Rechte und Pflichten im Krankenstand

Wie sich ein Arbeitnehmer im Krankenstand zu verhalten hat, ist klar geregelt. Welche Möglichkeiten ein Arbeitgeber bei Missbrauchsverdacht hat, lesen Sie hier.

Angesichts der gerade herrschenden Grippewelle und der dadurch bedingten Zunahme der Krankenstände von Arbeitnehmern drängt sich unter anderem die Frage auf, welche Tätigkeiten Arbeitnehmer während eines Krankenstandes durchführen dürfen bzw. ob oder wie der Arbeitgeber überprüfen kann, ob im konkreten Fall tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Der Krankenstand ist ein persönlicher Dienstverhinderungsgrund und ein Überbegriff für die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers infolge Krankheit oder (Arbeits-)Unfall. Ob ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist, hängt von der jeweiligen beruflichen Tätigkeit des erkrankten Arbeitnehmers ab. Wenn ein Arbeitnehmer seine bisherige berufliche Tätigkeit aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht oder nur unter der Gefahr ausüben kann, dadurch eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes herbeizuführen, ist Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers gegeben. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Erkrankung automatisch als Dienstverhinderungsgrund zu qualifizieren ist, denn dies hängt wiederum von der konkret ausgeübten Tätigkeit des erkrankten Arbeitnehmers ab. Außerdem ist der Arbeitnehmer nur dann arbeitsunfähig, wenn der Arbeitnehmer keine der vom Arbeitsvertrag umfassten Tätigkeiten ausführen kann. Beispielsweise hindert ein verstauchter Knöchel eine Verkäuferin, die für das Einräumen der Regale bzw die Bedienung der Kunden zuständig ist, an der Verrichtung ihrer Dienste. Eine Mitarbeiterin der Buchhaltung hingegen, die ihre Tätigkeit hauptsächlich im Sitzen verrichtet, ist nicht als arbeitsunfähig zu qualifizieren.

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber für einen gewissen Zeitraum zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit, Unglücksfall oder Arbeitsunfall an seiner Dienstleistung verhindert ist und diesen Zustand nicht durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten selbst herbeigeführt hat. Die Dauer und das Ausmaß der Entgeltfortzahlungspflicht ist für Angestellte in § 8 Angestelltengesetz (AngG) und für nahezu alle Arbeiter im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt.

Pflichten des Arbeitnehmers bei Arbeitsunfähigkeit

Die Entgeltfortzahlungspflicht korreliert mit der Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers, seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich bekannt zu geben. Der Arbeitnehmer muss diese Mitteilung je nach Möglichkeit und Zumutbarkeit so rasch wie möglich (im Juristendeutsch: ohne schuldhafte Verzögerung) machen, um dem Arbeitgeber zu ermöglichen, den reibungslosen Betrieb trotz Entfall der Arbeitskraft zu gewährleisten. Hinsichtlich der Form der Krankmeldung gibt es keine Einschränkungen, erlaubt ist die telefonische, schriftliche oder mündliche Bekanntgabe genauso wie die Mitteilung per E-Mail, SMS oder durch Dritte. Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber die genaue Diagnose bekannt zu geben, die Kundmachung, man sei erkrankt (ohne Details), ist ausreichend.

Prinzipiell ist es einem Arbeitnehmer erlaubt, ohne ärztliche Krankschreibung Krankenstand in Anspruch zu nehmen. Auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer jedoch einen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit mit dem Beginn, der Ursache (also ob es sich um eine Krankheit, einen Unglücksfalls oder einen Arbeitsunfall handelt) und der (voraussichtlichen) Dauer des Krankenstandes erbringen. Auch wenn dies in aller Regel im Arbeitsvertrag generell normiert wird, muss der Arbeitgeber den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit in jedem Einzelfall ausdrücklich vom betroffenen Arbeitnehmer verlangen.

Weist der Arbeitnehmer die Bestätigung trotz Aufforderung nicht vor, verliert er für die Dauer der Säumnis den Entgeltfortzahlungsanspruch. Ein Entlassungsgrund ist die fehlende ärztliche Bestätigung hingegen nicht.

Vertrauen auf die
ärztliche Krankschreibung

Da die Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich von der vom betroffenen Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit abhängt, der zuständige Arzt jedoch meist nicht genau über die berufliche Tätigkeit seines Patienten Bescheid weiß, ist hier eine gewisse Missbrauchsanfälligkeit anzunehmen. Prinzipiell hat eine vom Arzt ausgestellte Krankenstandbestätigung allerdings die Vermutung der Richtigkeit für sich. Wenn beim Arbeitgeber jedoch aufgrund verschiedener Umstände der Verdacht aufkommt, dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit gar nicht vorliegt, kann er grundsätzlich einen diesbezüglichen Gegenbeweis antreten und darlegen, dass der Arbeitnehmer seine vertragsmäßig geschuldete Arbeit verrichten hätte können und der betroffene Arbeitnehmer dies wusste bzw. offenbar hätte wissen müssen. Welche Möglichkeiten dem Arbeitgeber dafür zur Verfügung stehen, wird weiter unten im Zusammenhang mit dem Krankenstandmissbrauch erläutert.

