich eingebracht werden oder etwa neue Mitarbeiter, die auf Empfehlung von bestehenden Kollegen gefunden werden. All dies lässt sich messen. Die Frage ist nur, ob es immer sinnvoll ist, alles zu quantifizieren, was in einem Unternehmen vor sich geht.«
Kurt Durnwalder: »Die Gallup-Studien sind die bekanntesten und umfassendsten zum Thema Motivation im deutschen Sprachraum. Das Gallup-Befragungsinstrument Q12 untersucht, wie stark die emotionale Bindung der Mitarbeiter an den Arbeitgeber ist und lässt Rückschlüsse auf Motivation und Engagement zu. Die Kernhypothese der Studien ist, dass sich emotionale Bindung auf Leistung und Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Interessant ist auch die ›Engagement map‹ von MINDONE, die eine differenzierte Analyse der Mitarbeiter-Motivatoren in Relation zur Zufriedenheit setzt. Sie zielt – durch die Analyse der verschiedenen Zielgruppen im Unternehmen – auf ein Steuerungsinstrument für das Management ab, das diesem ermöglicht, Motivations- und Bindungsinstrumente zielgerichtet einzusetzen.«
Mario Filoxenidis: »Durch kreative Nutzung unterschiedlicher Feedback-Maßnahmen wird eine recht gute Messbarkeit von Motivation möglich. Die Krux bei der Sache: Selbst- und Fremdeinschätzung fußen meist auf unterschiedlichen Maßstäben. Das regelmäßige persönliche Gespräch erweist sich nach wie vor als sehr taugliches Mittel zum Abgleich dieser Maßstäbe. Doch Achtung: Hier kann sowohl motiviert als auch demotiviert werden! Strategische Mitarbeiter-Befragungen und kurze Pulse-Checks können eingesetzt werden, um die Motivationslage von ganzen Teams oder Arbeitsbereichen zu messen und im Zeitablauf zu beobachten. Action Tracking Tools, welche Verbesserungsmaßnahmen messen und transparent machen, erhöhen das Gefühl, dass aktiv an der Schaffung eines motivierenden Arbeitsumfelds gearbeitet wird. Und dass man ernst genommen und als Mensch wahrgenommen wird.«
Ursula Autengruber: »Die beste Möglichkeit ist es, den Mitarbeiter bei seiner Arbeit zu beobachten und mit ihm in Kontakt zu bleiben – nicht nur einmal im Jahr beim Mitarbeitergespräch. Außerdem erkennt man anhand der Leistung, wie sehr sich jemand engagiert und Spaß an der Arbeit hat.«
Fazit
Die Motive, warum jemand motiviert seine Arbeit erledigt, sind so verschieden wie die Menschen. Der eine arbeitet ausschließlich für Geld, der andere erkennt den Sinn, wieder ein anderer arbeitet für das Team. Ohne die einzelnen Motive zu kennen, ist langfristige und nachhaltige Motivation schwierig zu erreichen.
[…] können Sie die Zusammenfassung der Interviews im Artikel Nicht g’schimpft ist g’lobt genug? von Christoph Wirl im Magazin TRAiNiNG […]