Wann sind Speaker für Zuhörer relevant? Wer ist verantwortlich, dass die Teilnehmer zuhören? Und was eine Keynote wirlich kann, darüber sinniert Gregor Fauma.
Ich habe so ein Lieblingsthema. Das hat mit Gender gerechter Ansprache zu tun. Also damit, dass ein »Sehr geehrte Damen und Herren« nicht mehr reicht, und dass Menschen es lautstark kundtun, wenn sie sich durch eine Anrede, wie zum Beispiel »Liebe Kollegen« nicht angesprochen fühlen. Einerseits gebe ich ihnen recht – ich finde es schön und höflich zugleich, möglichst umfassend Menschen anzusprechen. Andererseits ist es auch kleingeistig und pingelig, wenn man als Empfänger weiß, dass man mitgemeint ist, trotzdem entsprechend in den Widerstand zu gehen. Bei Kindern würde man es als trotzig bezeichnen. Es geht um Hol- und Bringschuld. Ich Naivling gehe ja davon aus, dass Menschen, mit denen ich kommuniziere, mich verstehen wollen und entsprechend wohlwollend gegenüber meiner Sprache sind. Mit anderen Worten: Die wollen mich verstehen, selbst wenn ich es ihnen schwer mache. Sender und Empfänger sind beide in der Verantwortung, wenn Kommunikation gelingen soll. Nicht nur die Sender, bitteschön!
Und so sehe ich es auch bei Keynotes. Speaker stehen für gewisse Inhalte und Formate. Speaker haben sich überlegt, mit welchen Themen sie am Markt erfolgreich sein könnten und spezialisieren sich entsprechend darauf. Es gibt Keynotes, die sind direkt Business relevant: »Wie sieht perfekter Kundenservice aus« von Mary Schinnerl, oder »Power selling« von Sylvia Agha-Schantl. Es gibt ebenso Keynotes, deren Inhalte keine sofortige Umsetzbarkeit mitbringen, aber über die Bande gespielt einen nachhaltigen Mehrwert generieren. Hier liest man dann von »Inspiration« oder »neuen Sichtweisen« und ähnlichem. Da kann es um die Implementierung von Humor im Business gehen (Roman Szeliga, Otmar Kastner), um ein anderes, die Zukunft tragendes Menschenbild (Bettina Ludwig) oder um eine etwas gegen den Strich gebürstete Sichtweise auf die Künstliche Intelligenz durch einen Evolutionsbiologen, bzw. dessen Analyse des täglichen Verhaltens des Homo mitarbeiteri in seinem natürlich Habitat, dem Arbeitsplatz (Name der Redaktion bekannt). Die Auswahl treffen die Kunden, die Einkäufer. Sonst niemand. Die Speaker liefern in Folge, was sie zu liefern haben. Die Inhalte stehen.
Wie relevant die Inhalte für das Publikum sind, ist eigentlich nicht mehr Sache des Speakers. Das muss im Vorfeld abgeklärt werden. Sehr wohl Sache des Speakers ist es, die Form der Inhalte dem Rahmen entsprechend anzupassen. Meine Keynotes rund um die KI bzw. das Verhalten der Menschen werden in erster Linie gebucht, weil ich zusätzlich zu klugen Inhalten aus den Wissenschaften viel Energie und Humor auf die Bühne bringe. Ich verspreche keine Umsatzsteigerungen – bringe aber die Zuhörer dazu, über sich nachzudenken und das eigene Verhalten einmal aus einer anderen Sicht zu betrachten. Das kann Veränderung bedeuten, muss es aber nicht.
Was die Keynote kann, und deswegen wird sie gebucht, ist ein lauter, kräftiger Auftakt für einen langen Event. Und sie wird fast immer als kluger, lustiger Abschluss eines oft mehrtägigen Events gebucht, bei dem es zuvor sehr inhaltsintensiv und trocken zugegangen ist. Ist meine Keynote Business-relevant? Das entscheidet das Business. Ich habe es in der Hand, an der Schraube »Intensität« zu drehen, am Ausmaß des Humors. Und ich kann ein paar unterschiedliche Inhaltsmodule zum Überthema anbieten, wie die Anwendung in Recruiting, Leadership oder Change. Aber die Entscheidung, ob ich inhaltlich passe, die müssen die Kunden fällen. Es läuft nach den Grundprinzipien der Evolution: Wir Speaker bieten durch Mutationen ständig neue Inhalte und Formate, die Einkäufer entsprechen den Selektionsmechanismen der Umwelt und wer in diesem Spiel erfolgreich ist, wer »the most fitting keynote« anbietet, wird sich mittelfristig am Markt durchsetzen.
Quod erat demonstrandum.