Online-Coaching interaktiv gestalten

Um Online-Coachings möglichst interaktiv zu gestalten, gibt es viele, oft kostenlose Tools. Einige davon werden in diesem Artikel vorgestellt.

Wir Menschen sind soziale Wesen und kommunizieren gerne persönlich – also face-to-face – auch beim Coachen. Doch spätestens seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie wissen wir: Dies ist oft nicht möglich, aus den unterschiedlichsten Gründen. Also sollten Coaches, aber auch Führungskräfte, die zuweilen ihre Mitarbeiter auf Distanz coachen, sich fragen, wie sie ihre Lieblingsmethoden beim Coachen auch online nutzen können – so zum Beispiel die beim Coachen häufig verwendeten haptischen und visuellen Methoden von Aufstellungen über Mindmaps bis hin zu Skizzen und Skalierungen. Mittlerweile sind die meisten selbstständigen und firmeninternen Coaches mit der Basis-Technik für Online-Events vertraut. Sie oder ihre Unternehmen haben in eine gute Ausstattung (u. a. Kameras, Mikrofone, Beleuchtung) investiert. Auch mit dem bevorzugt genutzten Webinartool (zum Beispiel Zoom, MS Teams oder Webex Meeting) sind sie vertraut. Also können sie sich nun verstärkt um das Bestücken ihres Online-Coaching-Methodenkoffers kümmern. Dabei gilt es zu bedenken: Beim Coachen haben wir es, anders als im Training, meist nicht mit vorgefertigten Designs zu tun. Die Coaches bzw. die als Coaches fungierenden Personen lassen sich in der Coachingsitzung vielmehr auf ihre Gegenüber, die Coachees, und deren Themenstellung ein. Deshalb brauchen sie Methoden, die sie spontan und ohne große Vorbereitung sicher nutzen können.

Kostenfreie Tools reichen meist aus

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Online-Coaching-Tools, und viele von ihnen sind kostenfrei. Sie genügen, wie ich aus Erfahrung weiß, oft für die praktische Arbeit von Coaches und Führungskräften, die zuweilen als Coaches fungieren.
Hier vier Tipps, um Online-Coaching-Sitzungen interaktiver zu gestalten.

1. Arbeite mit digitalen Bildkarten!
Bilder erregen unsere Aufmerksamkeit und wecken Emotionen. Sie ermöglichen Zugänge zu inneren, unbewussten Prozessen und zu Gefühlen, für die uns oft die Worte fehlen, und unterstützen unsere Kreativität. Sie laden zum Gespräch ein und fördern die Kommunikation. Deshalb sind Bildkarten aus den Präsenz-Coachings nicht mehr wegzudenken.
Bilder und Bildkarten lassen sich auch beim Online-Coachen gut nutzen. Deshalb biete ich kostenfrei zwei Varianten von Bildern an: Foto- und Impulskarten. (www.s-pic.at)
Fotokarten-Set: Es umfasst 30 wirkungsstarke Fotos, die gezielt eingesetzt werden können, um zum Beispiel Reflexionsprozesse bei den Coachees anzustoßen.
Impulskarten-Set: Es umfasst 25 Illustrationen, die mit Kurztexten wie »Nicht mit mir!«, »Alles wird gut«, »Schade« versehen sind. Mit ihnen können die Coachees zum Beispiel Sachverhalte kommentieren und bewerten.

Diese Bildkarten können Coaches – abhängig von ihrer Spezialisierung (zum Beispiel als Paar-, Karriere-, Vertriebs- oder Führungscoach) – als Einstieg in ein Thema, als Stimmungsbarometer, als Impuls für kreative Prozesse oder als Tool zur Reflexion von Stärken nutzen.

2. Nutze ein Online-Whiteboard!
Viele Coaches arbeiten bei Präsenz-Coachings gerne mit dem Flipchart, denn es ist flexibel einsetzbar. Außerdem kann man auf ihm komplexe Sachverhalte strukturieren und prozessbegleitend Visualisierungen erstellen als Denkunterstützung für die Coachees. Im Online-Coaching wurde dieses Tool zu Beginn oft vermisst. Doch inzwischen gibt es hierfür kostenfreie Alternativen: zum Beispiel das Jamboard von Google.
Voraussetzung für seine Nutzung ist ein ­Google-Account, mit dem man sich als Coach anmeldet und ein Board erstellt. Danach kann man dieses nutzen, um mit Hilfe von Notizzetteln, Bildern und Zeichnungen Ideen der Coachees zu sammeln oder Gedanken zu strukturieren. Nach einer Bildschirmfreigabe können die Coachees dabei zusehen, wie man auf dem Whiteboard arbeitet. Alternativ kann man das Jamboard über einen Link auch für die Coachees freigeben. Dann können auch sie darauf schreiben und zeichnen.
Es gibt auch Bezahlvarianten der Online-Whiteboards, die über mehr Funktionen als zum Beispiel das Jamboard verfügen. Die bekanntesten sind Miro und Conceptboard.

