Wir verbringen aktuell viel Zeit vor Bildschirmen, um mit anderen zu kommunizieren – und das in verschiedenen Formaten, für die wir nicht einmal einheitliche Namen haben.
Seit Anfang der 1990er-Jahre begleiten uns rund ums Internet Probleme bei der Begriffsbestimmung. Das fängt schon beim Begriff »Internet« an, der in seiner ursprünglichen Bedeutung die Hardware beschreibt, also die Computer (Server), Kabel, Modems usw., die physisch vorhanden und notwendig sind, damit die Software darauf laufen kann. Diese Software-Anwendungen sind E-Mail, das World Wide Web, FTP-Transfer und einige mehr. Wenn wir also »surfen«, dann surfen wir im Web – also in der Welt der Informationen – und nicht im Internet, denn dann würden wir die Kabel entlang kriechen. Trotzdem hat sich im Deutschen der Begriff »im Internet surfen« weit verbreitet. Dass sich der eigentlich falsche Name zumindest zum Teil durchgesetzt hat, gilt auch für das Begriffspaar Homepage/Website. Die Definition ist klar: Die Website ist das Ganze, die Homepage nur die Startseite. Trotzdem sprechen viele von ihrer »Homepage«, wenn sie eigentlich die Website meinen.
Viele, aber eben nicht alle.
IT-Fachleute, Webmaster und manch andere würden niemals »Homepage« sagen, wenn sie von der Website sprechen. Warum den falschen Begriff verwenden, wenn man den richtigen kennt? Warum Begriffe verwässern, wenn doch gerade in der Technik eine exakte Sprache wichtig ist?
Auf die Instrumente der Weiterbildung umgelegt bedeutet das, dass zumindest die Anbieter – also z. B. Trainer, Coaches, Redner – die richtigen Begriffe für die aktuell so wichtigen Tools wie Webinare, Calls, Online-Konferenzen usw. kennen und verwenden sollten. Das ist aber leider oft nicht der Fall. Im Gegenteil, es herrscht eine Begriffsverwirrung. Schade, denn die einzelnen Instrumente wären eigentlich genau definiert, auch was ihre Namen betrifft.
Da wäre zunächst einmal der Begriff »Webinar«, ein Kunstwort aus »Web« (gemeint ist das World Wide Web, siehe oben) und »Seminar«. Also ganz einfach ein Seminar, das über das Web abgehalten wird. Im Englischen wird »Webinar« auch nach wie vor dafür und nur dafür gebraucht.
Leider wird der Begriff im Deutschen für viele Formen der Online-Kommunikation verwendet, hauptsächlich, weil die Namen mancher Formen nicht geläufig waren und daher einfach ein bekannter Begriff für ursprünglich nicht gemeinte Formen herhalten musste, was zu einer Verwässerung des Begriffs geführt hat. Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu »Webinar« beschreibt, wie der Begriff mehrheitlich verwendet wird: für Marketingveranstaltungen, Vorträge, Online-Besprechungen und eben auch Webinare. Also für fast alles, was mit visueller Live-Kommunikation übers Internet zu tun hat. Das ist schade, und es wäre schön, wenn zumindest die Experten die Kommunikationsformen richtig benennten.
Für ein Online-Seminar (also ein Webinar in der ursprünglichen Bedeutung) wird vielfach der Begriff »Live-Online-Training« vorgeschlagen. Der Nachteil dieses Begriffs ist, dass er etwas umständlich ist. Der große Vorteil ist, dass (zumindest bis jetzt) nichts anderes damit gemeint sein kann.
Für eine Live-Online-Veranstaltung, bei der die Interaktion nicht so wichtig ist, bei der es also hauptsächlich um Einwegkommunikation geht (z. B. ein Vortragender und viele Zuhörer), gibt es die Begriffe »Live-Online-Vortrag« und »Webcast«.
Für Kommunikation, die nicht »live«, sondern zeitversetzt stattfindet, gibt es wieder andere Bezeichnungen, siehe Tabelle links.
