Ein sechsseitiger Artikel darüber, wie man ein E-Mail schreibt? Ja! – Und da haben wir schon ordentlich gekürzt. Denn hier werden nicht nur Tipps gegeben, sondern auch die Hintergründe dazu erläutert. Es geht ums große Ganze und um die kleinen Details, von Anrede und Betreff bis zu Signatur und Sicherheit.
Man kann sich mit dem falschen Umgang mit dem Kommunikationskanal E-Mail ganz leicht die Karriere ruinieren: Wer an seinem Arbeitsplatz jeden Tag mehrere elendslange E-Mails unwichtigen Inhalts an den gesamten Kollegenkreis aussendet, dessen E-Mails werden bald nicht mehr gelesen werden. Die Kollegen wissen, wenn sie den Absender sehen: die reine Qual! Entweder sie verschieben das E-Mail gleich in den virtuellen Mülleimer oder sie markieren es als »gelesen« – natürlich ohne es jemals zu lesen. In weiterer Folge gilt man als jemand, der nichts zu sagen hat – und das ist ganz sicher schlecht für die Karriere.
Und umgekehrt: Wer es schafft, immer im richtigen Moment genau an jene, die es betrifft (und nur an die!) die wesentlichen Informationen zu übermitteln – und zwar in einer Form, die alle gerne lesen, weil sie kurz und übersichtlich, aber trotzdem höflich ist –, dessen E-Mails werden stets gelesen werden. Die Empfänger wissen, wenn sie den Absender sehen: »Das ist wichtig! Dafür brauche ich nicht lange. Da habe ich etwas davon!« Sie werden die E-Mails also anklicken und lesen. Und schon bald gilt man als jemand, der im Unternehmen etwas zu sagen hat, der Einfluss wächst.
Dass die eigenen Kommunikationsmethoden und -formen ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Karrierefaktor sind, ist schon seit Längerem bekannt. Die berufliche Kommunikation hat sich in den letzten Jahren immer mehr in Richtung E-Mail verlagert. Was früher in Gesprächen oder Telefonaten besprochen wurde, wird heute zu einem immer größeren Teil schriftlich abgewickelt. Ob das gut ist, ist hier nicht die Frage. Es ist einfach so.
Diese Veränderung lässt die Bedeutung des Schriftlichen wachsen und bringt auch eine Verschiebung innerhalb der für eine Karriere wichtigen sozialen Kompetenzen mit sich. Wer sehr gut (und gerne) schreibt, aber sich vielleicht im direkten Gespräch (egal ob persönlich oder übers Telefon) nicht so wohl fühlt, hat heute sicher bessere Karrierechancen als vor 10 oder gar 20 Jahren.
Konkrete Tipps
Der Verfasser eines E-Mails muss alles daran setzen, die Nachteile und Schwierigkeiten, die das Bildschirm-Lesen mit sich bringt, abzuschwächen oder in den Hintergrund treten zu lassen. Das gelingt am besten, indem man:
Das E-Mail kurz hält,
kurze, einfache Sätze schreibt,
dabei kurze Wörter verwendet,
mit Sinnsprüngen arbeitet und daher
kurze Zeilen und kurze Absätze schreibt,
diese Absätze durch Leerzeilen trennt
und dabei die Regeln der Groß- und Kleinschreibung befolgt.
Zur Erklärung der einzelnen Punkte: Kurze E-Mails werden lieber gelesen als lange. Kein Mensch quält sich gerne durch Textwüsten am Bildschirm. Auch die einzelne Zeile darf nicht zu lange sein. Beim Bildschirmlesen gehen Typografen von einer maximalen Zeilenlänge von 50 Zeichen aus. Man hat aber als Verfasser keinen Einfluss darauf, wie groß das Fenster ist, in dem sich der Empfänger den Text anzeigen lässt. Unter Umständen ist dann eine Zeile 120 und mehr Zeichen lang – und richtig unangenehm zu lesen. Um das zu verhindern, baut man nach jedem Teilgedanken »Sinnsprünge« ein, also Zeilenumbrüche – im Optimalfall alle 40 bis 50 Zeichen. Probieren Sie das einmal aus! Der Text ist dann am Bildschirm viel angenehmer zu lesen. Nach einem ganzen Gedanken macht man einen Absatz, den man vom nächsten durch eine Leerzeile trennt. So gibt man dem E-Mail eine Struktur, in der sich der Leser schnell zurechtfindet.
