Seminare sinnvoll konzipieren

In den letzten Jahren hat sich in der Lern- und Transferforschung einiges getan. Wir wissen heute viel besser, wie Seminare konzipiert sein müssen, damit sie bei den Teilnehmern und beim Unternehmen für nachhaltige Veränderung sorgen. TRAiNiNG hat Experten dazu interviewt.

Seit das Magazin TRAiNiNG 1996 gegründet wurde, gehen Mitarbeiter und Redakteure fast wöchentlich auf Seminare. Dabei haben wir in den letzten 23 Jahren gute und schlechte Seminare erlebt und beschrieben. Veränderungen gab und gibt es immer, muss auch so sein. Was sich ganz eklatant verändert hat, ist die Organisation von Seminaren. Einerseits sind Seminare kürzer geworden, es gibt mehr Eintagesseminare, andererseits hat sich das Design wesentlich verändert, und zwar im didaktischen Konzept. Gute Trainer investieren viel Zeit in die Aufbereitung der Inhalte und die didaktischen und methodischen Überlegungen. Damit ein Seminar nachhaltig wirksam ist, gilt es eben einiges zu beachten. TRAiNiNG fragte bei vier Expertinnen für Lerntransfer und Trainingsdesign nach.
Ina Weinbauer-Heidel (Geschäftsführerin am Institut für Transferwirksamkeit) forscht seit einigen Jahren darüber, wie Seminare wirksamer werden können: »Es gibt 3 Bereiche, die für die Wirksamkeit von Trainings ausschlaggebend sind: Das Trainingsdesign, die Teilnehmer und die Organisation. Das Trainingsdesign ist die Homebase vieler Trainer, L&D-Manager und Personalentwickler – hier ist die Erfahrung und das Repertoire am größten – hier wird die meiste Energie reingesteckt. Die entscheidenden Transferbarrieren liegen aber häufig im Bereich Organisation. Wenn beispielsweise Führungskräfte oder Kollegen nach dem Training zum Teilnehmer sagen ›Nett was du da gelernt hast, aber wir machen es weiterhin wie bisher, denn so haben wir es immer schon gemacht!‹, dann ist es um die Wirksamkeit des Trainings schnell wieder geschehen. Entscheidend beim Konzipieren ist daher, die Stellhebel in der Organisation zu berücksichtigen. Mit kleinen, anschlussfähigen Transfertools wie Self-Checks für Führungskräfte oder kollegiales Transfer-Nudging kann man ganz einfach fördern, dass die Saat der neu erlernten Skills auf einen fruchtbaren organisationalen Boden fällt. Trainings können Skills produzieren – doch die On-the-Job-Performance steuert die Organisation!«

Kompetente Trainer sind sich einig, dass der Erfolg eines Seminars bereits bei der Auftragsklärung beginnt.
Anna Langheiter (Geschäftsführerin und Trainerin bei design.train.mastery) über eines der wichtigsten Prinzipien bei der Konzeption von Trainings – ›Have the end in mind‹: »Schon in der Trainingsbedarfsanalyse wird geklärt, was nachher anders sein soll. Und dann wird das Training konsequent für diese Ziele entwickelt. Und weil Training allein nicht ausreichend ist, wird beim Design auch auf die Transferunterstützung geachtet, denn nur wenn der Teilnehmende nach dem Training gut begleitet wird, kann Transfer gelingen.«

Auch Ina Biechl (Lehrgangsleiterin Diplomlehrgang trainingskompetenz®) sieht das Wesentliche in der Auftragsklärung: »Vor der Angebotslegung führe ich immer ein ausführliches Gespräch, auch wenn schon ganz klar zu sein scheint, was das Ziel und/oder der Inhalt der Weiterbildung sein soll. Es geht auch darum, Begriffe zu klären und die Erfahrungen dahinter ernst zu nehmen. Wenn ich die Bedürfnisse, die hinter den Aussagen der Auftraggebenden versteckt sind, ansprechen kann, wird es mir gelingen, sowohl für mich als auch für sie zu klären, worum es wirklich geht. Bei der Vorbereitung für ein Training gibt es auch prinzipielle Überlegungen: Welchen Bildungsstand haben die Teilnehmenden? Sind besondere Interessen an den angekündigten Inhalten zu erwarten? Welche sind das? Was sollen/wollen die Teilnehmenden mit dem Gelernten machen?«
Das »Wie« ist entscheidend
Wenn nun mit dem Auftraggeber im Detail geklärt ist, worum es gehen soll, geht es für den Trainer in die Design-Phase. Hier wird unter anderem überlegt, wie der Lernstoff nachhaltig an die Teilnehmer gebracht werden kann.

