Praxisproblem: Krankenstand

In den Wintermonaten kommt es vermehrt zu Krankenständen. Dieser Artikel soll Tipps für die Praxis geben und Fehler aufzeigen, die es zu vermeiden gilt.

Grundsätzlich sind Arbeitnehmer zur Meldung an den Arbeitgeber ohne schuldhafte Verzögerung verpflichtet, wenn sie aufgrund von Krankheit nicht zur Arbeit kommen können. Bei Verstoß gegen diese Verpflichtung verlieren Arbeitnehmer den grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit des unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz. In schwerwiegenden Fällen, wenn der Arbeitnehmer z. B. weiß, dass es durch die Verletzung seiner Meldepflicht zu wirtschaftlichen Nachteilen für den Arbeitgeber kommen wird (wie z. B. bei zeitkritischen Projekten, oder etwa bei Schichtarbeit o. ä.) und dem Arbeitnehmer eine Mitteilung möglich gewesen wäre, kann sogar ein Entlassungsgrund vorliegen. Soweit der erkrankte Arbeitnehmer für das Unternehmen wichtige Informationen hat, deren Weitergabe unumgänglich ist, hat er u. U. für Informationen oder Fragen (z. B. telefonisch) zur Verfügung zu stehen, soweit das mit dem Krankheitsbild vereinbar ist. Hierbei wird in der Praxis ein strenger Maßstab angelegt.
Ein Nachweis der Krankheit durch ärztliche Bestätigung ist grundsätzlich nur verpflichtend, wenn der Arbeitgeber dies explizit verlangt. Eine generelle Regelung, die vorschreibt, ab welchem Krankenstandstag eine Bestätigung zu erbringen ist, kann schriftlich in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Eine solche Bestimmung ist jedenfalls sinnvoll, damit erkrankte Arbeitnehmer sich rechtzeitig um eine ärztliche Krankmeldung kümmern. Dennoch muss im konkreten Krankheitsfall aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in § 8 AngG eine ärztliche Bestätigung seitens des Arbeitgebers verlangt werden, um den Mitarbeiter zu verpflichten, eine Krankmeldung vorzulegen.
Es besteht keine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, wenn eine Krankheit nachweislich auf grob fahrlässiges (oder vorsätzliches) Verhalten eines Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Das gilt z. B., wenn er eine dringend empfohlene Impfung für einen Urlaubsaufenthalt nicht durchführt. Dies ist im Einzelfall genau zu prüfen, wobei die Rechtsprechung einen sehr strengen Maßstab an den Nachweis des Fehlverhaltens anlegt.

Entgeltfortzahlung im Krankenstand

Soweit die erwähnten Vorgaben für eine Entgeltfortzahlung erfüllt sind, haben Angestellte und Arbeiter (seit der Vereinheitlichung Mitte 2018 gleichermaßen) im ersten Dienstjahr Anspruch auf sechs Wochen volle Entgeltfortzahlung, im zweiten bis 15. Dienstjahr Anspruch auf acht, im 16. bis 25. Dienstjahr Anspruch auf 10 Wochen und ab dem 26. Dienstjahr Anspruch auf zwölf Wochen volle Entgeltfortzahlung. Im Anschluss an die volle Entgeltfortzahlung besteht jeweils Anspruch auf vier Wochen halbe Entgeltfortzahlung. Sollte eine dieser »Schwellen« während des Krankenstandes des krankgeschriebenen Arbeitnehmers überschritten werden, erhöht sich der Anspruch bereits für den laufenden Krankenstand. Krankheiten innerhalb eines Arbeitsjahres sind zusammenzurechnen; ein neuer Anspruch in vollem Umfang entsteht wiederum mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres. Arbeitnehmer, deren Gehalt aus einem variablen Teil, wie zum Beispiel aus Provisionen besteht, haben im Krankenstand Anspruch auf Entgelt (unter Einbeziehung der Provisionen) in der Höhe des Durchschnitts der letzten zwölf Monate.