Kurze Wörter setzt man ein, weil die kurzen Wörter die stärkeren sind. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte wurden die wichtigen, oft gebrauchten Wörter fast jeder Sprache immer kürzer. Können Sie ein Grundnahrungsmittel nennen, das mehr als drei Silben hat? Brot, Wasser, Milch, Butter, Bier, … Wer in kurzen Wörtern schreibt, verwendet dadurch starke und konkrete Begriffe und das macht die Kommunikation insgesamt kraftvoller.
Auf die gemischte Groß- und Kleinschreibung darf man nicht verzichten, weil geübte Leser nicht einzelne Buchstaben lesen, sondern gesamte Wortbilder erkennen. Und das gespeicherte Wortbild für z. B. »Wort« sieht eben ganz genau so aus. Wenn man nun »wort« schreibt, verlangsamt dies das Lesen – und das ist natürlich nicht erwünscht. Außerdem ist es ein Gebot der Höflichkeit. Denn warum sollte man auf die Großschreibung verzichten? Wohl nur, weil man sich das Drücken der Hochstelltaste erspart und somit etwas schneller beim Schreiben ist. Aber welches Signal sendet das an den Empfänger? »Du bist mir nicht wichtig genug bzw. den Mini-Aufwand nicht wert, hin und wieder auf die Shift-Taste zu drücken. Stattdessen musst du dich halt beim Lesen mehr anstrengen. Mir wurscht!« Auf die Idee, einen E-Mail-Text ausschließlich in Großbuchstaben zu setzen, kommt hoffentlich ohnedies niemand.
Wenn wir schon bei typografischen Themen sind: Das E-Mail nimmt innerhalb der schriftlichen Kommunikation eine Sonderstellung ein: Der Verfasser hat (außer bei HTML-Mails) keinen Einfluss auf die Schriftfamilie, in der der Text erscheint, diese wird nämlich von den Einstellungen im System des Empfängers bestimmt. Wer weiß, wie bedeutend die Schriftfamilie für die Interpretation des Gelesenen ist (siehe dazu auch den Artikel »Die unterschätzte Kraft der Schrift« in unserer Ausgabe 7/2013), den stört das sehr. Man darf zwar davon ausgehen, dass auf den Systemen der Empfänger eine bildschirmtaugliche Schrift für das Anzeigen von E-Mails voreingestellt ist, aber sicher kann man sich nicht sein. Und allein der Unterschied zwischen der auf älteren Windows-Systemen dafür vorgesehenen Arial und ihrer Nachfolgerin Calibri ist gewaltig. Die Konsequenz daraus ist einerseits, mehr Arbeit in den Text und seine Struktur zu stecken (also die oben genannten Punkte umzusetzen) und andererseits, wirklich Wichtiges nicht als E-Mail-Text zu verschicken, sondern z. B. als PDF-Anhang oder in gedruckter Form.
Wenn man das mit den Sinnsprüngen beherzigt, kann es schnell passieren, dass das E-Mail eine lange Wurst wird. Wenn es mehr als 25 Zeilen werden, sollte man sich überlegen, ob -E-Mail-Text die richtige Kommunikationsform ist (wenn z. B. die Länge aus einer hohen Komplexität des Themas entsteht, ist E-Mail der falsche Kanal) und wenn ja, ob es nicht besser wäre, mehrere E-Mails zu schreiben. Selten kommt es vor, dass man mit 25 kurzen Zeilen nicht das Auslangen findet. Meistens sind es dann mehrere Themen, die für die Länge verantwortlich sind – und dann schreibt man halt mehrere E-Mails. Und sollte es tatsächlich nur ein Thema sein, das das E-Mail so lange werden lässt, dann muss man sich die Arbeit antun, es zu kürzen. Bekanntlich ist es viel weniger Aufwand, Information in langen Texten weiterzugeben als in kurzen.