Eva-Maria Kraus (Inhaberin und Trainerin NEWVIEW) weiß aus langjähriger Erfahrung, wie nachhaltiges Lernen funktionieren kann: »Um erfolgreiche Trainings konzipieren zu können, bedarf es der Zusammenarbeit zwischen Trainer, Auftraggeber und den Teilnehmenden. Weg von Vorträgen, hin zu aktivem Tun, ausprobieren, erleben, Spaß an der Sache haben und reflektieren. Lernen darf und soll zum Erlebnis werden. Wichtig ist hierbei jedoch, dass der Spaß immer ein Ziel verfolgt, welches auch für die Teilnehmenden immer vor Augen sein muss. Es ist erwiesen, dass mit Spaß, Neugier, leichter Überforderung und Ausprobieren viel mehr gelernt wird als in theoretischen Vorträgen. Daher ergibt es auch Sinn, immer wieder mal die Augen offen zu halten, nach neuen gehirngerechten Lernmethoden am Markt.«

Früher wurden von Unternehmen 2-Tages-Seminare eingekauft. Heute geht man sinnvollerweise davon weg und kauft ganze Bildungskonzepte. Denn, wenn wirklich Veränderung passieren soll, dürfen interne Trainings nicht als Kurzzeit-Events konzipiert sein, sondern müssen idealerweise in eine größere Strategie eingebunden werden.
Sabine Prohaska (Eigentümerin, Trainerin und Coach bei seminar consult prohaska): »Es ist notwendig, sich Gedanken über Maßnahmen vor, während und nach dem Training zu machen. Entscheidend für den Erfolg ist neben einem guten Seminardesign zum Beispiel, wie die Teilnehmer für das Seminarthema sensibilisiert wurden. Weiters muss überlegt werden, was nach dem Seminar im Alltag mit dem Gelernten passiert. Spätestens an dieser Stelle sind die Führungskräfte der Teilnehmer gefordert, sich in diesen Prozess einzubringen. Aus der Lernforschung wissen wir zudem, dass mehrere kurze Trainingseinheiten besser verarbeitet werden können. Optimales Lernen soll als Prozess gestaltet sein. Hier kann man Blended Learning optimal einsetzen, indem man den Teilnehmern interessante Vorbereitungsarbeiten gibt und nach dem Seminar Follow-up-Sequenzen – z.B. durch Videos, Webinare etc. – einbaut. Während des Seminars ist es wichtig, Erfolgserlebnisse zu schaffen und die Teilnehmer zu neuem Handeln zu ermutigen. Diese Motivation benötigen die Teilnehmer auch nach dem Training, nämlich dann, wenn die ersten Schwierigkeiten auftreten.«

Seminarerfolg messen

Noch bevor das Seminar stattfindet, sollten sich alle Beteiligten über die Erfolgsmessung Gedanken machen. Auch dieser Trend setzt sich immer häufiger durch. Jede Trainingseinheit, die von Unternehmen eingekauft wird, muss in nachvollziehbarer Weise Sinn ergeben und sich für das Unternehmen auszahlen.

Ina Weinbauer-Heidel: »Aus Transfersicht bedeutet Erfolg, dass das Gelernte am Arbeitsplatz umgesetzt wird und zu positiven Veränderungen im Unternehmen führt (Business Impact). Die besten Evaluierungsmethoden für diese Art von Erfolg sind für mich die ›Brinkerhoff Success Case Method‹ und das ›New World Kirkpatrick Model‹. Beide Modelle bieten Tools und Evaluierungs-Fragen an. Ich erlebe, dass das Problem beim Evaluieren nicht die Methode ist, sondern vielmehr die Definition der Ziele. Wie wollen wir messen, ob schwammig definierte Ziele wie ›Führungskompetenzen veredeln‹ oder ›strategisches Denken und Handeln fördern‹ erreicht wurden? Wir brauchen keine komplizierten und immer neue Evaluierungsmethoden, sondern vielmehr klare Ziele!«

In vielen Unternehmen wird nur über Feedbackbögen ermittelt, ob das Seminar ein Erfolg war.
»Der traditionelle Feedbackbogen sagt jedoch nicht aus, ob der Teilnehmende etwas gelernt hat, was er selbst zum Lernen beigetragen hat, ob der Trainer für den Teilnehmenden hilfreich war und wie zuversichtlich er ist, das Gelernte anwenden zu können und ob er committet ist, es auch tun«, erzählt Anna Langheiter. »Wären das Inhalte eines Fragebogens, dann könnte man tatsächlich Schlüsse für eine Verbesserung des Trainings ziehen.«

Böse Zungen behaupten sogar, dass ein Seminar dann als positiv bewertet wird, wenn das Essen gut war, und die abendliche Rechnung an der Bar vom Unternehmen übernommen wird. Gute Noten auf diesem Feedback-Bogen sagen also kaum etwas über den Lernerfolg aus. Und sie können sogar kontraproduktiv sein.

Sabine Prohaska: »Meiner Meinung nach hat die Messung der Zufriedenheit sogar teilweise einen negativen Effekt auf Trainings. Denn diese Zufriedenheitsbewertung wird oft an die Kompetenz des Trainers geknüpft. Eine Wiederbeauftragung erfolgt nur, wenn die Feedbackbögen entsprechende Werte aufweisen. Das erzeugt einen Druck auf Trainer, Seminare abzuhalten, die nett und unterhaltsam, aber unter Umständen wirkungslos sind. Es wäre wünschenswert, die Erkenntnisse aus der Transferforschung ernster zu nehmen und Trainings dahingehend besser zu evaluieren.«

Darüber sind sich die Experten einig: Wenn Unternehmen es ernst meinen und tatsächlich daran interessiert sind, dass Mitarbeiter etwas lernen, müssen auch Führungskräfte und die Personalentwicklung eingebunden werden.

