Online-Tools in der betrieblichen Weiterbildung werden immer beliebter, doch wie akzeptiert ist Coaching mit Einsatz von digitalen Medien?
In der betrieblichen Weiterbildung sind zwei große Trends zu erkennen. Erstens das Lernen am Arbeitsplatz, das traditionelle Trainings durch die Kompetenzentwicklung im Prozess des Arbeitens ablöst. Dabei wird der höchste Lernerfolg durch individuelles, selbst gesteuertes Lernen und durch die Erfahrung bei der Lösung von Arbeitsaufgaben erzielt. Ein wichtiger unterstützender Faktor ist dabei die Nutzung von neuen Medien, bzw. der Ressourcen aus dem Web. Damit ist der zweite Trend angesprochen, das Lernen mit digitalen Medien, dem Internet und mobilen Geräten, das in Form von Blended Learning (Abwechslung von Präsenz- und Onlinephasen) oder E-Learning (nur Onlinephasen) erfolgt. Laut einer Studie von Roland Berger (2014) wächst der Online-Markt in der betrieblichen Weiterbildung stark an. Auch der Markt für Online-Coachings bzw. E-Coaching boomt.
Mediengestütztes Coaching
Unter Coaching wird die Begleitung eines Individuums oder Teams bei einem Entwicklungs-, Veränderungs- oder Lösungsprozess verstanden. Dabei steht die Selbstkompetenz des Klienten im Vordergrund, welche durch den Coach angestoßen, gefördert und gestärkt wird. Bei einem mediengestützten Coaching wird das Gesprächssetting durch die technische Komponente erweitert: durch Einsatz von E-Mail, Telefon, Chatrooms, Videokonferenzsystemen, virtuellen Meetingräumen, bis hin zu 3-D-Avatar-Animationen. Die virtuelle Beratungswelt passt sich den technischen Möglichkeiten an und entwickelt sich somit fortwährend weiter.
Coaching im virtuellen Raum wird entweder als besonders effizient geliebt oder als ineffektiv bis unmöglich abgelehnt. Welche Vorteile hat ein Coaching auf Distanz? Ein häufiger Einsatzgrund ist die Mobilität von Mitarbeitern und gleichzeitig der Wunsch, mit seinem Coach arbeiten zu können, unabhängig von den geografischen und zeitlichen Gegebenheiten. Coaching wird jederzeit möglich, von zu Hause, vom Schreibtisch aus oder an jedem beliebigen Ort. An- und Abreisekosten werden gespart, Zeit effizient genutzt, persönliche Anforderungen des Klienten besser berücksichtigt. Auch die Abwesenheit der physischen Präsenz zum Rapportaufbau wird zunehmend als positiv wahrgenommen: Der Klient bewahrt Anonymität und ist bereit, sich in dieser zu öffnen, etwaige Bewertungen aufgrund visueller Komponenten entfallen; die Konzentration auf das Wesentliche kann stattfinden. Zu den Vorteilen für Online-Berater gehört neben der Kosten- und Zeitersparnis die weiträumigere Kundenakquise, unabhängig von der örtlichen Erreichbarkeit.
Vorteile sind gleich Nachteile?
Für den Coach ist der Rapportaufbau – also der Abgleich von Wortinhalten, Stimme und Körpersprache mit dem Gegenüber – ein effektives Instrument zur Qualitätsmessung und Passung von Coachinginterventionen. Im virtuellen Raum entfallen die visuellen Hinweise bzw. sind diese nur eingeschränkt durch die Nutzung von Videokonferenzsystemen möglich. Umso wichtiger ist das »aktive Zuhören«, um Atmungsmuster, Intonationen, Tonhöhe oder Stille als Hinweise für die emotionalen Befindlichkeiten des Coachee wahrnehmen zu können. Des Weiteren ist es erforderlich, bewusst alle Sinneskanäle anzusprechen und dabei eine beschreibende Sprache zu verwenden, z. B. »Wenn du dich in dein Ziel hineinversetzt, was siehst Du da? Wie fühlt sich das an? Was hörst du, bist du allein oder ist jemand bei dir …? Was würde ich sehen, wenn ich dich jetzt anschauen würde?« Von einigen Coaches und Coachees werden Bildübertragungen sogar als störend empfunden, Videos explizit ausgeschaltet und die Wahrnehmung auf Sprache, Stimme und Atmung fokussiert.