Betreff
Schon im Betreff sollte man möglichst genau mitteilen, worum es geht – denn: Es sind genau zwei Faktoren, die darüber entscheiden, ob das E-Mail geöffnet und gelesen wird oder nicht: Absender und Betreff. An seinem Ruf als Absender muss man langfristig arbeiten, am Betreff hingegen bei jedem einzelnen E-Mail. Ein Blick ins eigene E-Mail-Programm lässt einen schnell erkennen, dass die Betreffzeile öfter als man glauben würde nichtssagend ist oder aus einer langen Kette von »Re:« und »Aw:« besteht, hinter denen dann ein Thema steht, das überhaupt nicht mehr aktuell ist. Das erschwert nicht nur die Entscheidung, ob man das E-Mail öffnen will, sondern macht auch später die Suche nach Themen schwieriger. Schade um die vergebene Chance, vor allem, weil der Aufwand, es richtig zu machen, gering gewesen wäre. Apropos antworten: Es ergibt keinen Sinn, den gesamten Verlauf einer Korrespondenz hin- und herzuschicken, wenn große Teile davon nicht mehr relevant sind, auch darauf sollte man achten.
Anrede
Hin und wieder stellt sich in Österreich bei der Anrede die Frage, ob man den Titel des Empfängers (meist sind es gar keine Titel, sondern akademische Grade) anführen soll. Dazu gibt es zumindest für das Beantworten von E-Mails eine einfache Regel: Man nutzt für die Anrede den Titel, den der Empfänger in seinem E-Mail in der Grußformel angeführt hat. Wohl gemerkt: nicht in der Signatur, sondern unmittelbar darüber. Grundsätzlich sollten E-Mails immer mit einer Anrede beginnen. Wirklich immer? So gut wie, denn wenn zwei Personen einander innerhalb von 5 Minuten 10 E-Mails hin- und herschicken, können sie zwar währenddessen irgendwann damit beginnen, die Anrede wegzulassen, weil diese zunehmend komisch wirkt. Allerdings sollten sie dieses »Komisch-Wirken« als Hinweis erkennen, dass sie gerade in der falschen Kommunikationsform stecken und besser zum Telefon greifen.
E-Mail oder Telefon?
Wir haben für diesen Artikel Experten befragt, wann es generell besser ist, zum Hörer zu greifen bzw. für welche Themen sich ein Telefonat besser als eine E-Mail-Korrespondenz eignet.
Gerald Wahl, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur brandzwo, erklärt das so: »Es gibt per se keine Themen, die sich besser für das eine oder andere eignen. Ausschlaggebend sind vielmehr die Situation und die persönlichen Neigungen, die die Wahl des Mediums bestimmen. Rasche Entscheidungen verlangen oft das Telefonat, da E-Mails nicht unbedingt sofort gelesen und beantwortet werden. Eine weitere wichtige Frage ist, ob bei der Botschaft Emotionen im Spiel sind. In einem persönlichen Gespräch werden diese viel unvermittelter mitgesendet. Das kann gewünscht sein, um die Botschaft zu verstärken und auch mit der Stimme die eigene Haltung zu einem Thema zu zeigen. Eine positive Nachricht möchte man beispielsweise mit Freude gerne selber überbringen. Oft ist es aber auch hilfreich, den Unmut unvermittelt kundzutun, damit das Gegenüber weiß, woran es ist. Umgekehrt kann es aber auch sinnvoll sein, sich einen Text in Ruhe zu überlegen und gegebenenfalls auch noch Korrektur lesen zu lassen. Bei starken Emotionen ist es hilfreich, sachlich zu bleiben, um die Gesprächsbasis durch impulsive Aussagen nicht zu verlieren. Ich empfehle das direkte Gespräch auch, wenn es um Beziehung geht. Und hin und wieder gibt es Situationen, die man nicht schriftlich dokumentiert haben möchte: Weil es sensible Informationen sind, die zwar im aktuellen Kontext passen – was aber, wenn sich nachträglich die Rahmenbedingungen ändern? Oder ganz pragmatisch: Wenn man im Auto sitzt und gerade Zeit hat – und es natürlich die Verkehrssituation zulässt.«