Frau im Krankenstand mit Tee und Medikamenten. Erkältung, Schnupfen und Grippezeit

Krankenstand und Urlaub

Da Urlaub grundsätzlich der Erholung dienen soll, darf ein Urlaubsantritt nicht vereinbart werden, wenn bereits absehbar ist, dass ein Arbeitnehmer an dessen Verbrauch wegen Krankheit, zum Beispiel aufgrund einer geplanten Operation, verhindert ist. Ist absehbar, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit seinen Urlaub nicht antreten bzw. nicht fortsetzen kann, kann er grundsätzlich von der Urlaubsvereinbarung zurücktreten. Falls der Arbeitnehmer den Urlaub direkt im Anschluss an den Krankenstand antritt, empfiehlt es sich jedenfalls, die ärztliche Bestätigung direkt nach der Rückkehr des Arbeitnehmers einzufordern. Generell empfiehlt es sich für solche Fälle, vor Beginn des vereinbarten Urlaubs mit dem Arbeitnehmer schriftlich zu vereinbaren, ob und wie lange der geplante Urlaub tatsächlich angetreten wird.

Falls ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs krank wird, kann der Urlaub aus diesem Grund unterbrochen werden, falls die Krankheit nachweislich länger als drei Tage dauert, die Erkrankung nicht fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt wurde (siehe dazu bereits oben), und die Krankheit nicht infolge einer anderen, im Urlaub ausgeübten, dem Erholungszweck widersprechenden Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers ausgebrochen ist. Sollte die Vermutung vorliegen, dass einer dieser Gründe vorliegt, sollte dies unbedingt durch Befragung des Arbeitnehmers oder entsprechende Dokumente bescheinigt werden. (Zum Verhältnis zwischen Krankenstand und Zeitausgleich siehe auch den Artikel im Magazin TRAiNiNG  04/13).

Beendigung des Dienstverhältnisses im Krankenstand

Grundsätzlich ist eine Kündigung (auch) im Krankenstand möglich. Mit Zugang der Kündigungserklärung beginnen die Kündigungsfristen und -termine wie gehabt zu laufen. Der Arbeitnehmer behält, soweit sein Krankenstand über das Endes der Kündigungsfrist hinausgeht, seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, so wie er auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bestehen würde. Diese Weiterzahlungspflicht entfällt jedoch, wenn entweder der Arbeitnehmer selbst während des Krankenstands kündigt oder wenn der Arbeitnehmer erst nach Ausspruch der Kündigung und während der Kündigungsfrist in Krankenstand geht. Innerhalb der Probezeit kann das Dienstverhältnis auch im Krankenstand sofort beendet werden, und muss der Arbeitgeber das Entgelt nicht weiter bezahlen, auch wenn die Krankheit noch länger dauert.

Darüber hinaus ist wichtig, dass die Kündigung für den Beginn der Kündigungsfrist wirksam zugehen muss. Sollte sich ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt im Krankenhaus befinden, muss daher grundsätzlich dort zugestellt werden, was abhängig von der Art der Erkrankung bzw. Abteilung besonderen Vorgaben unterliegen kann. Sollte der Arbeitnehmer im Koma liegen, kann er, weil er nicht bei Bewusstsein ist, die Kündigung nicht wirksam entgegennehmen. Eine Kündigung ist daher i. d. R. erst dann wirksam, wenn ein Erwachsenenvertreter bestellt wurde. Dies kann vom Arbeitgeber bei Gericht angeregt werden.

Eine Kündigung im Krankenstand, kann vom gekündigten Arbeitnehmer bei Gericht wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden. Der Arbeitnehmer muss dazu zunächst darlegen, dass seine Interessen durch die Kündigung wesentlich beeinträchtigt sind. Häufig auftretende und/oder lange andauernde Krankenstände des Arbeitnehmers können vom Arbeitgeber als Gründe in der Person des Arbeitnehmers angeführt werden, die die sozialwidrige Kündigung rechtfertigen. Bei wiederholter krankheitsbedingter Abwesenheit von mindestens fünf Wochen pro Jahr betrachtet die Rechtsprechung eine darauf gestützte Kündigung üblicherweise als gerechtfertigt.