Eine Alternative zur Visualisierung à la Flipchart ist der Einsatz einer Dokumentenkamera. Mit ihr lassen sich die Notizen und Visualisierungen auf dem Notizblock der Coaches digital aufzeichnen, übertragen und teilen. Die Coachees sehen dann, wie sich zum Beispiel das Bild oder die Mindmap allmählich entwickeln. Viele Coaches erachten diese Art der Visualisierung als individueller und persönlich verbindender als das Arbeiten mit einem digitalen Whiteboard, weil dann die Coachees ihre Handschriften und ihre händischen Zeichnungen sehen. Ein Nachteil hiervon ist: Die Coachees können sich nicht aktiv am Prozess des Zeichnens oder Schreibens beteiligen. Bei einem digitalen Whiteboard ist dies möglich.

3. Nutze den Raum!
Coaches sind beim Online-Coachen zuweilen so auf die Technik fokussiert, dass sie vergessen, dass viele Dinge, die sie in Präsenz-Coachings machen, auch online möglich sind. So können Coaches ihre Coachees zum Beispiel auffordern, etwas auf einem Blatt Papier zu visualisieren. Das entstandene Bild können diese dann in die Kamera halten und erläutern. Auch Meditations- und Entspannungsübungen kann man sehr gut online mit Coachees oder Klienten durchführen. Testen Sie doch mit Kollegen oder Freunden einmal, was wie auch online funktioniert.

Der Raum, in dem das Online-Coaching stattfindet, ist kein realer Raum, der mit den für ein (Präsenz-)Coaching nötigen Utensilien ausgestattet wurde. Deshalb sollten Sie, wenn Sie online coachen, mit den Coachees zu Beginn kurz darüber sprechen, wie der virtuelle Raum technisch ausgestattet ist und welche Kommunikations- und Visualisierungsmöglichkeiten in ihm bestehen; außerdem darüber, wie die Coachees sich organisieren und was sie bereithalten sollten. Besprechen sollten Sie mit ihnen auch, ob sie beispielsweise in Nachdenkphasen oder bei Übungen, die sie zunächst alleine machen, das Mikro und die Kamera ausschalten möchten. So entsteht noch mal ein ganz anderer (Rückzugs-) »Raum«.
4. Verwende eine digitale Pinnwand!
Viele Coaches arbeiten in ihren Coachingsitzungen gerne mit Handouts oder kurzen Selbstchecks, die sie den Coachees zur Verfügung stellen und die dann gemeinsam reflektiert bzw. besprochen werden. In manchen Online-Tools wie Zoom gibt es die Möglichkeit, diese Dokumente den Coachees spontan via Chat zu senden. Dies ist jedoch nicht bei allen Webinar-Plattformen der Fall. Dann empfiehlt es sich, zusätzlich eine digitale Pinnwand zu nutzen.
Die Padlet-App bietet hierfür eine kostenfreie Basisvariante. Mit ihr können Sie ausprobieren, inwieweit sich der Einsatz einer digitalen Pinnwand in Ihren Coachings lohnt.
Außer den hier vorgestellten Tools zum interaktiven Gestalten von Coachingprozessen werden im Internet inzwischen viele weitere angeboten. So gibt es mittlerweile auch schon Online-Tools zum Erstellen und Arbeiten mit Aufstellungen – z. B. das Online-Systembrett.

Schritt für Schritt vorgehen

Wenn Coaches oder Führungskräfte, die zuweilen auch als Coaches agieren, ihre Online-Coachings interaktiver gestalten möchten, sollten sie schrittweise vorgehen. Sie sollten also ein Tool, das sie anspricht, auswählen und sich mit ihm vertraut machen. Danach sollten sie es beispielsweise mit Kollegen testen und erst anschließend bei ihren Coachingseinsetzen.
Lernen funktioniert nach dem »Use it or lose it«-Prinzip. Deshalb sollten Coaches nicht eine Vielzahl von Tools zur interaktiven Gestaltung von Online-Coachings zeitgleich in ihren Methoden- bzw. Werkzeugkoffer integrieren, denn wenn man ein Tool nicht regelmäßig nutzt, verankert sich das erworbene Wissen über dessen Einsatzmöglichkeiten und praktische Anwendung nicht. Dies ist aber wichtig, damit man als Coach das Tool im Coachingprozess auch wirklich spontan sicher nutzen kann und sich nicht immer wieder fragt: Wie funktioniert das noch mal? Ansonsten ist man als Coach nämlich mehr mit der Technik als mit den Coachees beschäftigt.

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prohaska

Gastautor
Sabine Prohaska
ist Inhaber des ­Beratungsunternehmens
seminar consult  prohaska.
www.seminarconsult.at