Helga Steiner, Inhaberin von Steiner Consulting, sieht das ähnlich: »Ein Telefon ist ein Medium, um zu fokussieren und gerade im persönlichen Gespräch Sachen auf den Punkt zu bringen. Für Dinge, die schnell und unkompliziert erledigt werden sollten, eignet sich das bewährte Telefongespräch noch immer am besten. Bei organisatorischen Tätigkeiten, Bestellungen, bei gemeinsamen Arbeiten im Team u.v.m. gibt die Schriftlichkeit Sicherheit und gilt als Bestätigung für beide Seiten. Erfahrungsgemäß ist es aber so, dass auch hier die Fokussierung auf den Inhalt – auf die Aufgabe – erfolgen sollte und es nicht gilt, die E-Mails nur als ›bearbeitet‹ aus dem Posteingangsordner zu bekommen. Oft wird durch eine unvollständige Beantwortung von E-Mails die Umsetzung der Aufgabe zeitlich nach hinten verschoben. Bei persönlichen, heiklen Situationen und wenn es keine Möglichkeit gibt, es direkt mit dem Gegenüber abzuklären, ist es ratsam, zum Hörer zu greifen. Der direkte Weg mit der persönlichen Ansprache ist in diesem Fall der erfolgreichere. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Telefonate nicht aufgezeichnet werden und bei E-Mails noch Jahre danach die Inhalte nachvollzogen werden können.«
Michaela Kellner, Geschäftsführerin ANKH.at, erläutert, wann das Telefonat das bessere Medium ist: »Immer dann, wenn Emotionen ins Spiel kommen. Sie sind sich z. B. unsicher, wie Sie den Inhalt oder vor allem den ›Tonfall‹ des E-Mails verstehen sollen. Oder Sie ärgern sich beim Durchlesen über die lapidare Anfrage oder auch Antwort. Sie gehen fast in die Luft über den Befehlston, den Sie Ihrer Meinung nach rauslesen können. Oder Sie finden die Art und Weise, wie das E-Mail geschrieben wurde, einfach unhöflich und wenig wertschätzend und merken, dass Sie sich etwas beleidigt zurückziehen wollen. Bei Konflikten ist es immer besser, den unmittelbaren Dialog zu suchen. In unseren Konfliktcoachings spielen eskalierte E-Mails immer wieder eine wichtige Rolle. Auch das Ping-Pong-Spiel bei Terminvereinbarungen via E-Mail können Sie durch ein Telefongespräch verkürzen. Gerade auch für die Akquisition von Kunden ist es viel erfolgreicher, zum Telefon zu greifen und den Erstkontakt im Dialog zu gestalten. Die Stimme und der direkte Dialog und die Zeit, die wir einander widmen, sind starke Eindrücke, die bleibend sind und (hoffentlich) sympathisch wirken.«
Monika Huemayer, Senior Consultant bei -Berlitz Austria, antwortet auf die Frage, ob man ein E-Mail schreiben oder zum Hörer greifen soll: »Wenn Sie sich diese Frage stellen, dann greifen Sie bitte gleich zum Hörer. Wenn Sie selbst schon das Gefühl haben, dass noch 2 E-Mails nötig sein werden, damit der gewünschte Inhalt beim Empfänger ankommt, dann zögern Sie nicht, sondern rufen Sie an. Sensible Themen oder gar Konflikte sollten immer persönlich besprochen werden und wenn das nicht geht, ist das Telefon die beste Alternative.«
Der richtige Zeitpunkt fürs E-Mail
Zurück zum E-Mail-Schreiben. Die Zeitspanne, innerhalb derer eine Antwort vom Kommunikationspartner erwartet wird, ist während der letzten 10 Jahre immer kürzer geworden. Es gibt zwar unterschiedliche Erwartungshaltungen, aber für die meisten Fälle gilt mittlerweile: Ein E-Mail, das man am Vormittag empfängt, sollte man bis zum Nachmittag desselben Tages beantworten. Erhält man ein E-Mail am Nachmittag oder Abend, hat man für die Antwort bis zum nächsten Vormittag Zeit. Es gibt aber auch viele Menschen, die sich gegen diesen Kurzintervall-Schriftverkehr aussprechen, sich diesem Diktat der Kommunikationsgeschwindigkeit bewusst widersetzen und darauf bestehen, dass eine längere Beantwortungszeit nicht mit Unhöflichkeit gleichzusetzen ist. In jedem Fall hängt die Beantwortungszeit vom persönlichen Stil der beiden Kommunikationspartner und auch (vor allem bei firmeninternen E-Mails) von der E-Mail-Kultur des Unternehmens ab.
Zum richtigen Zeitpunkt des E-Mail–Abschickens: In manchen Branchen mag es keinen Unterschied machen, zu welcher Tageszeit ein E-Mail abgeschickt wird, in den meisten wird es aber als unprofessionell oder zumindest merkwürdig wahrgenommen, wenn das z. B um 2.00 Uhr Früh passiert. Sollte man ein E-Mail erst zu solch später (oder bereits früher) Stunde fertigstellen, empfiehlt es sich, den Entwurf nur abzuspeichern und dann am nächsten Morgen zu senden.
