Wie KPMG neue Mitarbeiter sucht und wie Speed-Dating erfolgreich im Recruiting-Prozess eingesetzt werden kann, lesen Sie in diesem HR-Interview.
Beschreiben Sie bitte die Tätigkeit von KPMG! Wie viele Mitarbeiter haben Sie derzeit?
Wir sind die größte österreichische Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. Unsere drei Geschäftsfelder sind Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung. Österreichweit haben wir in 8 Standorten insgesamt 1 100 Mitarbeiter, davon sind rund 700 hier in Wien. Im Geschäftsjahr 2013/2014 hatten wir einen Umsatz von 170 Mio. €.
Wie rekrutieren Sie neue Mitarbeiter?
Wir suchen im ersten Schritt direkt an den für uns relevanten Ausbildungsstellen und kooperieren daher erfolgreich mit verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen, bei denen wir auch vor Ort stark präsent sind. Wir sind auf Karrieremessen und anderen Karriereveranstaltungen auf den Unis vertreten und organisieren auch teilweise selbstdesignte Veranstaltungsformate wie z. B. das Karriere-Speed-Dating.
Wir kommen an vielen verschiedenen Kontaktpunkten mit den Studenten in Berührung und dabei lieber etwas früher als später. Wir schauen uns bereits bei Studenten ab dem dritten oder vierten Semester um, wobei wir sowohl Bachelor- als auch Masterstudierende adressieren. Bei den Veranstaltungen auf den Unis achten wir besonders darauf, welche Kollegen von uns dort das Unternehmen repräsentieren. Manche haben einen exzellenten Zugang zu den Studierenden und schaffen es so perfekt, das richtige Image der KPMG zu transportieren.
Als weiteres Recruiting-Standbein nutzen wir das Netzwerk unserer Mitarbeiter. Da viele von ihnen frisch von der Uni kommen, haben sie häufig noch studierende Freunde. Hier werden regelmäßig Empfehlungen ausgesprochen und es kommt dann auch häufig zu einer Einstellung. Dafür gibt es auch ein eigenes Mitarbeiterempfehlungsprogramm, sodass das Engagement für unsere bestehenden Mitarbeiter belohnt wird.
Und natürlich schreiben wir auch über unsere Homepage und auf Karriereseiten aus.
Wie viele Bewerbungen bekommen Sie pro Jahr?
Etwa 3 000.
Worauf achten Sie bei diesen Bewerbern besonders?
Zusätzlich zur fachlichen Ausbildung und zum entsprechenden Wissen suchen wir nach ganz bestimmten Persönlichkeiten. Wir nennen diese die »Selfstarter«-Persönlichkeiten. Wir achten auf hohe Eigenmotivation und auf einen hohen Leistungsanspruch, der unserem Versprechen der »Performance Excellence« an unsere Kunden gerecht wird. Besonders wichtig ist die Lernbereitschaft. Wer sich nicht gerne weiterbildet, ist definitiv falsch bei uns.
Wie finden Sie heraus, ob diese Charaktereigenschaften bei den potenziellen Kandidaten gegeben sind? Verwenden Sie Testverfahren?
Nein, wir verwenden keinerlei standardisierte Verfahren, sondern führen klassische Bewerbungsgespräche. Wir sind ein Recruiting-Team von 9 Leuten und haben genügend Erfahrung, um das herauszufinden. Für die fachliche Eignung gibt es zusätzlich einen Test, um das vorhandene Wissen der Bewerber abzuprüfen.
Die Kandidaten, die sich bei uns bewerben, wissen im Regelfall, was auf sie zukommt, viel herausfordernde Arbeit und viele Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten.
Ist Fluktuation ein Thema?
Ja, ist es. In unserer Branche ist die Fluktuation generell recht hoch. Viele Jungabsolventen benutzen uns oder einen unserer drei Mitbewerber, um einen guten Einstieg in die Berufswelt zu schaffen. Viele Personalberater sagen, wenn jemand 3 bis 5 Jahre bei einem der »Big 4« gearbeitet hat, ist die Karriere auf einem guten Weg. Wir bilden auch tatsächlich in diesen durchschnittlich 5 Jahren sehr gut aus, und daher haben unsere Mitarbeiter ein hervorragendes Standing am Arbeitsmarkt.
Was machen Sie für Ihr Arbeitgeberimage?
Prinzipiell beginnen wir zuerst innerhalb des Unternehmens, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Erst im zweiten Schritt setzen wir externe Employer-Branding-Maßnahmen. Unsere Mitarbeiter sind die besten Imagebotschafter. Interessanter Weise auch die ausgeschiedenen Mitarbeiter. Dafür haben wir ein eigenes Alumni-Netzwerk geschaffen. Also wir machen viel, damit sich unsere Mitarbeiter bei uns wohlfühlen. Das beinhaltet einerseits ein angemessenes Gehalt, außerdem eine angenehme Arbeitsumgebung und dazu noch extrem flexible Arbeitszeitmodelle.