Coaching auf Distanz wird häufig durch asynchrone (schriftliche) Kommunikation angereichert: Es werden Fragen, etwaige Tools und Aufgaben vorab oder nach einer Sitzung zur Bearbeitung zugesendet. Zum einen wird somit die Reflexionskompetenz des Coachees gestärkt. Zum anderen kann der Informations- und Gedankenfluss nicht immer sofort angepasst werden, was teilweise als störend empfunden wird. Häufiger Kritikpunkt ist die Reduzierung des potenziellen Methodenspektrums für den Coach. Andererseits sind Aufstellungsarbeiten mit 3-D-Avatar-Animationen oder Desktopteilung und Nutzung von PowerPoint möglich, allerdings ist die Handhabung mit einem gewissen technischen Know-how und einer entsprechenden technischen Ausstattung verbunden.
Zu den praktischen Nebeneffekten des virtuellen Coachings gehört die Aufnahme- und Dokumentationsmöglichkeit des Coachings mit späterer Reflexionsoption sowohl für den Coachee als auch für den Coach. Achtung ist geboten bei der Datensicherheit – sowohl auf Seite des Coachs als auch auf Seite des Coachees. So sind in Unternehmen aus Sicherheitsgründen öffentlich nutzbare Meetingtools (wie Skype) nur begrenzt zugänglich bzw. besteht eine Vorgabe, welche Medien benutzt werden können.
Auch auf die Dauer von Coachings soll hier hingewiesen werden. Die Arbeit mit und über Medien ist intensiv und hoch konzentriert. Daher dauern Online-Coachingsitzungen zwischen 30 und maximal 60 Minuten. Die Aufnahmefähigkeit nach dieser Zeit sinkt stark.
Wirksamkeit von virtuellem Coaching
Die Wirksamkeit von Coaching hängt laut Studien (Greif et al. 2012) nicht von den angewandten Methoden ab, sondern von bestimmten Wirkfaktoren, die es zu unterstützen gilt. Coaching wird wirkungsvoll durch die Wertschätzung und emotionale Unterstützung des Klienten durch den Coach. Des Weiteren ist es wertvoll, dem Coachee die Möglichkeit zu geben, seinen Gefühlen freien Raum zu lassen und damit entstandenen Druck zu entladen. Erfolgreiche Coachinginterventionen zeichnen sich durch ergebnisorientierte Problem- und Selbstreflexionen aus, ebenso durch eine effektive Zielklärung, Ressourcenaktivierung und Umsetzungsunterstützung. Im medialen Kontext ist es Aufgabe des Coachs, sich selbst in diesem Element wohlzufühlen und in der Lage zu sein, den Coachee professionell und wirksam durch verbale und energetische Präsenz zu begleiten.
Fazit bzw. Ausblick
Möglicherweise stolpern viele Coaches bei der Anwendung von Coaching auf Distanz, weil sie die gleiche Herangehensweise und die gleichen Fragen verwenden wie in einem Face-to-Face-Setting. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch zielführend. Dennoch gilt es, sich auf die virtuelle Welt vorzubereiten. Eine sprachliche Anpassung von Interventionen ist nötig, konkretere Angaben, konkreteres Erfragen von Feedback, Emotionen, Körpersprache etc. geboten. Maßstab ist dabei, wie auch im Face-to-Face-Setting, mit welchen Methoden der Coach am überzeugtesten, sichersten und effektivsten arbeiten kann, ebenso wie die Reife und Bereitschaft des Coachee, sich auf diese Interventionen einzulassen.
Für den Coach ist es unerlässlich, Wissen im Umgang mit dem gewählten Medium zu haben bzw. neue Medien zu erlernen und für sich nutzbar zu machen. Spezielle Ausbildungen werden insbesondere im englischsprachigen Raum angeboten. Im deutschsprachigen Raum wird dem Coaching auf Distanz noch Skepsis entgegengebracht, die Zeichen stehen jedoch bereits auf Veränderung und so werden anerkannte Ausbildungen dieses Potenzial erkennen und aufnehmen müssen.