Die meisten Menschen erhalten zu viele berufliche E-Mails. Diese nur zu schreiben, wenn es wirklich notwendig ist und sich auch bei der Empfängerliste in größtmöglicher Zurückhaltung zu üben, tut jedem Unternehmen und allen Mitarbeitern gut. Rundmails an die gesamte Kollegenschaft müssen ohnedies eine seltene Ausnahme bleiben. E-Mail-Kopien dürfen auch nicht als Nachweis fürs Erledigen bestimmter Aufgaben oder als Beweis für extra-lange Arbeitszeiten missbraucht werden, das ist ein Fehler, den vor allem junge, unerfahrene Mitarbeiter gerne machen.
Signatur
Die eigenen Kontaktdaten am Ende des E-Mails anzuführen, kann nicht schaden. Es nicht zu tun, kann hingegen für den Empfänger ein Ärgernis sein, z. B. wenn er den Absender anrufen möchte und sich dann die Telefonnummer organisieren muss. Aus diesen beiden Umständen lässt sich ableiten: Ein E-Mail sollte eine Signatur haben. Wer dabei mit einfachem Text auskommt, hat die Gewissheit, dass diese auf allen Systemen richtig angezeigt wird. Wer auf Bilddaten wie z. B. Logos setzt, sollte auf das richtige Dateiformat achten und damit rechnen, dass die Signatur bei manchen Empfängern anders als gewünscht (z. B. ohne Bilddaten) angezeigt wird.
Aufwand
Wie viel Aufwand man für das Verfassen eines einzelnen E-Mails betreibt, ergibt sich aus dessen Bedeutung mehr oder weniger von selbst. Man sollte nur darauf achten, dass ein etwaiges Geringhalten des Aufwands für den Empfänger nicht offensichtlich wird, etwa bei Groß- und Kleinschreibung, Rechtschreibung und Grammatik sowie Struktur der Gedanken. In der schriftlichen Einwegkommunikation ist immer besonders viel Anstrengung notwendig, damit die Information, die der Sender im Kopf hat, über den Umweg des Schreibens und Lesens möglichst ohne Verluste und Verfälschungen ihren Weg in den Kopf des Empfängers findet. Es ist ganz klar, wer den großen Hauptteil dieser Anstrengung auf sich nehmen muss: immer der Sender. Denn der Empfänger hat gar nicht die Möglichkeit dazu, er kann nur mit dem arbeiten, was ihm vorgesetzt wird – und das muss eben passen. Dazu gehört auch, dass das E-Mail zielgruppenspezifisch geschrieben ist, also auf den Empfänger abgestimmt. Wir haben bei den Experten nachgefragt, ob es tatsächlich den Aufwand lohnt, für unterschiedliche Empfänger (Kommunikations-Typen) die E-Mails unterschiedlich zu texten. Monika Huemayer: »Es lohnt sich in jedem Fall, sich Gedanken über die E-Mail-Empfänger zu machen. Abhängig davon, was Sie mit dem E-Mail erreichen wollen, wird auch der Aufwand eines empfängerorientierten Textes belohnt. Ich kann von einem frustrierten österreichischen Projektleiter berichten, der nie rechtzeitig die aufbereiteten Excel-Tabellen aus Indien für seinen Report erhalten hat. In einem interkulturellen Training hat er gelernt, dass sein bevorzugter Kommunikationsstil sehr sachbezogen ist, der indische Kollege umgekehrt sehr beziehungsorientiert ist. Als die nächste Excel-Tabelle fällig war, hat der österreichische Projektleiter am Ende des E-Mails hinzugefügt: ›Wir feiern ja bald Weihnachten, ich wünsche Dir jetzt schon schöne Feiertage. Wie sagt man das in Deiner Sprache?‹ Eine Viertelstunde später hat der Projektleiter seine ersten Worte in Hindi gelernt – und die Excel-Tabelle erhalten!«
