Recruiting mit KI?

Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der KI im Recruiting, von der Formulierung von Stellenanzeigen bis zur Mitarbeiterbindung. Dabei werden auch die ethischen und rechtlichen Herausforderungen diskutiert.

In der heutigen Ära der »vierten industriellen Revolution«, in der die digitale Welt und das sich entwickelnde Geschäftsumfeld eine entscheidende Rolle spielen, ist die Rekrutierung von qualifiziertem Personal für den Erfolg von Unternehmen von größter Bedeutung. In diesem Zusammenhang bietet die Künstliche Intelligenz (KI) bereits heute innovative Lösungen für die Rekrutierung und Personalentwicklung. In diesem Artikel beschreiben wir die Rolle der KI im Recruiting ausführlich.

Chancen von KI

Der Begriff »Künstliche Intelligenz« wurde 1955 erstmals eingeführt und beinhaltet mittlerweile viele Disziplinen. »Künstliche Intelligenz« ist ein Überbegriff für verschiedenste Formen maschineller Lern- und Denkfähigkeit, bezeichnet aber auch den jeweils aktuellen Entwicklungsstand ebendieser. Manche KI-Forscher bzw. Entwickler gingen im Mai 2023 davon aus, dass GPT-4 so intelligent ist wie ein dreijähriges Kind. Das ist beachtlich. Mittlerweile ist von der Intelligenz eines 8-jährigen Kindes die Rede. Manche Tests ergeben für GPT-4 aber bereits einen IQ von 150. Als Mensch wäre man damit ein Genie.
Die KI hat also bereits heute das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter finden und entwickeln, grundlegend zu verändern. Sie kann nicht nur dabei helfen, die besten Kandidaten für eine bestimmte Position zu identifizieren, sondern auch dabei, die Mitarbeiterentwicklung zu fördern und zu verwalten.

Anwendungsmöglichkeiten der KI

Während KI viele Facetten des Rekrutierungsprozesses effizient automatisieren und verfeinern kann, stoßen wir dennoch auf technische, ethische, rechtliche und auch praktische Hürden, die eine komplette Übernahme durch KI aktuell noch verunmöglichen. Was sind nun einige der aktuellen und Anwendungsmöglichkeiten für KI im Bereich der Personalbeschaffung?

