Worauf Arbeitgeber im Zuge einer unternehmensinternen Untersuchung achten sollten und welche Gesetze relevant sind, beschreibt Arbeitsrechtsexpertin Birgit Vogt-Majarek.
In den letzten Jahren mehren sich, auch im Zusammenhang mit dem »Compliance-Boom« und den entsprechend verstärkten Maßnahmen, von Unternehmen eingeleitete interne Ermittlungen. Diese erfolgen häufig, um interne Schwachstellen oder Verstöße gegen geltendes Recht aufzuklären (wie z. B. Verdacht auf Diebstahl oder sonstige Unregelmäßigkeiten, Verfälschung von Arbeitszeitaufzeichnungen etc.). Zielsetzung ist, bereits entstandene Schäden zu beseitigen oder zu mindern und weitere Risiken zu vermeiden.
Unternehmen bedienen sich bei derartigen Untersuchungen in der Praxis häufig unternehmenseigener Rechtsabteilungen. Das bringt den Vorteil, dass die internen Ermittler die Firmenabläufe kennen und bei den Mitarbeitern meist ein höheres Vertrauen genießen als Externe. Alternativ dazu wird externe Unterstützung durch Rechtsanwälte oder durch die Einbeziehung nationaler Ermittlungsbehörden gesucht. Letzteres bringt neben der u. U. stärkeren Außenwirkung i.Z.m. der Bereitschaft, Missstände umfassend aufklären zu wollen auch den Vorteil des umfassenden Zeugnisverweigerungsrechts für Rechtsanwälte. Diese sind grundsätzlich nicht befugt und können daher mangels Entbindung auch nicht dazu verhalten werden, in einem Gerichtsverfahren über die Ergebnisse der internen Ermittlungen auszusagen.
Mittel bei internen Untersuchungen
Bei der Vorbereitung bzw. Durchführung der Untersuchungen sind das Recht des Arbeitgebers zur Kontrolle der Arbeitnehmer und die Interessen der Arbeitnehmer an der Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen. Werden bei der Kontrolle auch »personenbezogene Daten« i.S.d. Datenschutzgrundverordnung (»DSGVO«) gewonnen, beziehen sich Informationen daher z. B. auf identifizierbare natürliche Personen, ist die Verarbeitung u. a. nur für festgelegte, legitime Zwecke und nur beschränkt auf das unbedingt erforderliche Maß der Untersuchung zulässig (Art 5 Abs 1 DSGVO). Darüber hinaus darf das Ergebnis nicht länger als für die Zweckerreichung nötig gespeichert werden.
Überwachung der Internetnutzung
Der zulässige Umfang der Untersuchungsmaßnahmen ist in der Praxis vom Umfang der privaten Nutzungsmöglichkeiten durch die Arbeitnehmer im Betrieb abhängig. Bei einer internen Ermittlung dürfen grundsätzlich nur betriebliche Daten untersucht und private Daten nicht miteinbezogen werden. Schwierig ist diese Umsetzung bzw. Abgrenzung insbesondere dort, wo die (auch private) Internet-/E-Mail-Nutzung durch die Mitarbeiter seitens des Arbeitgebers nicht eingeschränkt ist. Diesfalls besteht die Gefahr, dass jede Kontrolle in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers eingreifen bzw. die Menschenwürde berühren könnte, wenn dabei auch Verkehrsdaten aus der Privatsphäre ausgewertet werden (wie z. B. private E-Mails). Der Einsatz technischer Kontrollmaßnahmen, wie etwa auch der Zugang zum Internet, benötigt aufgrund der i.d.R. bestehenden Eignung zur Kontrolle entweder die Zustimmung des Betriebsrates in Form einer Betriebsvereinbarung oder in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, die Zustimmung der davon betroffenen Arbeitnehmer.
Die Auswertung von E-Mails setzt jedenfalls voraus, dass ein begründeter Verdacht gegen den konkreten Mitarbeiter vorliegt. Enthält der E-Mail-Account auch private E-Mails, dürfen diese nur ausnahmsweise ausgewertet werden, wenn dies zur Verfolgung von Rechtsansprüchen – insbesondere gegen den Mitarbeiter – oder zur Rechtsverteidigung des Unternehmens selbst notwendig ist. Die Rechtsgrundlage für die Auswertung dieser Daten ist das überwiegende berechtigte Interesse des Arbeitgebers (Art 10 DSGVO). Ein Einwilligungsrecht des Arbeitnehmers zur Einsichtnahme kommt wohl nicht in Betracht, weil diese nicht freiwillig erfolgen wird. Arbeitgeber behelfen sich bei internen E-Mail-Untersuchungen häufig dadurch, dass sie ein Betriebsratsmitglied oder etwa einen Datenschutzbeauftragten der Kontrollmaßnahme beiziehen, um die Arbeitnehmerinteressen entsprechend zu schützen.
Interne Befragung von Mitarbeitern
Fraglich ist hier primär, in welchem Umfang Arbeitnehmer zur Auskunft im Zuge von internen Befragungen überhaupt verpflichtet sind. Das lässt sich wohl aus der allgemeinen Treuepflicht ableiten und für jene Fragen bejahen, die gestellt werden, um innerhalb des Unternehmens Missstände aufzuzeigen, die geeignet sind, dem Arbeitgeber Schaden zuzufügen. Arbeitnehmer sind insoweit berechtigt, die Beantwortung bestimmter Fragen zu verweigern, als sie sich dadurch selbst belasten würden. Deckungslügen oder Verschleierungsaussagen sind aber auch nach der Rechtsprechung nur sehr eingeschränkt zulässig und können sehr wohl eine Vertrauensunwürdigkeit bewirken, wenn dadurch beim Arbeitgeber unrichtige Vorstellungen über den Sachverhalt entstehen und daraus die Gefahr resultiert, den Schaden des Arbeitgebers zu vergrößern.
