Der Mensch hat einen angeborenen »Willen zum Sinn« (Viktor Frankl). Das Streben nach Sinn gilt als primäre Motivationskraft des Menschen.
Sinnvolle Arbeit
Das Interesse von Unternehmen, sinnstiftende Arbeit zu schaffen, damit Motivation und Einsatz der Mitarbeiter zu steigern und im Ergebnis das Fortkommen der Organisation zu forcieren, ist groß. Das Wissen über die Entstehung von Sinnhaftigkeit ist jedoch eher gering, und eine Verlagerung der Verantwortung für die berufsbezogene Weiterentwicklung wird immer häufiger den Einzelnen überlassen, ohne dieses Vakuum zu schließen.
Unter Sinnhaftigkeit wird eine positive, subjektive, individuelle Erfahrung in Bezug auf die Arbeit verstanden. Sinn entsteht dabei im Gleichgewicht zwischen »Sein« (z. B. Zugehörigkeit) versus »Tun« (z. B. einen Beitrag leisten) und »Selbst« (z. B. Selbstverwirklichung) versus »Andere« (z. B. den Bedürfnissen anderer dienen).
Eine Frage, die hier aufkommt, ist, wer inwiefern Sinnhaftigkeit in der Praxis definiert. Wenn Führungskräfte organisatorische Werte und Ziele entwickeln, Personalabteilungen Arbeitsplätze und HR-Prozesse kreieren, die möglichst die Arbeit des Einzelnen mit Sinn erfüllen sollen, können unweigerlich Spannungen zwischen den Beteiligten aufkommen. Sinnhaftigkeit als positive Wahrnehmung bis hin zur reinen Existenzsicherung als negative Situationsbeschreibung sind denkbar. Hinzu kommen Unternehmen zunehmend unter Druck, Mitarbeitende entsprechend dem technischen Fortschritt, schnell verändernder Anforderungen und steigender Komplexität weiterzuentwickeln. Lernen wird zum Garant von Wettbewerbsfähigkeit.
Sinnvolles Lernen
Lernen wird als sinnvoll wahrgenommen, wenn es an den jeweiligen Lebenskontext andocken kann. Im Gegensatz zum reinen Auswendiglernen und Wiedergeben von Wissen meint dies, gewonnene Erkenntnisse anwenden zu können, diese reflektieren und auch auf andere Kontexte und Problemstellungen umlegen und kreativ weiterentwickeln zu können.
Sinnvolles Lernen in der Arbeit
Im Arbeitskontext wird dieser Prozess als Lerntransfer bezeichnet. Die Transferlücke zwischen beruflichem Lernen und entsprechender Anwendung liegt laut wissenschaftlichen Erkenntnissen bei ca. 50 %. Diese entsteht u. a. durch fehlende Motivation, hohe Arbeitsbelastung, fehlende zeitliche und technische Ressourcen oder Widerstand von Kollegen. Die Sinnhaftigkeit von Lernen, welches nur zur Hälfte Anwendung findet, darf in Frage gestellt werden. Grundvoraussetzung sinnvollen Lernens ist die Verknüpfung von relevantem Vorwissen des Lernenden, des Einsatzes sinnvoller Lernmaterialien und die Entscheidung des Lernenden, sinnvolles Lernen zu nutzen.
Sinnvolle Lernformate
Die Lernentscheidung obliegt nicht immer dem Lernenden selbst. Das betriebliche Lernen wird in der Regel in ein formales In-Anspruch-Nehmen von geplanten Trainings sowie ein informelles Lernen während der Arbeit unterschieden. Zudem gibt es ein Lernen außerhalb des Arbeitsumfeldes, in dem Kompetenzen entwickelt werden, die für die Arbeit relevant sein können. Sinnbeeinflussend ist, wer über Kontrolle über Lerninhalte und -ziele sowie über Lernmittel verfügt. Beim formellen Lernangebot kontrolliert das Unternehmen sowohl Lernziele und -mittel, beim informellen Lernen haben die Lernenden zumindest die Kontrolle über das Lernmittel, beim selbstgesteuerten Lernen haben Lernende die Kontrolle sowohl über Ziel als auch Mittel des Lernens. Eine Übersicht über mögliche Lernformate ist in der Tabelle finden.
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Sinnvoller Einsatz von Lerntechnologie
Technologie hat hohes Potenzial, fördernd zu wirken. Learning Analytics macht es möglich, Vorwissen des Lernenden zu erfassen und somit Lernbedarfe zu ermitteln, sowie Lernmaterial und Kommunikationskanäle zur Verfügung zu stellen. Die Technologie sollte dabei nicht die Herangehensweise steuern, sondern der Lernstrategie folgen. Lernen entsteht also nicht durch die Technologie, sondern durch Erfahrung, kritisches Denken, Vernetzung und Neukonstruktion von Wissen. Diese Vorgänge sollten idealerweise durch Technologie unterstützt werden, sodass die Handlungsoptionen der Lernenden erweitert werden.
Zu viel Sinn ist schädlich
Menschen suchen nach sinnvollen Erfahrungen. Zu viel Sinn, z. B. im Sinne des Verfolgens einer Berufung, kann aber auch zur Überarbeitung oder Akzeptanz schlechter Arbeitsbedingungen führen. Umgelegt auf das Online-Lern-Setting, in dem es faktisch möglich ist, 24/7 zu lernen, kann dies dazu führen, dass auch am Wochenende, an Abenden, vor und nach der Arbeit für die Arbeit gelernt wird. Balance herzustellen, auch in Relation zur Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens, sollte hier unterstützt werden.
Sinn durch Gemeinschaft
Sinn entsteht in Bezug zum eigenen Selbst und in Bezug zu anderen. So können Zugehörigkeitsgefühl und gemeinsame Beiträge auch langweiligen, sich wiederholenden Tätigkeiten Bedeutung und Sinn verleihen. Im Lernkontext können so auch schwierige oder neuartige Inhalte und Gedankenkonstruktionen umgesetzt werden. Es haben sich zum Beispiel (selbstorganisierte) Learning Communities, Working-Out-Loud- und Learning-Out-Loud-Formate als förderlich erwiesen. Wissen teilen, Kooperation über Abteilungs- und Firmengrenzen hinweg sind Möglichkeiten, Sinn zu stiften.
Sinn durch Anerkennung
Soziale Anerkennung anderer gilt als Eckpfeiler sinnvoller sozialer (Arbeits- und Lern-)Beziehungen. Online-Learning-Programme kommen diesem Aspekt z. B. durch personalisierte Lernsettings entgegen. Bewusst soziale Anerkennung kann in Lern-Communities mit Kollegen praktiziert werden und sollte explizite Managementpraxis sein.
Fazit
Sinnvolles arbeitsbezogenes Lernen ist eine Entscheidung, die jedes Individuum treffen und jedes Unternehmen unterstützen muss, um es zum Erfolg zu führen. Eine Balance zwischen Individuum und Unternehmen sowohl im »Sein« als auch im »Tun« ist dabei anzustreben. Macht Sinn!