Streit trotz Konsens

Beim jüngsten HR-Circle-Treffen im Sommer ging es heiß her. Das Thema: »Bin ich besser, weil ich politisch korrekt bin?«

In den Räumlichkeiten der ARS Akademie in Wien fand kurz vor dem Sommer ein eindrucksvolles Netzwerktreffen statt. Rund 50 Experten aus den Bereichen Human Resources und Corporate Social Responsibility (CSR) trafen einander, um über ein stark polarisierendes Thema zu diskutieren: »Bin ich besser, weil ich politisch korrekt bin?«

Drei sachkundige Persönlichkeiten wurden eingeladen, um mit ihrer jeweiligen Perspektive das Thema zu beleuchten:

  • Pamela Rath, eine Expertin im Bereich New Work, hat ihren Beitrag vor allem unter Berücksichtigung der Aspekte Kommunikation und Business geliefert.
  • Brigitte Sammer, Expertin für Arbeitsrecht bei Gerlach Rechtsanwälte, hat den Fokus auf die juristischen Aspekte des Themas gelegt.
  • Kenan Güngör, ein Soziologe und Politikberater, hat das Thema aus der Perspektive der gesellschaftlichen Dynamik analysiert.

Vor der ersten Diskussionsrunde präsentierte der Moderator der Veranstaltung, Ronny Hollenstein (Gruppe Hollenstein), eine Definition des Duden für »Politische Korrektheit«. Laut dieser Erklärung bezieht sich der Begriff auf eine »Einstellung, die jegliche Ausdrucksformen und Handlungen ablehnt, die eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sozialen Schicht, körperlicher oder geistiger Behinderung oder sexueller Orientierung einer Person implizieren«.

Arbeitsrecht

Von einem arbeitsrechtlichen Standpunkt aus gesehen, spielt dieses Thema im Arbeitsumfeld eine wesentliche Rolle. Es wurde betont, dass politische Korrektheit als Instrument zur Förderung eines gerechteren und inklusiveren Arbeitsplatzes dienen kann. Durch das Setzen klarer Grenzen gegen diskriminierendes und belästigendes Verhalten können Unternehmen sicherstellen, dass alle Mitarbeiter unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem Glauben respektiert und fair behandelt werden.
Brigitte Sammer teilte ihre Erfahrung, dass sie sich bis vor wenigen Jahren hauptsächlich mit dem Thema in internationalen Konzernen befasste, und es mittlerweile fest in Österreich verankert ist. Sie betonte: »In Bezug auf dieses Thema muss der Arbeitgeber besonders sensibel agieren. Aufgrund der Fürsorgepflicht ist er verpflichtet, sofort zu handeln, sobald eine Diskriminierung innerhalb des Unternehmens auftritt.«
In Bezug auf das Arbeitsrecht und die politische Korrektheit wurde auch die Notwendigkeit von Schulungen und Bewusstseinsbildung hervorgehoben. Unternehmen können so sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter die Richtlinien und Standards kennen und einhalten, die einen respektvollen Umgang am Arbeitsplatz fördern.

Soziologische Perspektive

Die soziologische Perspektive auf politische Korrektheit eröffnete eine reichhaltige Diskussion über die Auswirkungen von Diskriminierung und Vorurteilen auf die Gesellschaft und die Arbeitswelt.
Kenan Güngör erläuterte, dass die Gesellschaft im Laufe der Zeit empfindsamer geworden ist. Daraus resultieren »Randthemen«, die dank der verstärkten Reichweite durch soziale Medien zu wesentlichen gesellschaftlichen Fragestellungen aufgestiegen sind. Er betonte dabei die positiven Aspekte dieser Entwicklung und dass jeder in der Gesellschaft davon profitiert.
Güngör äußerte: »Je empfindsamer eine Gesellschaft wird, desto intensiver wird der Diskurs und auch der Konflikt.« Er führte weiter aus, dass viele Menschen beispielsweise in Bezug auf gendergerechte Sprache keine anderen Meinungen als ihre eigene akzeptieren, obwohl sie möglicherweise dasselbe Ziel verfolgen. Es wird gestritten, obwohl man eigentlich der gleichen Meinung ist.

