Produktivität im Home Office

KICK OFF Management Consulting GmbH führte Mitte bis Ende November 2020 eine quantitative und qualitative Online-Umfrage unter HR, Führungskräften und Mitarbeiter zum Thema Home Office durch. Die wichtigsten Ergebnisse dazu finden Sie hier.

Divers bis polarisierend.

  • Divers bis polarisierend werden Home Office und die Auswirkungen auf Remote Work, Remote Leadership und auf die Trennung Berufliches/Privates gesehen. Etlichen Erleichterungen durch Home Office stehen auch zahlreiche Herausforderungen gegenüber:
  • Die meist genannten Erleichterungen drehen sich zum 1. um das Thema Zeit, wie: Flexibilität, freie, autonomere Zeiteinteilung, Wegfall der Wegzeiten und Arbeitswegersparnis oder allgemeiner „besseres Zeitmanagement“. Zum 2. um das Thema konzentriertere Einzelarbeiten, wie: Mehr Focus, bessere Konzentration, keine ständigen Unterbrechungen, kurze sachliche Besprechungen und zielgerichtete Kommunikation. Vor allem aber wird die höhere EFFIZENZ im Home Office betont.
  • Die meisten Erschwernisse liegen im sozialen Bereich, im Bereich der Zusammenarbeit & Kultur und auch im persönlichen Bereich. Technische, auf den Arbeitsplatz bezogene oder rechtliche Themen werden selten genannt.
  • Nicht unähnlich werden die meisten (zukünftigen) Herausforderungen überwiegend im „nicht-technischen“ Bereich benannt: 1. informeller Bereich, sozialer Austausch bis hin zu „Isolation“, Vereinsamung & erhöhter Stresslevel. 2. “Wir-Gefühl“, Big Picture. 3. Arbeiten in hybriden Teams: Zusammenarbeit, Koordination. 4. Onboarding.
  • Wesentlich für Teams ist auch: Der eigene Überblick über das Geschehen im Team nimmt ab. (Beim Vergleich der Durchschnittswerte bis zu -20%.).

Kontakte, Informelles und Soziales sind – weiterhin – das allergrößte Manko.

  • Sind die täglichen direkten persönlichen Kontakte mit der Führungskraft bereits von 58% auf 27% gesunken, haben die täglichen informellen, sozialen Kontakte noch deutlicher von 54% auf 11% abgenommen. Eine Verschiebung auf wöchentliche, z.T. sogar monatliche soziale Kontakte mit der Führungskraft sind ganz klar erkennbar. Mehr als 1/3 der Befragten hat nur mehr 1mal im Monat informellen, sozialen Kontakt zwischen Führungskraft und Mitarbeitern.
  • Aber auch bei MitarbeiterInnen innerhalb des Teams sind die täglichen virtuellen Kontakte/Gespräche (38%) deutlich seltener als die früheren persönlichen Kontakte (70%). Dazu kommt noch, dass die MitarbeiterInnen untereinander selten die Kamera beim virtuellen Kontakt einsetzen: Mehr als 2/3 verwenden sie nie oder fast nie (0% bzw. 10% der virtuellen Gespräche).
  • Die Frage ist, ob Führungskräfte ihre Funktion & Führungsaufgabe in Krisenzeiten entsprechend wahrnehmen, auch die Gefahr der Abgrenzung und Isolation erkennen bzw. die Integration und Re-Integration ihrer MitarbeiterInnen als Teil ihrer Aufgabe sehen? Und die Frage an MitarbeiterInnen ist: Was ist ihr Beitrag dazu?

Kaum Änderungen im Führungsstil.

  • Die Wahrnehmung, ob es Änderungen im persönlichen Führungsstil gibt, schwankt stark in Abhängigkeit von der Funktion der Befragten: Auf Seiten der HR Personen sehen 50% Änderungen. Bei Führungskräften sind es 70% und bei den MitarbeiterInnen sind es gar 90%, die KEINE Änderung des Führungsstils sehen.
  • Aufgrund der derzeitigen Herausforderungen in der Krise und der zukünftig zu erwartenden Änderungen in der wahrscheinlich stärker hybriden Arbeitswelt mit mehr Home Office ist ein (selbst)kritisches Durchleuchten der Führung und Führungsstile und ein Adaptieren an die veränderten Gegebenheiten für virtuelle und hybride Teams zu empfehlen.

 

Widersprüchlichkeit zwischen Produktivität und Zielerreichung.

  • Während in der Produktivität kaum bis wenig Abnahme im Team und noch weniger bei sich selbst wahrgenommen wurde, sieht es bei der Zielerreichung etwas anders aus. (Dabei wurden die Zeit vor Covid-19 und der Erhebungszeitpunkt bis Ende November 2020 verglichen.)
  • Die eingeschätzte Team-Produktivität veränderte sich im Durchschnitt um -0,33 von relativ hohen 4,06 zu 3,73 (bei maximal 5 Punkten). Die eingeschätzte Eigen-Produktivität um -0,18 von noch etwas höheren 4,23 zu 4,05.
  • Hingegen ist bei der eingeschätzten Zielerreichung ein deutliches Sinken zu erkennen: Vor Covid-19 erreichte die überwiegende Mehrzahl (86%) zumindest 80% der Ziele. Dann – zum Erhebungszeitpunkt – nur mehr ca. 70% der Personen. Zudem ist die %-Zahl der Personen, die maximal die Hälfte der Ziele erreicht, von 3% auf 15% gestiegen.
  • Darüber hinaus ist die eingeschätzte eigene und Team-Motivation im Sinken: Zum Zeitpunkt der Erhebung waren bereits beide Motivationswerte um ca. -10% geringer. Die Gesundheitsorganisation WHO und weitere Studien sprechen inzwischen von einer deutlichen Zunahme der „pandemic fatigue“ bis hin zur verstärkten Burnout-Gefahr.
  • Die zentrale Annahme ist, dass die subjektiv erlebte Produktivität („ich hab ja so viel zu tun“) und die Zielerreichung immer mehr auseinander driften. Dahinter liegt möglicherweise auch eine Schnittstellen-Problematik zwischen Führungskräften und MitarbeiterInnen, wenn es um Klarheit bei Ausrichtung, Zielen und Priorisierungen geht.
  • Daraus schlussfolgernd sind klare Priorisierung für und nach dem Krisenmodus empfehlenswert. Strategie- und Ziele-Workshops mit den Teams können das kritische Hinterfragen bestehender Ziele, Ausarbeiten von Szenarien, Festlegen von Entscheidungspunkten, das Adaptieren und Neuausrichten von Zielen umfassen.