Fehlverhalten im Krankenstand

Ein Arbeitnehmer hat sich während seines Krankenstandes so zu verhalten, dass er sobald wie möglich wieder gesund und arbeitsfähig ist. Welches Verhalten in diesem Zusammenhang angemessen ist, hängt von der Krankheit und von der Art der Tätigkeit ab. In vielen Situationen mag Bettruhe am besten für eine zeitnahe Genesung sein, bei gewissen Verletzungen oder psychischen Erkrankungen sind hingegen Spaziergänge o. ä. der Gesundheit (besser) zuträglich. Geht ein Arbeitgeber davon aus, dass ein Arbeitnehmer ein tatsächliches Fehlverhalten im Krankenstand setzt (indem er diesen etwa vortäuscht oder ein genesungswidriges Verhalten setzt), was bei entsprechender Schwere einen Entlassungsgrund verwirklichen kann, ist der Arbeitgeber dafür beweispflichtig, wofür i. d. R. strenge Maßstäbe gesetzt werden.

So muss der Arbeitgeber im Streitfall das genaue Fehlverhalten des Arbeitnehmers inklusive dessen Ort und Zeitraum sowie darüber hinaus beweisen, dass das beschriebene Verhalten zumindest geeignet ist, den Genesungsprozess zu verzögern. Das kann, abhängig vom konkreten (Anfangs)Verdacht, durch Zeugen oder Beauftragung eines Detektives nachgewiesen werden. Darüber hinaus kommt es immer häufiger vor, dass Arbeitnehmer während ihres Krankenstandes Fotos oder sonstige Beiträge auf Social-Media-Kanälen posten, aus denen sich ein pflichtwidriges Verhalten ableiten lässt. So wurde z. B. eine Entlassung nach Posting einer Arbeitnehmerin aus der Disco und sichtlich alkoholisiert während ihres Krankenstandes als berechtigt qualifiziert.

Aktuelle Diskussion zu erweiterten Prüfungsmöglichkeiten

Anlässlich eines Forderungspapiers der Wirtschaftskammer für eine neue »Krankenordnung« wurde im Dezember 2019 intensiv diskutiert, ob Arbeitgebern bei Missbrauchsverdacht eine erweiterte Prüfungsmöglichkeit von Krankenständen zukommen soll. Während die Arbeitnehmervertreter den Vorschlag aus persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Gründen ablehnten, wiesen die Arbeitgebervertreter, wie schon in der Vergangenheit, auf die Problematik der Nicht-Überprüfbarkeit der Krankheit bzw. des genesungsfördernden Verhaltens von Arbeitnehmern hin. Der Nachweis des Missbrauchs ist aufgrund der häufig nicht vorliegenden Informationen des Arbeitgebers zum Krankenstandsgrund oft schwer zu erbringen. Auch für die Planbarkeit der betrieblichen Organisation brächten erweiterte Informations- und Überprüfungsmöglichkeiten (auch) i. Z. m. der voraussichtlichen Dauer des Krankenstandes eine wesentliche Erleichterung.

Fazit
Im Zusammenhang mit Krankenständen ist, wie oben ausgeführt, eine möglichst genaue schriftliche Dokumentation von Urlaubsvereinbarungen sowie Krankmeldungen samt Informationen zur voraussichtlichen Krankheitsdauer zu empfehlen. Der Arbeitgeber hat i. d. R Interesse daran, dass Arbeitnehmer nicht krank in die Arbeit kommen und womöglich andere Mitarbeiter anstecken; gleichzeitig muss er sichergehen können, dass Arbeitnehmer aufgrund der den Arbeitgeber treffenden finanziellen Belastungen im Krankenstand auch das richtige und heilungsfördernde Verhalten setzen.

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Vogt-Majarek

Gastautorin
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partnerin der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
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