Sehnsucht nach Zugehörigkeit?

Mitte September fand der bereits 7. Corporate Culture Jam unter dem Motto »Longing for Belonging« statt. Rund 120 Teilnehmer waren dabei.

HR-Experten, Führungskräfte und Geschäftsführer fanden sich vom 20. bis 21. September 2023 im Gabrium in Maria Enzersdorf ein, um sich zwei Tage lang dem Thema Kultur im Unternehmen zu widmen. Dabei überrascht das Setting diejenigen, die zum ersten Mal dabei sind, während sich die »alten Hasen« bereits über die lockere Stimmung, die Live-Musik und die halbkreisförmige Sitzanordnung freuen. All diese Faktoren bringen genau die offene Stimmung zusammen, die den Corporate Culture Jam bereits seit mehreren Jahren so einzigartig macht. Die Teilnehmer fühlen sich einer Community zugehörig. Und genau das ist auch das Thema diesmal. Wie schaffen es Unternehmen, eine Kultur der Zugehörigkeit aufzubauen? Denn gerade in Zeiten der extremen Unsicherheit suchen Mitarbeiter Orientierung bei Führungskräften, die allerdings selbst verunsichert sind. Durch ein Zugehörigkeitsgefühl kann Sicherheit vermittelt werden.

Zu Beginn stellt Karin Krobath (Partner bei Identifire) die Resultate einer aktuellen Studie vor, die in Zusammenarbeit mit M.O.O.CON und Pendl & Piswanger zum Thema Zugehörigkeit erstellt wurde. Die Studie untersuchte unter anderem, welche Situationen und Formate das Gefühl der Verbundenheit mit dem Unternehmen stärken. Dabei gaben 86 % der Befragten an, dass sie durch »den Nutzen der Arbeit spüren« Verbundenheit empfinden. 82 % fühlen dies beim »gemeinsamen Erschaffen von Neuem« und 76 % nannten das »Verstehen größerer Zusammenhänge« als drittwichtigsten Faktor.

Die Eröffnungskeynote des schwedischen Speakers und HR-Experten Svante Randlert gab  einen Überblick über die Themen der Konferenz und legte den Fokus darauf, wie Unternehmen zu gefragten Arbeitgebern werden. »Unternehmenskultur ist ein stark verbindendes Element in Unternehmen. Leider fokussieren viele Organisationen nur auf Struktur und Kontrolle, statt die Kultur zu fördern«, lautet das Fazit der Keynote. Eine weitere Aussage: »Wenn sich das Unternehmen gut um die Mitarbeiter kümmert, kümmern sich die Mitarbeiter gut um das Unternehmen. Nicht umgekehrt!«

Nach jedem fachlichen Input bietet die Veranstaltung Raum für ausgiebige Gespräche mit anderen Teilnehmern, um das Gelernte auf das eigene Unternehmen anzuwenden. Dabei untermalt Live-Musik die Atmosphäre, weshalb diese Gesprächsrunden treffend als »Jam-Sessions« bezeichnet werden. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung sind noch zahlreiche solcher Sessions geplant.

Die Veranstaltung bietet eine Vielzahl von Formaten: Von Workshops und Vorträgen über eine Kunstwerkstatt bis hin zu Praxis-Impulsen, Campfires und vielem mehr. Dabei steht das Thema Zugehörigkeit stets im Mittelpunkt, betrachtet aus unterschiedlichen Perspektiven.

Im Rahmen des Themas »Green Belonging« setzen wir uns mit dem Einfluss einer umweltbewussten Unternehmenskultur auf die Mitarbeiterbindung auseinander. In Kleingruppen werden konkrete Maßnahmen entwickelt, die zur Stärkung dieser Bindung im eigenen Unternehmen beitragen können.

Während der Konferenz bemerken wir, dass oft Nebensätze in Vorträgen oder persönlichen Gesprächen besonders zum Nachdenken anstoßen. Ein prägnantes Beispiel liefert Klaus Reisinger (Geschäftsführer ClimatePartner) in Bezug auf die Idee, E-Autos zu fördern: »Wenn in 20 Jahren alle heutigen Verbrennerfahrer auf E-Autos umgestiegen sind, ist wenig erreicht.« Damit betont er, dass es nicht primär darum geht, den Individualverkehr zu intensivieren, sondern eher das Gegenteil anzustreben.

Im Rahmen des »Blue Belonging« fokussieren wir uns darauf, welche Faktoren für Blue-Collar-Worker maßgeblich zur Zugehörigkeit beitragen. Ein Highlight ist die Erkenntnis über Pöttingers vorbildliches Engagement in der Lehrlingsausbildung, wodurch beeindruckende 90 % der Lehrlinge dem Unternehmen auch nach ihrer Ausbildung treu bleiben. Der Lehrlingsausbilder von Pöttinger gibt uns tiefe Einblicke in die Strategie zur Ansprache neuer Lehrlinge: »Unsere Philosophie ist es, dass unsere Lehrlinge selbst als Botschafter für neue Lehrlinge agieren. In unseren Werbematerialien setzen wir nicht auf Models, sondern zeigen stolz unsere eigenen jungen Talente, authentisch in Arbeitskleidung.«

Beim Themenbereich »Silver Belonging« rücken ältere Arbeitnehmer in den Fokus. In Workshops und lebendigen Campfire-Sessions wird erörtert, welcher Mentalitätswandel erforderlich ist, um Menschen länger und gesund im Berufsleben zu halten. Ein Aspekt, den viele Arbeitgeber übersehen: Ein 50-jähriger Neuzugang bleibt tendenziell länger im Unternehmen, oft bis zum Ruhestand. Im Gegensatz dazu neigen jüngere Mitarbeiter heutzutage zu kürzeren Verweildauern. Im Workshop »Raus aus den Kasteln«, geleitet von Axel Ebert (Mitgründer von identifire und wortwelt®) und Max Egger (FILL) wird deutlich: Das Zugehörigkeitsgefühl ist generationsübergreifend. Zudem setzen sich die Experten kritisch mit den gängigen Definitionen und zugeschriebenen Merkmalen der Generationen X, Y und Z auseinander.

Eine weitere Form der Zugehörigkeit, der wir uns intensiv widmen, ist »Pink Belonging«. Hierbei beleuchten wir, wie Diversity Management sowohl die interne als auch die externe Attraktivität eines Arbeitgebers positiv beeinflussen kann.

Die Abschluss-Keynote unterstreicht eindrücklich das Ziel der Veranstaltung: Neue Blickwinkel zu entdecken, bestehende Ansichten zu reflektieren und den eigenen Horizont zu erweitern. Gaston Florin (Bühnenkünstler und Meister der Verwandlung) schlüpft vor dem staunenden Publikum in die Rolle einer Frau und veranschaulicht, wie die Welt aus weiblicher Perspektive wahrgenommen wird. Mit einer Mischung aus Humor und Tiefe betont Gaston die Bedeutung, Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten – denn oft ergeben sich Lösungen dann ganz von selbst.

Fazit
Der Corporate Culture Jam im Gabrium bot zwei Tage voller intensiver Diskussionen und Erkenntnisse zum Thema Unternehmenskultur und Zugehörigkeit. In einer Zeit, in der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit vorherrschen, wurde deutlich, wie wichtig eine starke Unternehmenskultur ist, die ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit vermittelt. Die Veranstaltung betonte die Bedeutung von Gemeinschaft, offener Kommunikation und der Fähigkeit, Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

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