Krankenstandmissbrauch

Erkrankte Arbeitnehmer trifft grundsätzlich die Pflicht, während des Krankenstandes alles zu unterlassen, das der Genesung und Wiederherstellung des Gesundheitszustandes abträglich ist. Das Verhalten des erkrankten Arbeitnehmers darf nicht geeignet sein, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder die Heilung zu verzögern. Was darunter zu verstehen ist, ist abhängig von der jeweiligen Krankheit bzw. den Auswirkungen eines Unfalls des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat sich auch an die Anordnungen des Arztes zu halten und darf nicht gegen sonstige Verhaltensregeln im Krankenstand verstoßen, die sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergeben. So wird ein an Grippe erkrankter Arbeitnehmer primär zur Einhaltung der Bettruhe angehalten sein, für einen an Burn-out leidenden Arbeitnehmer hingegen könnte Gartenarbeit oder auch Skifahren eine den Heilungsprozess fördernde Tätigkeit sein. Auch die Nichteinnahme verschriebener Medikamente oder Nichtinanspruchnahme von Therapien kann genesungsfeindlich sein. Da der Arbeitgeber nicht über die genaue Ursache und das Krankheitsbild des Arbeitnehmers informiert wird, ist es schwierig, ein Fehlverhalten des betroffenen Arbeitnehmers nachzuweisen.

Was kann der Arbeitgeber nun tatsächlich bei Vorliegen des Verdachts eines Krankenstandmissbrauchs durch einen Arbeitnehmer tun?

Der Arbeitgeber ist bei Verdachtsmomenten berechtigt, einen Privatdetektiv zur Überwachung der Tätigkeit des Arbeitnehmers während des Krankenstandes zu engagieren, dessen Kosten im Falle eines begründeten Verdachts auf den Arbeitnehmer überwälzt werden können. Daraus allein ergibt sich jedoch noch nicht, ob die vom Arbeitnehmer konkret ausgeübten Tätigkeiten als pflichtwidrige, weil der Genesung abträgliche Handlung einzustufen ist. Der Arbeitgeber ist ja – wie oben bereits beschrieben – nicht berechtigt, weitere Informationen über den Krankenstand oder die Diagnose vom Arbeitnehmer zu verlangen und kann daher nicht einschätzen, ob die vom Arbeitnehmer ausgeführten Tätigkeiten geeignet sind, seine Heilung zu verzögern oder sonst negativ zu beeinflussen. Der Arbeitgeber hat aber die Möglichkeit, bei der zuständigen Sozialversicherung eine Sonderkontrolle anzuregen, wenn berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vorliegen oder ein Fehlverhalten im Krankenstand vermutet wird, denn die Krankenkasse ist prinzipiell ebenso wie der Arbeitgeber an der Vermeidung von Krankenstandmissbrauch interessiert. Ein Anspruch des Arbeitgebers auf Sonderkontrolle durch die zuständige Krankenversicherung besteht jedoch nicht.

Entlassung im Krankenstand

Handelt der Arbeitnehmer während des Krankenstandes grob genesungsfeindlich, kann der Arbeitgeber die Entlassung des betroffenen Arbeitnehmers aus dem Grund der dienstlichen Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 dritter Fall AngG) bzw. bei Arbeitern der beharrlichen Pflichtverletzung (§ 82 li f zweiter Fall GewO) aussprechen. Ficht der Arbeitnehmer die Entlassung an, muss der Arbeitgeber aber in der Folge beweisen, dass das jeweilige Verhalten des Arbeitnehmers im Krankenstand geeignet war, den Genesungsprozess des Arbeitnehmers zu schmälern und sind dafür stichhaltige Beweise – wie etwa diesbezügliche Unterlagen von einem engagierten Privatdetektiv – unumgänglich. Der Arbeitnehmer ist dann gezwungen darzulegen, warum sein Verhalten die Heilung entgegen des Vorbringens des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt hat. Gibt der Arbeitnehmer im Zuge dessen Details über seinen Gesundheitszustand preis, kann der Arzt des betroffenen Arbeitnehmers im Entlassungsverfahren als Zeuge geführt werden und sich nicht mehr auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen. Da das »Überraschungspotenzial« in solchen Prozessen doch relativ hoch ist, sollten Entlassungen wegen Fehlverhalten im Krankenstand nur in krassen Fällen ausgesprochen werden.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

Koerber-Risak

Gastautorin Katharina
Körber-Risak

ist Arbeitsrechtlerin und Partnerin der
Kunz Schima
Rechtsanwälte OG.

office@ksw.at,

www.ksw.at