Manches, was Trainer und Vortragende erzählen, ist Bullshit – schlicht und einfach falsch. Doch was genau ist Bullshit? Wo kommt er her und wie erkennen wir ihn?
»Nachdem James Cook 1770 in Australien gelandet war, entdeckte er seltsame Beuteltiere. Er fragte, wie die Tiere heißen und die Aborigines antworteten ihm: Kangooroo. Das bedeutet aber in der Sprache der Aborigines: ich verstehe dich nicht.« So erzählt es sinngemäß die Linguistin Louise Banks im 2016 erschienenen Film Arrival. Als sie in der nächsten Film-Szene von einem Kollegen für die Anekdote gelobt wird, sagt sie: »Die Geschichte stimmt zwar nicht – aber sie unterstützte meinen Standpunkt.«
Diese Art, eine Geschichte einzusetzen, nennt Princeton-Philosoph Harry G. Frankfurt »Bullshit«. Dem Bullshit-Artist ist es dabei gleichgültig, ob seine Behauptungen die Realität korrekt beschreiben oder nicht. Er legt sie sich so zurecht, dass sie seiner Zielsetzung dienen. Dabei sieht Frankfurt hier einen klaren Unterschied zum Lügner, der bewusst die Wahrheit verdreht. Er schreibt: »Niemand kann lügen sofern er nicht glaubt, die Wahrheit zu kennen. Zur Produktion von Bullshit ist so eine Überzeugung nicht erforderlich.«
Frankfurt geht von zwei Hauptursachen aus, die zur Entstehung von Bullshit beitragen. Einerseits sieht er schlichte Überforderung als Ursache für den ansteigenden Bullshit. Wir reden häufiger zu allen möglichen Themen – oft mit wenig spezifischem Wissen. Andererseits sieht Frankfurt den heute weit verbreiteten Antirealismus als wichtige Bullshit-Quelle.
Bullshitter nehmen für eine höhere Wahrheit gern in Kauf, dass ihre Geschichte nicht den Tatsachen entspricht. Dabei wird das Ideal der Richtigkeit zum Ideal der Aufrichtigkeit, denn wenn Tatsachentreue nicht mehr zählt, geht es nur noch darum, sich selbst treu zu sein.
Die erzählte Geschichte muss also nur mehr gefühlten Wahrheiten entsprechen. Und das kommt auch Trainern und Vortragenden entgegen: Um hier zu bestehen, braucht es nur auf den ersten Blick plausibel klingen. Das ist allerdings dann besonders problematisch, wenn es nicht um eine pointierte Anekdote geht, sondern um Tatsachenbehauptungen und Forschungsergebnisse. Damit wird das Renommee der Wissenschaft, mit ihren hohen rationalen Standards, als Bullshit-Quelle missbraucht.
Aber natürlich gibt es für Irrtümer in Trainings auch andere Ursachen. Einerseits entwickelt sich die Forschung rasant und es ist nicht leicht, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Und andererseits sind die Forschungsergebnisse oft so differenziert und mehrdeutig, dass es schwer ist, diese Inhalte in Trainings zu vermitteln. »Denk positiv« ist schnell vermittelt. Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Denkweise sind aber etwas komplizierter.
Bullshit Detektor
Sie hören oder lesen eine spannende Geschichte oder Behauptung – und möchten gern wissen, wie vertrauenswürdig die Aussage ist? Im Alltag ist selten Zeit für einen tief gehenden, fundierten Faktencheck. Folgende Tipps sollen vor allem ein gutes Aufwand-Nutzen-Verhältnis bieten:
Ist die Quelle vertrauenswürdig? Sind Autor und Medium für zuverlässige Recherche bekannt, oder werden sie dazu von renommierter Seite kritisiert?
Ist die Aussage plausibel? Ist die Argumentation logisch, kontextgerecht und durch nachvollziehbare Fakten gestützt?
Ist die Aussage in Fachkreisen akzeptiert? Wie plausibel und renommiert sind die Gegendarstellungen? Gibt es bereits faktengestützte Zweifel?
Auch wenn positive Antworten hier kein Garant sind, so steigt doch die Chance, dass es sich um eine belastbare Aussage handelt. Für einen weiteren Faktencheck bieten sich folgende Schritte an:
1. Schnell-Check im Internet
Für einen ersten schnellen Check zur Faktenlage ist die Google-Suche nützlich. Manch ein Wissenschafter mag jetzt aufstöhnen – denn natürlich ist die auf Google gefundene Information nicht unbedingt zuverlässig. Trotzdem: Nichts geht schneller und gibt einen besseren Ersteindruck, ob eine Behauptung kontrovers diskutiert wird. Dazu ist die Suche auf Englisch fast immer sinnvoll, denn hier findet sich besonders bei Forschungsthemen ein Vielfaches an Literatur und Faktencheck-Portalen.
2. Mythencheck
Wer nur auf die Schnelle wissen möchte, ob eine Aussage als fragwürdig gilt, der kann das Suchthema mit folgenden Worten ergänzen um gleich zu kritischen Berichten zu kommen: Mythos, Kritik, Problem, skeptisch, umstritten, widerlegt, enttarnt, falsch etc. Auf Englisch zusätzlich: critical, criticism, sceptic, bunk, debunk, bias, fallacy, myth … Das Tilde-Zeichen ~ unterstützt sie bei der unscharfen Suche. Mit dem ~ Zeichen vor einem Suchwort werden auch ähnliche Begriffe gesucht, z. B. ~nonverbal.
3. Die Qualität der Quelle
Wer nach Studien und Forschungsergebnissen zu einem Thema sucht, der sollte sich einerseits an der Quelle und andererseits an der Plausibilität/Spezifität orientieren. Für Studien und wissenschaftliche Beurteilungen sind aktuelle, wissenschaftliche Fachmagazine eine vertrauenswürdige Quelle. Diese Peer Review Journals veröffentlichen Artikel erst, wenn Gutachter sie freigeben. Besonders vorsichtig sollte man bei Aussagen einzelner Studien sein. Wenn sie noch nicht repliziert wurden, dann finden sich manchmal Verzerrungs-Phänomene. Belastbarer als Aussagen von Einzelstudien sind Ergebnisse und Effekte, die mit unterschiedlichen Studien wiederholt bestätigt wurden. Deshalb sind sogenannte Meta-Analysen heute besonders gefragt.
4. Spezifisch und plausibel
Eine Fehlerquelle sind spezifische Forschungsaussagen, die unspezifisch oder in einem anderen Kontext verwendet werden. Beispiel: Die Mehrabian-Formel (7:38:55) ergibt für eine spezifische Forschungsfrage in der spezifischen Laborsituation Sinn. Sie lässt aber keine Aussage über die nonverbale Wirkung von Vortragenden generell zu. Solche unzulässigen Verallgemeinerungen sind besonders problematisch, weil ihnen auch noch das Qualitätssiegel der Wissenschaft angeheftet wird und sie sich damit besonders hartnäckig halten.