Praxisfragen: Sozialplan und Covid

Wann es verpflichtend ist, einen Sozialplan zu erstellen, und welche Rechte und Pflichten für den Arbeitgeber damit einhergehen, lesen Sie in diesem Artikel.

Wirtschaftliche Notlagen, die aus der Corona-Pandemie und den durch die Bundesregierung angeordneten Maßnahmen resultieren, erfordern regelmäßig Restrukturierungsschritte, wie die Schließung oder Einschränkung von Betriebsteilen, zur finanziellen Absicherung des Fortbestands des (restlichen) Unternehmens.
Die aktuellen Infektionszahlen und verschärfte Maßnahmen im Rahmen des zweiten »Lockdown« können die Notwendigkeit von Restrukturierungen verstärken. Der folgende Artikel fasst zusammen, wann die erwähnten Änderungen bei wesentlichen Nachteilen für einen erheblichen Teil der Belegschaft zum Abschluss eines Sozialplans verpflichten können, welche Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Sozialplans bestehen und welche Vor- und Nachteile dieser mit sich bringt.

Ein Sozialplan – was ist das?

Ein echter »Sozialplan« ist eine Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat, mit der Maßnahmen festgelegt werden, die die Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des § 109 Arbeitsverfassungsgesetz (»ArbVG«), wie z. B. eine Massenkündigung, Betriebseinschränkung oder -stilllegung verhindern, beseitigen oder mildern sollen. Der Abschluss kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen durch den Antrag einer der beiden Seiten an die Schlichtungsstelle, deren Entscheidung als Betriebsvereinbarung gilt, »erzwungen werden«. Als geeignete Maßnahmen kommen in der Praxis insbesondere freiwillige Abfertigungen, Überbrückungshilfen, Wiedereinstellungszusagen betreffend gekündigte Arbeitnehmer oder die Gründung einer Arbeitsstiftung in Frage.

Die Höhe von Zahlungen im Rahmen eines Sozialplans beruht in der Regel auf generell und nach sachlichen Kriterien festgelegten Parametern (wie z. B. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Ausbildung etc.).

Erzwungener Sozialplan

Voraussetzung für die Vereinbarung eines (echten) Sozialplanes ist die Existenz eines Betriebes mit dauernd mindestens 20 Arbeitnehmern, in dem es durch eine der oben erwähnten Betriebsänderungen zu wesentlichen Nachteilen für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft kommen kann. Als »wesentliche Nachteile« einer Betriebsänderung iSd § 109 Abs 1 Z 1 – 6 ArbVG sind u. a. der Verlust von Arbeitsplätzen oder Entgeltreduktionen, wie diese aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie vermehrt auftreten, aber u. U. auch Verlängerungen des Arbeitswegs oder Versetzungen zu verstehen.

Diese »wesentlichen Nachteile« dürfen nicht nur einzelne Arbeitnehmer, sondern müssen entweder die gesamte oder zumindest »erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft« betreffen. Laut der (soweit ersichtlich) bisher einzigen Höchstgerichtsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Erheblichkeit erfüllen 8 % der Belegschaft diese Voraussetzung nicht. Es gibt bislang zwar keinen fixen Prozentsatz, ab welcher Größenordnung von einem »erheblichen Teil der Belegschaft« zu sprechen ist, die überwiegende Auffassung in der Lehre hat sich jedoch bei rund einem Drittel der Belegschaft (z. T. sogar bis zu 50 %) als Untergrenze eingependelt.

Während für die (Massen)Kündigung im Anschluss bzw. während der Covid-19-Kurzarbeit gewisse Schranken (Wartezeiten) bestehen, und Arbeitgeber daher den Beschäftigtenstand im Betrieb aufrechtzuerhalten haben, der unmittelbar vor Beginn des Kurzarbeitszeitraumes bestanden hat, sowie Arbeitnehmer, die von Kurzarbeit betroffen waren, nach Ende der Kurzarbeit mindestens einen Monat zu behalten haben und sohin in diesem Zeitraum nicht aus betriebsbedingten Gründen kündigen können, gilt das für den Abschluss eines Sozialplanes nicht. Sozialplanverhandlungen können daher auch schon während einer Kurzarbeitsphase gestartet und ein solcher auch abgeschlossen werden.

Rechtsfolgen bei Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen

Fehlt eine oder mehrere der oben erwähnten Voraussetzungen, liegt kein »echter« Sozialplan vor und kann dieser auch nicht erzwungen werden. Zur Vereinheitlichung der zu setzenden (Abfederungs-)Maßnahmen kann aber dennoch eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung getroffen werden. Strittig sind die Rechtswirkungen eines solchen Sozialplans, der mangels Erzwingbarkeit über die Schlichtungsstelle oder sonstiger Betriebsvereinbarungsgrundlage als »freie Betriebsvereinbarung« qualifiziert wird. Diese kann, abhängig von der Gestaltung, konkludent in die Einzelarbeitsverträge der Betroffenen eingehen und Ansprüche für diese begründen. Umso wichtiger ist daher, dass sich der Arbeitgeber auch die Möglichkeit zu künftigen Änderungen vorbehält. Vor Abschluss eines Sozialplans sollte daher zur Vermeidung von Überraschungen überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen echten Sozialplan vorliegen.