  • Erstellung von Stellenanzeigen: Aus umfassenden Anforderungsprofilen können KI-Programme wie ChatGPT effizient Stellenanzeigen generieren. Dies beschleunigt nicht nur den Prozess, sondern kann auch die Qualität der Anzeige steigern, da die KI Zugriff auf eine Vielzahl von Stellenausschreibungs-Vorlagen hat. Ein wesentlicher Vorteil von ChatGPT gegenüber dem menschlichen Verfassen ist seine Fähigkeit, weitestgehend vorurteilsfrei zu agieren, wodurch inklusive und nicht-diskriminierende Anzeigen entstehen. Dennoch sind menschliche Intuition und spezifisches Wissen über Branche und Unternehmen unersetzliche Komponenten, die oft den Unterschied in der Qualität einer Stellenanzeige ausmachen.
  • Candidate Sourcing: ChatGPT bietet Unternehmen wertvolle Unterstützung im Sourcing-Prozess, indem es öffentliche Daten potenzieller Kandidaten durchforstet und passende Profile herausfiltert. Dies ermöglicht es Unternehmen, Talente effizienter aufzuspüren und somit ihre Bewerberpipeline zu optimieren.
  • Bewerberauswahl: ChatGPT ist in der Lage, Bewerbungsunterlagen und Lebensläufe zu durchleuchten und anhand festgelegter Kriterien zu sortieren. Hierbei werden Bewerber basierend auf Qualifikationen, Erfahrung und weiteren relevanten Aspekten bewertet. Dies ermöglicht Personalverantwortlichen, geeignete Kandidaten zügiger zu erkennen und den Auswahlprozess zu straffen. Zusätzlich können Chatbots entwickelt werden, die direkten Zugriff auf anonymisierte Bewerbungsdaten haben. So können Recruiter gezielte Fragen stellen und umgehend die benötigten Informationen erhalten, ohne jeden einzelnen Lebenslauf durchgehen zu müssen. Bei dieser Vorgehensweise ist jedoch äußerste Vorsicht im Hinblick auf Datenschutzbestimmungen geboten.
  • Individuelle Kommunikation mit Bewerbern: ChatGPT ist in der Lage, Unternehmen in der direkten Bewerberkommunikation vielseitig zu unterstützen. Es kann für automatisierte, dennoch individuell zugeschnittene Erstansprachen genutzt werden. Bei Rückfragen oder Anliegen seitens der Bewerber liefert ChatGPT umgehend präzise Antworten, was den Bewerbungsverlauf für Kandidaten flüssiger und angenehmer gestaltet. Im Zuge der Interviewvorbereitung ist ChatGPT fähig, maßgeschneiderte Fragen basierend auf den Fähigkeiten und Erfahrungen des Bewerbers zu erstellen. Es trägt somit dazu bei, das gesamte Bewerbererlebnis zu optimieren, indem es für eine durchgängige und prompte Kommunikation während des gesamten Auswahlverfahrens sorgt.
  • Bindung von Bewerbern: Zahlreiche Stellensuchende greifen auf Jobportale zurück, um vakante Positionen zu finden und sich daraufhin zu bewerben. Allerdings bieten nur wenige dieser Plattformen ein Feedback zur eingereichten Bewerbung. KI-gestützte Werkzeuge können hier Abhilfe schaffen, indem sie den Versand automatisierter E-Mails oder Nachrichten übernehmen. Dies sorgt dafür, dass Bewerber stets informiert bleiben und zügige Rückmeldungen bekommen.
  • Integration neuer Mitarbeiter: Das Onboardingprogramm für Neuzugänge spielt eine zentrale Rolle bei der Eingliederung in das Unternehmen. Es vermittelt die Leitlinien, Abläufe und die Unternehmenskultur. Auch in diesem Bereich können KI-gestützte Instrumente wertvolle Hilfe leisten, indem sie aufkommende Fragen der neuen Mitarbeiter klären und sie mit notwendigen Informationen und Hilfsmitteln ausstatten.
  • Karriereentwicklung: Eine kontinuierliche Motivation der Mitarbeiter erfordert gut organisierte Fortbildungsmaßnahmen und eine förderliche Lernatmosphäre. Oftmals können Führungskräfte nicht ständig solche Informationen bereitstellen. An dieser Stelle kann Künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle spielen, indem sie diese Schulungsprogramme umsetzt und maßgeschneidert auf die Anforderungen des Unternehmens coacht.
  • Administration: Mitarbeiter haben regelmäßig Fragen rund um Themen wie Sozialleistungen, Urlaubsanspruch, Beurteilungen oder Vergütung. Einige dieser Fragen können komplex sein und erheblichen Zeitaufwand für Personalverantwortliche bedeuten. KI-gestützte Lösungen, wie Chatbots, E-Mail-Formulare oder virtuelle Dialoge können solche Anfragen effizient bearbeiten und managen.
  • Terminplanung: Das Koordinieren von Meetings bzw. Bewerbungsgesprächen oder das Buchen von Interviewräumen kann zeitaufwändig sein und zu einer Überflutung des Posteingangs führen. KI-Tools können jedoch auch bei solchen Aufgaben unterstützen.

Datenschutz und Ethik bei KI im Recruiting

Künstliche Intelligenz, insbesondere in Form von fortschrittlichen Modellen wie ChatGPT, hat das Potenzial, den Recruiting-Prozess erheblich zu optimieren. Sie kann Routineaufgaben automatisieren, den Bewerbungsprozess beschleunigen und eine personalisierte Interaktion mit Bewerbern ermöglichen. Abseits dieser Vorteile gibt es jedoch erhebliche Bedenken und Probleme hinsichtlich des Datenschutzes und rechtlicher Aspekte.