Auch visuelle Live-Online-Kommunikationsformen abseits der Weiterbildung sollte man nicht als »Webinare« bezeichnen, dafür gibt es Begriffe wie »Videokonferenzen« (streng genommen ab drei Personen, für zwei Personen wären es »Videoanrufe« oder »Video-Calls«), »Online-Besprechung« oder »Online-Town-Hall« (eine Präsentation z. B. der Geschäftsleitung für viele Mitarbeiter eines Unternehmens).
Software für Online-Kommunikation
Mit Software wie Zoom lassen sich (fast) alle diese Kommunikationsformen recht einfach betreiben. Dass aber hinter Zoom ein Unternehmen steckt, das in der Vergangenheit skrupellos unerlaubte Methoden eingesetzt hat, die über Datenschutzverstöße weit hinausreichen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Die Software hat z. B. bei Installation auf Apple-Betriebssystemen unter Umgehung der Sicherheitsvorkehrungen Programmcode installiert, der zum Ausspionieren des gesamten Computers genutzt werden kann. Zoom hat zwar Besserung versprochen und mit Software-Updates auch geliefert. Überprüfen kann man die Beteuerungen aber nicht, und das Vertrauen wurde eben in der Vergangenheit verspielt. Die Datenschutzorganisation NOYB hat in einem im April 2020 veröffentlichten Test Zoom in 6 von 12 Kategorien als »nicht zufriedenstellend« bewertet. Da ging es darum, ob die Vorschriften nach Artikel 13 der DSGVO eingehalten werden. Es verwundert also nicht, dass viele Unternehmen, auch in Österreich, die Nutzung von Zoom ihren Mitarbeitern untersagen.
Na gut, aber welche Software sollen wir dann verwenden? Diese Frage bleibt in den vielen Anti-Zoom-Meldungen unbeantwortet, weil sie nämlich sehr schwer zu beantworten ist. Alle anderen von NOYB getesteten Anbieter schneiden zwar etwas besser als Zoom ab, aber nicht viel. Die einzig verlässlich saubere Lösung ist, einen eigenen Server zu betreiben, darauf eine Open-Source-Lösung wie z. B. jitsi (jitsi.org) laufen zu lassen und die Online-Kommunikation dann darüber abzuwickeln. Dafür braucht es aber einiges an Know-how, das bei kleinen und mittelgroßen – und selbst bei vielen großen – Anbietern in der Weiterbildungsbranche meist nicht vorhanden ist. Und mit Know-how allein ist es ja nicht getan: Man muss auch in Server und Bandbreite investieren, hat also neben Einmalkosten auch monatliche Fixkosten.
Das ist eine Momentaufnahme, in der nahen Zukunft werden sich die Dinge zum Besseren wenden. Die großen internationalen Player werden neue Lösungen anbieten bzw. bestehende verbessern; jitsi wird schon sehr bald eine echte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung implementiert haben, sodass man keine eigenen Server und kein Know-how mehr braucht, um damit sicher über das Internet zu kommunizieren.
Für die Praxis der Trainer bedeutet das alles: In vielen Fällen werden die Kunden bestimmen, mit welcher Software die Online-Kommunikation stattfindet, die Trainer werden sich dem anpassen müssen. Es könnte sein, dass man drei, vier oder fünf Tools erlernen muss. Das ist mühsam. Dieser Aufwand ist vermutlich unbezahlt, aber nicht zu unterschätzen: Verschiedene Tools erlauben verschiedene didaktische Konzepte – und das bedeutet: Manche didaktischen Konzepte sind nur mit bestimmten Tools umzusetzen. Das ist für Trainer Neuland.
Und dann wäre da noch die spürbar abnehmende Begeisterung, die Kommunikation übers World Wide Web abzuwickeln. Dafür gibt es viele Gründe: Es ist anstrengender und unsere sozialen Bedürfnisse werden dadurch nicht befriedigt. Mimik und Ton sind fast nie völlig synchron, in einem Ausmaß synchron, dass uns die Asynchronität nicht auffällt, unserem Hirn aber schon. Dieses wird dadurch gestresst – und wir damit auch.
Die Freude auf den Wiederbeginn der Präsenzseminare ist jedenfalls groß. In der Zwischenzeit lernen wir weiter viel auf dem Gebiet der Online-Kommunikation. Der Werkzeugkoffer der Weiterbildung ist durch die Krise größer geworden – das ist doch großartig.