Rechte des Betriebsrates bei Betriebsänderungen

Der Betriebsinhaber hat bei Betriebsänderungen gegenüber dem Betriebsrat konkrete Informations- und Beratungspflichten. Der Betriebsinhaber ist dabei verpflichtet, den Betriebsrat von geplanten Betriebsänderungen in puncto Zeit, Form und inhaltliche Ausgestaltung so zu informieren, dass dem Betriebsrat dadurch ermöglicht wird, die möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme eingehend zu bewerten, eine Stellungnahme zu dieser abzugeben sowie auf Verlangen mit dem Betriebsinhaber über deren Gestaltung zu beraten.

Die die »Betriebsänderung« verwirklichenden Maßnahmen können vom Arbeitgeber auch vor (bzw. soweit kein Sozialplan erzwungen wird auch ohne) Abschluss eines Sozialplans gesetzt werden, diese werden durch die Verhandlungen über einen Sozialplan also nicht zeitlich gebremst. Die verspätete oder mangelhafte Information des bzw. Beratung mit dem Betriebsrat kann aber zu einer im Gesetz vorgesehenen Verteuerung der Sozialplanleistungen für den Betriebsinhaber führen, wenn sich aus der Verzögerung Nachteile für die Arbeitnehmer ergeben.

Vorteile aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht

Vergütungen, die der Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Sozialplanes leistet, sind in der Sozialversicherung grundsätzlich beitragsfrei. Für Mitarbeiter, die dem System der »Abfertigung alt« unterliegen, erfolgt die Abrechnung von Sozialplanleistungen als »freiwillige Abfertigung« steuerbegünstigt (mit 6 % nach der Viertelregelung und eventuell auch nach der Zwölftelregelung). Unterliegen Arbeitnehmer dem System der »Abfertigung neu«, steht ihnen immerhin bis zu einem Betrag von maximal 22.000,– € eine Versteuerung mit dem Hälftesteuersatz laut § 67 Abs 8 lit f EStG zu. Sozialplanleistungen sind gegenüber der sonst geltenden Regelbesteuerung aus steuerlicher Sicht also durchaus attraktiv.

Voraussetzung für die erwähnten Begünstigungen ist jedoch die Erfüllung folgender drei Vorgaben: das Vorliegen einer Betriebsänderung im Sinne der erwähnten gesetzlichen Voraussetzungen, der Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder (in Betrieben mit weniger als zwanzig Arbeitnehmern oder ohne Betriebsrat) einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und der gesamten Belegschaft, sowie ein ursächlicher Zusammenhang der Sozialplanzahlung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Gleichbehandlungsaspekte beim Abschluss eines Sozialplans

Freiwillige Vergütungen im Sozialplan, die zur Bemessung auf das Pensionsantrittsalter abstellen, können aufgrund des noch bis 2033 unterschiedlichen, maßgeblichen Alters für Frauen und Männer unter Diskriminierungsgesichtspunkten heikel sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) – und diesem folgend der Oberste Gerichtshof (OGH) – bestätigte (in der Rechtssache C-19/02), dass Sozialplanleistungen, die am unterschiedlichen ASVG-Pensionsantrittsalter anknüpfen, nicht diskriminierend sind, weil sich Männer und Frauen hinsichtlich der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse in unterschiedlichen Situationen (u. a. betreffend das Risiko einer Arbeitslosigkeit) befinden.

Wesentlich ist jedoch, dass die Kriterien zur Festlegung des Verteilungsschlüssels der Sozialplanleistungen (wie in der Regel Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Qualifikation, und unter Umständen auch die familiäre Situation oder zusätzliche Erschwernisse, für die zum Teil ein Härtefallfonds eingerichtet wird etc.) so gewählt werden, dass keine Mitarbeitergruppe ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligt (und z. B. für Sozialplanleistungen allein nach dem Geschlecht, ohne weitere Kriterien für die Abgrenzung differenziert) wird.

Fazit

Schwierige Zeiten aufgrund der Corona-Pandemie erfordern vermehrt schwierige Entscheidungen bzw. Maßnahmen, um einerseits den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen, andererseits die Arbeitsplätze der Belegschaft zu erhalten. Sofern das für den Arbeitgeber finanziell überhaupt möglich ist, ohne weitere Arbeitsplätze zu gefährden, ist aus den erwähnten steuerlichen Gründen und auch aus Gleichbehandlungserwägungen zu empfehlen, einen Sozialplan zu vereinbaren, um mögliche, auf genereller Ebene zu beurteilende Nachteile für einen großen Teil der Belegschaft auszugleichen.
Das Vorliegen individueller Nachteile von Arbeitnehmern wird bei der Erfüllung der im Sozialplan aufgestellten Parameter für Sozialplanleistungen nicht näher überprüft; das heißt, den Arbeitnehmern steht eine Zahlung auch dann zu, wenn die generalisierte Einschätzung (auf Basis von Alter, Betriebszugehörigkeit etc.) negativer ist als die konkrete Arbeitsmarktsituation des Arbeitnehmers und dieser daher weniger schutzbedürftig ist als (im Sozialplan) angenommen. Vor Abschluss eines Sozialplans sollte jedenfalls stets das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen überprüft werden, um die möglichen rechtlichen Konsequenzen besser abschätzen zu können.

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Vogt-Majarek

Gastautorin
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partnerin der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
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