Die DSGVO, die in der Europäischen Union gilt, legt strenge Richtlinien für den Umgang mit personenbezogenen Daten fest. Auch wenn KI-Modelle wie ChatGPT nicht explizit in der DSGVO erwähnt werden, fallen sie dennoch unter deren Geltungsbereich, insbesondere wenn sie zur Verarbeitung personenbezogener Daten eingesetzt werden. Artikel 22 der DSGVO beispielsweise schützt Personen vor Entscheidungen, die ausschließlich auf automatisierter Datenverarbeitung basieren und erhebliche Auswirkungen auf sie haben könnten. Dies betrifft z. B. die automatisierte Ablehnung einer Bewerbung durch ein KI-System.
OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, ist in den USA ansässig. Die Datenschutzstandards in den USA unterscheiden sich von denen in der EU, was zusätzliche Komplexität und potenzielle rechtliche Risiken für europäische Unternehmen mit sich bringt, die solche KI-Modelle nutzen. Kurz: Der von OpenAI gewährte Datenschutz reicht für europäische Unternehmen in der Regel nicht aus. Eine diesbezügliche Änderung könnte die Version GPT Enterprise bringen. Diese ist zwar offiziell für große Unternehmen bereits verfügbar, aktuell (Stand Anfang Oktober 2023) aber in Österreich noch so gut wie nicht im Einsatz.
KI ist (derzeit) ein Hilfsmittel und keine universelle Lösung. Unternehmen sollten die DSGVO stets beachten, unabhängig von der spezifischen Technologie, die sie im Recruiting einsetzen. Ein umsichtiger Umgang mit KI und Datenschutz kann das Risiko von Rechtsstreitigkeiten und potenziellen KI-Fehlern erheblich reduzieren. Ein witziges Beispiel für solche Fehler ist ein Vorfall aus dem Mai 2023, bei dem ein Rechtsanwalt Rechtsentscheidungen zitierte, die von ChatGPT erfunden wurden. (www.heise.de/news/ChatGPT-erfindet-Gerichtsurteile-US-Anwalt-faellt-darauf-herein-9068180.html)

Einschränkungen

Im Kontext des modernen Recruitings rückt neben dem Schutz personenbezogener Daten ein weiteres, zentrales Thema in den Fokus: Die ethischen Implikationen der Künstlichen Intelligenz. Ein zentrales Dilemma dabei: Kann eine KI wirklich unvoreingenommen agieren? Und wenn ja, ist sie möglicherweise sogar weniger anfällig für Bias als der Mensch?

Kritische Stimmen heben hervor, dass KI-Systeme im Recruiting durchaus das Potenzial haben, bestehende Vorurteile zu verstärken. Dies liegt vor allem daran, dass sie auf historischen Daten trainiert werden. Ein Mangel an Transparenz und Verantwortlichkeit im Auswahlprozess sowie die Qualität der Trainingsdaten sind weitere kritische Punkte.
Ein prägnantes Beispiel für die Herausforderungen im Umgang mit KI im Recruiting liefert Amazon. Der Technologieriese entwickelte ein KI-basiertes Tool zur Bewertung von Bewerbern. Ziel war es, den Rekrutierungsprozess zu optimieren und Top-Talente effizienter zu identifizieren. Doch das System zeigte Schwächen: Es bewertete Bewerber für technische Positionen nicht geschlechtsneutral. Aufgrund der Datenbasis, die überwiegend Lebensläufe von Männern enthielt, entwickelte die KI eine Präferenz für männliche Kandidaten und benachteiligte somit von Vornherein alle weiblichen Bewerber. Trotz Bemühungen, diese Schieflage zu korrigieren, entschied sich Amazon letztlich gegen den Einsatz des Tools in seiner ursprünglichen Form.
Dieses Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit, KI im Recruiting mit Bedacht einzusetzen. Es ist essenziell, dass KI den menschlichen Entscheidungsprozess unterstützt und ergänzt, statt ihn gänzlich zu ersetzen. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Rekrutierungsprozess sowohl effizient als auch ethisch vertretbar bleibt.

Fazit
KI hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter rekrutieren und entwickeln, grundlegend zu verändern. Sie kann dabei helfen, die besten Kandidaten für eine bestimmte Position zu identifizieren, die Mitarbeiterentwicklung zu fördern und zu verwalten, die Karriereentwicklung der Mitarbeiter zu unterstützen, Mitarbeiteranfragen zu beantworten und Besprechungen und Interviews zu planen. Dennoch wird sie, alleine schon aus rechtlichen Gründen, menschliche Recruiter so schnell nicht ersetzen, sondern ihnen hilfreich assistieren.

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