Die Zukunft bleibt „remote“. Die Maßnahmen liegen vielfach im nicht-technischen Bereich.

  • Auch wenn Home Office und die Auswirkungen sehr divers bis polarisierend bewertet werden, wird auch aus Sicht der Befragten das Home Office zunehmen. 60% gehen von mehr Home Office aus als vor der Krise. Personen aus HR sehen diese Tendenz sogar noch stärker (86%), Bei den Führungskräfte sind es deutlich weniger, aber immer noch 52%.
  • Einige Stimmen weisen jedoch darauf hin, dass vor allem auch zukünftig Einbußen bei Teamwork, Innovation und Kreativität zu erkennen sein werden.
  • An konkreten, geplanten Maßnahmen werden hauptsächlich von HR und den Führungskräften genannt: Klare Regeln & Rahmenbedingungen seitens Politik & Unternehmen für Home Office – inklusive „Kernzeiten“. Stabiles Internet und z.T. bessere Ausstattung. Neue Aufgaben- & Arbeitsverteilung. Tools für Collaboration, Dashboards, universelle und vereinheitlichte Kommunikationslösungen.
  • Vor allem aber drehen sich die großen Themen wiederum um Kommunikation, Kontakt & Socializing. Remote & Hybride Leadership, Leadership Coachings. Team Maßnahmen für virtuelle und hybride Teams. Angebote für Online Schulungen.

Lösungen für die Zukunft.

Einige Ansatzpunkte für die Zukunft betreffen den Rückgang bei der Zielerreichung (-16%), weniger Überblick (-20%) und vor allem seitens der Befragten den verlorenen informellen Austausch. Maßnahmen und effektive Ansätze für Lösungen sehen wir auf zumindest 3 Ebenen:

  1. Die Anpassung der Strukturen für neue Arbeitsweisen, z.B. auch für zukünftige hybride Zusammenarbeit, wo teilweise von zuhause aus und teilweise im Unternehmen gearbeitet wird. Dies umfasst eine Vielzahl von unterschiedlichen Möglichkeiten, die sich auf Team- & Unternehmensstrukturen, vermehrt iterative Prozesse, Kooperations- und Kommunikationsabläufe inklusive der IT- und Tool-Unterstützung beziehen. Ein Beispiel dazu sind neue hybride Aufgaben- und Arbeitsverteilungen: Einige Aufgaben – wie konzentrierte Einzelarbeiten, Konzepte und Aufgaben „abarbeiten“, Kontakte und Gespräche im 2er-Setting, etc. – funktionieren im Home Office besser. Aufgaben, wo intensive Zusammenarbeit und Austausch zwischen mehreren Personen stattfinden, wo kreative und innovative Prozesse, der rasche informelle und soziale Austausch notwendig sind, sind im Unternehmen vor Ort besser aufgehoben. Office Tage hauptsächlich als „Meeting Days“ zu verstehen, wo neben geplanten Meetings genügend Raum & Platz für informellen & sozialen Austausch besteht, ist in einigen Unternehmen ein „heißes“ Thema. (Entnommen aus: Antworten auf offene Fragen dieser Befragung, Rückmeldungen aus Coachings und Round Tables mit Unternehmen.)
  2. Ausrichtung der Unternehmens-, Teamkultur und Führungsstile auf die neuen remote und „hybriden“ Arbeitsweisen. Wesentliche Dimensionen dabei sind der Umgang mit Verantwortung & Verantwortlichkeiten, Vertrauen & Kontrolle, Umgang und Kommunikation mit MitarbeiterInnen und deren Integration bzw. Re-Integration in die Teams & Unternehmen. Auch derzeit „schlummernde Konflikte“ und unausgesprochener Neid auf die jeweils andere Gruppe bzw. KollegInnen sind Teil der anstehenden Re-Integration.
  3. Damit zusammenhängend ist der Wieder-Aufbau eines Überblicks, der aufgrund der Lockdowns und des verstärkten Remote Work zumindest teilweise verloren gegangen ist (bis Ende November 2020 bereits um ca. – 20%). Derzeit sehen wir Indizien zu Selbst-Isolation & Isolation, „Silos in Silos“, die den Blick auf´s Ganze verstellen und bei mittleren Führungskräften & TeamleiterInnen das Gefühl des Kontrollverlustes wieder ansteigen lässt. Hoffnung, Orientierung, Vision, mittel- und langfristige Ziele in Team Workshops herzustellen, wäre eine passende Vorgangsweise.

Die Langversion der Auswertung können Sie hier kostenlos herunterladen.

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