Ein Anspruch darauf, dass der Arbeitnehmer bei der Befragung einen Rechtsanwalt oder ein Betriebsratsmitglied beiziehen darf, besteht nicht. De facto wird der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor allem dann einen (aufgrund der umfassenderen Verschwiegenheit am besten anwaltlichen) Beistand gewähren, wenn der Arbeitnehmer andernfalls jegliche Kooperation verweigert und der Arbeitgeber Interesse an einer weitergehenden Aufklärung hat.
Das Gesetz enthält keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Betriebsrat über Verdachtsfälle oder Mitarbeiterinterviews im Rahmen von Untersuchungen zu informieren oder diesen dazu beizuziehen. Die Auskunftspflicht nach § 91 ArbVG bezieht sich nur auf Angelegenheiten, die die u. a. wirtschaftlichen oder sozialen Interessen der Belegschaft – und nicht jene des einzelnen Arbeitnehmers – betreffen.
Grundsätzlich darf dem Betriebsrat die Einsicht in einen Personalakt nur bei vorherigem Einverständnis des betroffenen Arbeitnehmers gewährt werden. Dies sollte der Betriebsrat nicht umgehen dürfen, indem er darauf besteht, der Befragung des Arbeitnehmers beigezogen zu werden. Lehnt der Arbeitnehmer ab, ist dem Verlangen des Betriebsrates auf Teilnahme daher nicht zu folgen.
Der Inhalt der Befragung wird in aller Regel jedenfalls auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beinhalten. Zu empfehlen ist daher, schon vor der Befragung den Arbeitnehmer auf seine Verschwiegenheitspflicht hinzuweisen.
Informations- und Anzeigepflicht des Arbeitnehmers
Eine allgemeine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers über Missstände im Unternehmen sieht das Gesetz nicht vor. Diese wird einerseits vom konkreten Einsatzbereich des Mitarbeiters und insbesondere davon abhängen, ob er Aufsichts- und Kontrollfunktionen gegenüber anderen Mitarbeitern ausübt, und es wird andererseits auf die Art und Schwere des Verstoßes bzw. Vorfalls ankommen. Auch nicht aufsichts- und kontrollbefugte Arbeitnehmer werden in jenen Fällen Meldung erstatten müssen, in denen sich ein großer Schaden für den Arbeitgeber abzeichnet, der sich bei Meldung des Fehlverhaltens noch abwenden ließe. Möchte der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer verpflichten, Anzeige im Falle bestimmter Verstöße zu erstatten, so handelt es sich um Ordnungsvorschriften, die grundsätzlich auch ohne Betriebsvereinbarung vom Arbeitgeber im Rahmen seiner Weisungsrechte angeordnet werden können und durchsetzbar sind. Der Betriebsrat hat aber die Möglichkeit, notfalls über die Schlichtungsstelle eine Betriebsvereinbarung mit weniger weitreichenden Beschränkungen der Arbeitnehmer in punkto Meldepflichten zu erzwingen.
Exkurs: Einführung von
Whistleblower-Systemen
Dem Arbeitgeber steht es frei, im Betrieb ein Whistleblower-System einzuführen. Auf arbeitsvertraglicher Basis – bzw. auf Basis einer freiwilligen BV – kommt ein nicht-automationsunterstütztes System in Betracht, bei dem den Arbeitnehmern freigestellt ist, in welcher Form sie Meldung erstatten möchten. Hierfür reicht z. B. eine »Beschwerdebox« im Bürogebäude.
Ist eine Whistleblowing-Hotline, wie in der Praxis häufig der Fall, eine Kontrollmaßnahme, die die Menschenwürde berührt, setzt die Umsetzung eines derartigen Whistleblower-Systems in Betrieben mit Betriebsrat zwingend dessen Zustimmung voraus und kann es in betriebsratslosen Betrieben durch – jederzeit kündbare – Vereinbarung mit jedem Arbeitnehmer implementiert werden. In einer eigenen Whistleblower-Policy sollte insbesondere geregelt werden, an welche Stelle im Unternehmen die Meldung ergehen soll, welche Arten von Rechtsverstößen zu melden sind, wie die Meldung zu erstatten ist und wie lange Whistleblowing-Meldungen aufzubewahren sind. Auf diese Policy kann in der Betriebsvereinbarung verwiesen werden. Besteht kein Betriebsrat, so ist auch insofern die Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer notwendig.
Offenlegung der Ermittlungsergebnisse innerhalb des Unternehmens bzw. des Konzerns
Bei der Übermittlung der Ermittlungsergebnisse einer Untersuchung an Konzernunternehmen innerhalb der EU sind die allgemeinen Voraussetzungen der Datenverarbeitung einzuhalten. Außerhalb der EU ist maßgeblich, ob diese Länder bereits ein angemessenes Schutzniveau genießen.
Ist dies nicht der Fall, darf eine Übermittlung nur vorgenommen werden, wenn geeignete Garantien (z. B. verbindliche interne Datenschutzvorschriften, die von der zuständigen Aufsichtsbehörde zu genehmigen sind (Art 46 Abs 1 DSGVO) bestehen. Andernfalls darf eine Übermittlung nur im Ausnahmefall erfolgen, so z. B. bei Einwilligung der betroffenen Person nach Aufklärung über die möglichen Risiken oder bei Übermittlung für die Erfüllung eines Vertrages zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen. Da die Organe einer Gesellschaft dieser direkt zugerechnet werden, wird eine Übermittlung der Daten z. B. an den Geschäftsführer bzw. die Generalversammlung in den meisten Fällen auch ohne Rechtfertigungsgrund i.S.d. Art 6 DSGVO möglich sein.