Gerald Wahl ist von der zielgruppenspezifischen Ansprache überzeugt: »Das ist ein Mehraufwand, der sich garantiert lohnt! Wir Menschen sind unterschiedlich gestrickt. Dass eine Botschaft auf Anhieb immer so ankommt, wie sie vom Absender gemeint war – das geht sich einfach nicht aus. Im Process Communication Model® (PCM) unterscheiden wir beispielsweise verschiedene Persönlichkeitstypen. Oberster Grundsatz ist: ›Wenn du willst, dass andere dich verstehen, dann sprich ihre Sprache.‹ Was meine ich damit? Wir Menschen nehmen die Welt auf unterschiedliche Weise wahr. Der eine eher über Zahlen, Daten und Fakten, der andere über Gefühle – und wieder andere über Aktion oder Reaktion. Idealerweise kann ich jeden Typen – ähnlich einem Funkgerät – mit dem richtig eingestellten Kanal ›rauschfrei‹ erreichen. Dazu stehen uns die Kanäle informativ, fürsorglich, direktiv oder spielerisch zur Verfügung. Ist der Kanal einmal richtig eingestellt, entsteht auch im Geschriebenen eine gute Stimmung – die beste Voraussetzung für Zustimmung. Beim Empfänger entsteht Resonanz: Ich werde verstanden. Wir sprechen die gleiche Sprache.«
Helga Steiner sagt über den Aufwand, je nach Ansprechpartner unterschiedlich zu texten: »Ein E-Mail ist als ein weiteres Kommunikationsmedium zu sehen und auch genauso zu betrachten. Es ist der direkte Draht zu Kunden, Geschäftspartnern, Lieferanten, Verkäufern – eben mit der gesamten Umwelt einer Person. Die erste Unterscheidung ist sicherlich: privat oder geschäftliche E-Mails? Hier wird es schon grobe, erkennbare Unterschiede in der Formulierung geben. Gerade im geschäftlichen Bereich ist es wichtig, in der Sprache des anderen zu schreiben und die Inhalte an die verschiedenen Empfängergruppen anzupassen. Als Schlagwort ist ›Individualität‹ zu nennen. Je spezifischer, je genauer ich meine Zielgruppe anspreche, desto eher erreiche ich mein kommunikatives Ziel.«
Michaela Kellner: »Wir haben in unserem Gehirn mit den Spiegelneuronen die Hardware, damit wir uns unseren Gesprächspartnern anpassen können, um sympathischer zu wirken. Interessant ist dabei, dass wir sogar Inhalte besser verstehen und auch positiver aufnehmen, wenn wir in einem Gespräch gespiegelte Verhaltensweisen haben. Dies können wir uns auch beim E-Mail-Schreiben zu Nutze machen:
Spiegeln Sie die Anrede bei Ihrer Antwort.
Spiegeln Sie den Tonfall in Ihren E-Mails – vorausgesetzt, es ist ein positiver! Sonst greifen Sie lieber zum Telefon und klären etwaige Missverständnisse im Dialog.
Spiegeln Sie die Wortwahl und achten Sie darauf, welche Abkürzungen (wie ROFL, LOL, FYI, ASAP) der andere verwendet oder auch nicht.«
Sicherheit
Wer wirklich sicher – im Sinne von Privatsphäre und Datenschutz – kommunizieren will, sollte sich dazu keiner E-Mails bedienen. Wer auf E-Mails nicht verzichten kann oder will, sollte diese aber zumindest verschlüsseln. Denn unverschlüsselte E-Mails sind nicht wie Postkarten, die jeder lesen könnte (dieser Vergleich wird gerne herangezogen), sondern vielmehr völlig ungeschützte Texte, die mehr oder weniger für immer gespeichert bleiben und für viele abrufbar sind. Der vorherrschende Mangel an technischem Verständnis und vor allem an der Bereitschaft, sich zumindest grundlegend zu informieren, ist schlicht verblüffend. Da erhält man dann »vertrauliche« E-Mails mit der Bitte, diese sofort nach Kenntnisnahme zu löschen! (Das ist aber leider ernst gemeint.) Komplett unverständlich ist allerdings, dass sogar Berufsgruppen wie Anwälte oder Steuerberater mit ihren Klienten unverschlüsselten E-Mail-Austausch in sensiblen Angelegenheiten betreiben und dabei auch noch ebenso ungeschützte Anhänge versenden. Unverständlich auch deshalb, weil es schon seit Längerem nicht mehr kompliziert ist, die E-Mails zu verschlüsseln. Wer weiß, wie das funktioniert, hat das in 5 Minuten für alle zukünftigen E-Mails eingestellt. Jemand, der keine Ahnung hat, müsste einen einmaligen Aufwand von ca. 30 Minuten in Kauf nehmen. Mehr braucht es nicht. Was fehlt, ist das Bewusstsein. Noch.