Die Rolle der Sprache

Die Veranstaltung bot auch einen tiefgehenden Einblick in die Bedeutung der Sprache für die politische Korrektheit. Sprache formt unser Denken und unsere Wahrnehmung der Welt. Daher kann die Förderung einer politisch korrekten Sprache dazu beitragen, Diskriminierung und Vorurteile abzubauen.

Die Diskurse haben sich entscheidend verlagert. Einst waren diese Themenfelder den Medien und Journalisten vorbehalten, doch nun hat der virtuelle Raum der sozialen Medien, die Bühne übernommen. Hier hat jeder die Möglichkeit, sich einzubringen, eine Freiheit, die sowohl bereichert als auch ihre Schattenseiten offenbart. Inmitten dieser grenzenlosen Konversationen mangelt es vielen an der erforderlichen Sachkenntnis, was oft zu Unstimmigkeiten und der Verbreitung von Falschinformationen führt. Die Kontrolle über diese Diskussionen ist kaum mehr möglich, eine Herausforderung der modernen Informationsgesellschaft.

Pamela Rath hebt hervor, dass wir uns als Gesellschaft in einer Phase der Neuorientierung befinden. Dabei definieren wir gegenwärtig, wie wir in den kommenden Jahren die Herausforderungen der digitalen Kommunikation, einschließlich der Nutzung gendergerechter Sprache, angehen werden. In diesem dynamischen Feld gibt es zurzeit diverse Ansätze, doch keiner hat sich bisher eindeutig durchgesetzt.

Pamela Rath bietet eine pointierte Sichtweise auf die Bedeutung des Humors in unseren gegenwärtigen Debatten. Sie argumentiert, dass es bedauerlich wäre, wenn inmitten dieser Diskussionen kein Raum mehr für Humor und Satire bliebe. Ihrer Meinung nach impliziert Humor immer ein »lustvolles Herabsetzen« des anderen und eine zu strenge politische Korrektheit würde demnach alle Witze verbieten. Es ist die Absicht hinter einem Witz, die oft übersehen wird.
Für alle Diskutanten ist Humor dann am stärksten, wenn er Freiheit hat, denn in dieser Freiheit verbindet er Menschen. Unter diesem Leitbild stellt Ronny Hollenstein die Frage: »Darf man einen Blondinenwitz machen« und beantwortet sie auf kühne Weise mit »Nur wenn er gut ist«. Diese Aussage betont die Notwendigkeit, den Kontext und die Qualität des Humors zu berücksichtigen, anstatt ihn pauschal zu verdammen oder zu zensieren.

Die Experten appellieren abschließend, dass wir lernen müssen, die Vielfalt der Meinungen zu akzeptieren und auszuhalten. Sie betonen die Ambivalenz der Welt: Es können mehrere Meinungen gleichzeitig richtig sein. Statt sich starr auf der eigenen Überzeugung zu verankern und diese zu verteidigen, wäre es produktiver, Fragen zu stellen, wie beispielsweise: »Wie kommst du darauf, dass die Schreibweise mit dem Binnen-I die beste ist?« Durch diesen Ansatz kann eine Wertschätzung unterschiedlicher Standpunkte entstehen und es kann sich im besten Fall eine konstruktive und respektvolle Diskussion entwickeln. Letztendlich geht es darum, den Dialog zu fördern und die Bandbreite unserer kollektiven Gedanken und Erfahrungen zu würdigen.

Ronny Hollenstein beendet die lebhafte Diskussionsrunde mit den Worten: »Lasst uns in Zukunft so lange diskutieren, bis wir unterschiedlicher Meinung bleiben dürfen.«

 

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