Sind Sie zumutbar?

Wer zu sich selbst steht, braucht vor Vorträgen und Präsentationen keine Angst zu haben. Woher das Lampenfieber kommt, und wozu es gut ist, beschreibt Gregor Fauma.

Lampenfieber, auch bekannt als Auftrittsangst, ist eine weit verbreitete emotionale Reaktion auf eine bevorstehende öffentliche Präsentation. Es kann sowohl professionelle als auch amateurhafte Darsteller betreffen und tritt in verschiedenen Bereichen auf, wie zum Beispiel in der Musik, im Theater, im Film, bei Reden oder Präsentationen. Lampenfieber ist eine natürliche Reaktion auf die Herausforderung, vor anderen Menschen aufzutreten. Es wird oft als ein Gefühl der Nervosität, Unruhe und Angst beschrieben, das mit körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Schweißausbrüchen, Zittern oder Übelkeit einhergehen kann. Obwohl es in der Regel als unangenehm empfunden wird, kann Lampenfieber auch als ein Antrieb und Motivator für eine gute Leistung dienen. Empfinde ich persönlich zum Beispiel keine Nervosität vor einer Keynote, baue ich mir diese »künstlich« auf, um den notwendigen Level an geistiger Spannkraft zu erreichen.

Es gibt verschiedene Theorien, die versuchen, die Ursachen von Lampenfieber zu erklären. Eine recht spektakuläre Theorie ist die »Selbstwertbedrohungstheorie«, die besagt, dass Lampenfieber auftritt, wenn eine Person das Gefühl hat, dass ihr Selbstwertgefühl auf dem Spiel steht. Die Angst vor einer schlechten Leistung oder vor Kritik von anderen kann dazu führen, dass sich eine Person unwohl und unsicher fühlt. Eine andere Theorie ist die »evolutionäre Theorie«, die besagt, dass Lampenfieber eine Überlebensreaktion ist. In der Savanne, aber auch danach, war es für Menschen überlebenswichtig, in Gruppen zu agieren und akzeptiert zu werden. Wenn jemand aus der Gruppe ausgeschlossen wurde, kam das einem Todesurteil gleich. Das Gefühl der Nervosität und Unsicherheit vor einer öffentlichen Präsentation könnte somit eine Art Schutzmechanismus sein, um sicherzustellen, dass eine Person akzeptiert und in der Gruppe integriert bleibt. Bei Scham ist es ähnlich. Schamgefühl entsteht, wenn man bemerkt, soziale Normen unbeabsichtigt, jedoch von anderen beobachtet, zu verletzen. Schamgefühl ist ein sehr früher Grenzenaufzeiger. Ich meine, Scham und Nervosität vor einem Auftritt liegen sehr nahe beieinander.

Oft kommen Kunden zu mir mit der Bitte, ihnen ihre Auftrittsangst zu nehmen. Ich frage, wovor sie Angst hätten. Sie antworten, es wäre das Scheitern. Wie denn das Scheitern aussehe, will ich dann wissen. Es sei die Angst, vor Kollegen das Gesicht zu verlieren – Schamgefühl. Ich frage dann oft keck, ob mein Kunde meine, zumutbar zu sein. Denn wer das bejaht, hat keine Fallhöhe mehr. Ein Scheitern ist dann nicht mehr möglich. Wer zu sich steht, braucht sich nicht zu genieren. Man kann einem Apfel nicht vorhalten, ein Apfel zu sein, wie ein Apfel auszusehen und wie ein Apfel zu riechen. Nur der Apfel, der vorgibt, eine Birne zu sein, kann berechtigt Sorgen aufbauen, dass er im Birne-sein scheitert und als Apfel entlarvt wird. Und so ist es bei Auftritten: Wer eine Fassade aufbaut, kann scheitern. Wer ganz bei sich bleibt, im Wissen, zumutbar zu sein, steht auf einem stabilen Fundament ohne jede Fallhöhe. Diese Erkenntnis reicht oft, um Kunden ihre Auftrittsangst zu nehmen.
Für manche Menschen ist das Lampenfieber jedoch so stark, dass es zu einer ernsthaften Belastung wird. In diesen Fällen empfehle ich Psychotherapie, um die zugrunde liegenden Ursachen des Lampenfiebers zu untersuchen und zu behandeln. Allen anderen empfehle ich die Teilnahme an der Masterclass »Business/Bühne« Ende September im Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Dort wird aus Lampenfieber Faszination – gut getriggert von den Lehrern dieser einmalig fantastischen Ausbildungsstätte für Auftritte jeglicher Art. Es muss ja nicht gleich das Burgtheater sein.

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Fauma

Gastautor
Gregor Fauma
ist ­Verhaltensbiologe, Trainer und ­Keynote-Speaker. Er wurde 2018 zum Trainer des Jahres und 2022 zum Redner des Jahres ausgezeichnet.
www.gregorfauma.com

Masterclass »Business/Bühne«:
21. bis 23. September 2023 im Max-Reinhardt-Seminar,
mit Lehrern und Absolventen des Seminars.
 www.masterclass-wien.at