Eines der Attribute, die uns als Arbeitgeber zugeschrieben werden, ist es, »konservativ« zu sein. Das sind wir auch wirklich, aber wir wollen dennoch zeigen, dass wir einerseits »wertekonservativ« sind, aber andererseits auch in der Lage sind, einen Schritt weiter zu denken und uns der Welt zu öffnen. Auch hier ist das angesprochene Karriere-Speed-Dating optimal.
Was steckt hinter dem Speed-Dating?
Das ist ein ganz tolles neues Format von uns. Von KPMG sind rund 15 Unternehmensvertreter unterschiedlicher Karrierestufen vor Ort. Meistens auf den Unis und in guter Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Berufsplanung der WU Wien. Wir laden die Studenten ein, jeweils 8 Minuten mit einem Wunschgesprächspartner von KPMG zu plaudern und alle möglichen Fragen zu stellen. Auf einer Pinnwand heften sie zur besseren Planbarkeit vorher ihren Namen zu dem des jeweiligen Gesprächspartners. Einige kommen völlig leger und unverbindlich, um sich einfach nur zu informieren, andere hingegen sehen es gleich als eine Art Bewerbungsgespräch und bringen alle Unterlagen mit. Wir verwenden dieses Speed-Dating auch tatsächlich sowohl für Employer Branding als auch unmittelbar für das Recruiting und haben auch schon direkt nach diesem Erstgespräch jemanden eingestellt.
In Ihrer jüngsten Arbeitgeber-Imagebroschüre arbeiten Sie mit dem Bild von Agenten. Welche Idee steckt dahinter?
Sowohl in der Wirtschaftsprüfung als auch in der Steuerberatung muss man sich ganz tief in die Materie einarbeiten, fast schon mit detektivischem Spürsinn. Wir wollten uns eindeutig positionieren, auch um uns gegen den Mitbewerb abzusetzen. Das Image des Agenten soll eine Mischung aus geheimnisvoll und anspruchsvoll darstellen. Bei einigen Studenten haben wir das Image, eine »uneinnehmbare Festung« zu sein, also dass man einen Job bei KPMG extrem schwer bekommt. Auch diese Barriere wollten wir mit dem neuen Image etwas erleichtern.
Warum sprechen Sie vor allem junge Leute frisch von der Uni an und keine älteren mit mehr Erfahrung?
Wir sprechen auch erfahrene Menschen an, aber lieber jüngere. Unsere Idee ist es dabei, dass wir die Jungen genau nach unseren Bedürfnissen ausbilden können. Es zeigt sich, dass der Wechsel innerhalb der Branche bzw. innerhalb der »Big 4« sehr gering ist.
Was unterscheidet Sie von einem der anderen großen Arbeitgeber in dieser Branche?
Fairerweise muss man sagen, dass alle nur mit Wasser kochen und sehr vergleichbare Geschäftsfelder haben. Berufsentscheidungen sind immer hochemotionale Entscheidungen. Ich denke, es hat immer etwas mit den Menschen zu tun. Kann sich der Bewerber vorstellen, mit dem Team von uns gut zusammenzuarbeiten? Wenn er das mit einem ehrlichen Ja beantworten kann, ist dieser Mensch bei uns richtig.
Welche Anforderungen stellen junge Absolventen heutzutage an den Arbeitgeber?
Ich denke, dass ein adäquates Gehalt nach wie vor ein selbstverständlicher Anspruch ist. 50 Euro mehr oder weniger werden allerdings wohl keinen großen Unterschied machen, stattdessen ist es wichtiger, dass sich junge Mitarbeiter bei uns wohl fühlen. Eines der größten Bedürfnisse, die wir hören, ist der steigende Wunsch nach Flexibilität. Wir bekommen z. B. Anfragen von Studienabsolventen, die nur Teilzeit bzw. maximal 30 Stunden arbeiten wollen. Hier müssen wir wie alle Unternehmen lernen, flexible Modelle anzubieten. Teilweise stößt das auch noch bei uns auf Unverständnis bei den Führungskräften. Wir müssen lernen, uns mit neuen »Lebensmodellen« auseinanderzusetzen. Jedoch – häufig kommen uns junge Absolventen für unsere Kultur zu leger entgegen, z. B. die Anrede beim Bewerbungsschreiben »Hallo Frau XY« stößt in einem konservativen Haus wie bei uns auf Unverständnis.
Vielen Dank für das Gespräch.