Eva-Maria Kraus: »Es ist nicht allein die Aufgabe des Trainers, für den Seminarerfolg zu sorgen. Ein ›miteinander Arbeiten‹ steht an oberster Stelle. Hier ist es auch wichtig, klar zu machen, dass der Trainer es ›nicht richten kann‹, wenn die Organisation nicht auch verlässlich ihren Teil zur Umsetzbarkeit im Alltag beiträgt und die Veränderung mitträgt und unterstützt. Dadurch wird auch in Summe weniger Budget für Seminare oder Programme benötigt, da die Maßnahmen wirklich zielführend gestaltet werden können. Wird zusammengearbeitet, dann sind die Erfolgsfaktoren bereits im Vorfeld definiert und können erhoben werden.«

Aktuelles der Transferforschung

Welche konkreten Tipps gibt die aktuelle Transferforschung für Trainer und für PE-Abteilungen in Unternehmen?
Ina Weinbauer-Heidel: »Aktuell ist die Transferforschung stark mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt und damit, wie diese den Transfer des Lernens beeinflusst. Klar ist schon jetzt, dass die Digitalisierung nicht das Heilmittel für ausbleibende Transfererfolge ist. ›Klassische Trainings bringen nichts – dann probieren wir es jetzt mal digital.‹ Das wäre, als ob man bei einem Benzin-Auto mit drei Rädern feststellt, es fährt nicht rund – lass uns auf ein Elektroauto mit drei Rädern umsatteln. Egal, ob wir Trainings im Präsenz-, Blended oder nur im Digitalformat durchführen, das Gelernte anwenden muss immer noch ein Mensch. Die Digitalisierung bietet viele neue Möglichkeiten, aber am Ende hängt der Transfererfolg wieder von Stellhebeln wie Transfermotivation, Unterstützung durch Vorgesetzte und Peers, Transfervolition usw. ab.«
Sabine Prohaska: »Es gibt sehr viel, das wir aus der Lern- und Transferforschung lernen können. Die Lernmotivation lässt sich zum Beispiel durch ein positives Image der Trainingsmaßnahme steigern. Positive Signale aus der Führungsetage können das erreichen. Aber auch ansprechende Seminareinladungen würden in vielen Institutionen schon ein erster Schritt dazu sein. Auch die Selbstwirksamkeitserwartung können wir als Trainer im Seminar positiv gestalten, in dem wir auf Erfolgserlebnisse fokussieren und mit Lob und Feedback arbeiten. Je mehr Anwendungsübungen erfolgreich bestanden wurden und je mehr motivierende Praxisberichte wir im Seminar einbauen, um so eher entsteht im Teilnehmer die Einstellung ›Das kann ich (auch)!‹. Diese Erfolgserlebnisse können wir ebenfalls für die Phase nach dem Seminar generieren, in dem wir uns machbare Transferaufgaben überlegen.«
Ina Biechl über die wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre: »›Die Menschen dort abzuholen, wo sie sind‹, ist keine leere Worthülse, sondern eine wichtige Voraussetzung, um Lernerfolg sicherzustellen. Im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen und die Bedürfnisse der teilnehmenden Personen. Für mich als Kommunikationstrainerin ist es wichtig, dass die Teilnehmenden die Inhalte praktisch umsetzen können. Kommunikation muss gelebt und nicht gelehrt werden! Die praktischen Anregungen werden mit theoretischen Erkenntnissen angereichert. Bei der Umsetzung steht das Erleben im Vordergrund. Durch Erleben, Hinterfragen und Üben wird für die jeweilige Person klar, welche Verhaltensstrategien für sie selbst passend sind. Beim Hinterfragen und Diskutieren des Erlebten wird zusätzlich der theoretische Hintergrund vermittelt. Diese drei Bereiche sind gleichwertig. Es hat sich herausgestellt, dass diese Vorgangsweise hilfreich ist, um neue Verhaltensweisen anwenden zu können.«

Fazit
Ein Seminar abzuhalten, ist mehr als Wissen mitzuteilen. Ein Seminar einzukaufen, ist mehr als die komplette Verantwortung an einen Trainer abzugeben. Das Seminardesign und Gedanken zu Transferwirksamkeit sind wichtig, um Lernen nachhaltig zu gestalten und Veränderung zu erreichen. Trainer, die sich professionell mit diesem Thema auseinandersetzen, werden von Unternehmen positiv erlebt und tendenziell mehr gebucht. Unternehmen sind angehalten, bei der Auftragsklärung dieses Thema anzusprechen. Fragen Sie nach, wie der Lernerfolg erreicht werden soll und wie das Ergebnis gemessen wird.

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