Damit es gemeinsam besser geht
Teamarbeit ist zu einem Modebegriff in der modernen Unternehmenswelt geworden. Kaum ein Führungsseminar, dass sich nicht auch mit den gruppendynamischen Themen eines Teams auseinandersetzt. Wann Teamtrainings funktionieren und wann nicht, lesen Sie hier.
Immer wieder, heute wie vor 20 Jahren, wird scherzhaft erklärt, was in Wahrheit die Abkürzung »Team« bedeutet: »Toll, ein anderer macht’s«, oder »Täglich einen anderen mobben«. Was allerdings den Siegeszug von Teamarbeit und Teamtrainings nicht aufhält. Teamtrainings, Teammeetings, Teamlunch, Teamausflüge und vor allem Teamarbeit stehen an der Tagesordnung. Ein Unternehmen, das auf Teamleistung setzt, gilt als modern und effizient. »Wie teamfähig sind Sie?« ist eine gern gestellte Frage in Bewerbungsgesprächen. Wer darauf eine gut argumentierbare und positive Antwort weiß, wird bevorzugt eingestellt.
Führungskräfte werden mitunter als Moderatoren des Team-Prozesses gesehen, das post-heroische Zeitalter ist angebrochen. Das ist demokratisch wünschenswert und wertet die einzelnen Mitarbeiter auf. Wie so oft bei trendigen Trends entsteht eine unrealistische und übertriebene Hoffnung, dass das demokratisch Wünschenswerte auch in der Realität immer die besten Ergebnisse bringt. Es nährt die Illusion, dass die Gruppe zwangsläufig effizienter ist. Doch wer sich die Forschung dazu ansieht, der stellt fest: So einfach ist es nicht. Teamarbeit hat auch klare Nachteile: Es ist ein Zeitfresser, es stärkt den Herdentrieb und es bedeutet eben nicht immer das beste Ergebnis. Selbst bei Zugtieren, also z.B. bei Pferden oder Kühen, die einen Anhänger ziehen, haben Forscher herausgefunden, dass zwei Tiere weniger Leistung bringen, als jedes Tier einzeln leisten könnte.
Und Gleiches gilt auch beim Menschen. Bei einem Tauzieh-Experiment wurde die Zugkraft von Einzelpersonen gemessen und danach von Teams. Das Ergebnis war eindeutig: Die Gruppe hat weniger stark gezogen, als die Summe der zuvor gemessenen Einzelleistungen. Das Experiment zeigt, dass in der Gruppe jeder Einzelne weniger leistet, als er alleine leisten würde. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als soziales Faulenzen bezeichnet. Sobald die eigene Leistung nicht explizit erkennbar ist, leisten Menschen weniger. Teams bringen also nicht immer das effizienteste und eben auch nicht zwangsläufig das kreativste Ergebnis.
Um ein Team auf Vordermann zu bringen, gibt es Teamtrainings. Denn eines ist allen klar: Je besser ein Team zusammengestellt ist, je besser die Stimmung im Team und je klarer die Rollenverteilung, umso besser für die tägliche Arbeit. Ein Teamtraining ergibt jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen Sinn, schnell kann es sich als unnötig oder gar kontraproduktiv erweisen.
Harald Jauschnig (Berater bei MUT Consulting): erklärt den Sinn von Teamtrainings: »Wenn Arbeitsgruppen bzw. -teams zusammengelegt oder getrennt werden, dann tauchen neue Themen auf. Z.B. die Art und Häufigkeit der Kommunikation, wohin Informationen abgelegt werden sollen, wann E-Mails ein probates Mittel sind, um Informationen zu streuen oder wann sich integrierte Lösungen (Enterprise Wikis) besser eignen. Um Erwartungen (Leistung, Verhalten etc.) auszutauschen, Ziele zu formulieren, Ressourcen und den Umgang mit Konflikten zu klären, den Kunden wieder in den Fokus zu rücken oder die Neuausrichtung der Gesamtorganisation zu unterstützen, sind Teamtrainings sinnvoll. Oft eignen sich Teamtrainings, um eine Standortanalyse zu machen, wie geht es uns miteinander und was wäre denn wieder einmal zu feiern? Aber auch im Zusammenhang mit wechselnder Projektarbeit und wechselnden Teams sind Teamtrainings sehr hilfreich.«
Nutzlos erweist sich ein Teamtraining dann, wenn Konflikte zwischen den einzelnen Parteien in ein Teamtraining »hineingetragen« werden, oder wenn die einzelnen Mitglieder keine Verantwortung übernehmen dürfen oder das Team überhaupt keinen Einflussbereich hat, weil es zu starre Vorgaben gibt.
Harald Jauschnig weiter: »Teamtrainings ohne beteiligter Hierarchie sind nutzlos, weil nichts entschieden werden kann. Teamtrainings eignen sich auch nicht, wenn ein Strategie- oder Veränderungsprozess geplant ist, der die Gesamtorganisation betrifft. Dann eignen sich kombinierte Veranstaltungsformate wie Großgruppen-, Steuergruppen-, Teamveranstaltungen und Trainings besser.«
Bernhard Widhalm (Gründer und Geschäftsführer bei transform) ist überzeugt, dass heutzutage Kooperationen zunehmend mehrdimensional ablaufen. »Ob in der Linie, in unterschiedlichen Projekten, in Prozessen und auch mit externen Lieferanten. Klar ist: Wer sich seiner Rolle und seiner Fähigkeiten im Team bewusst ist, kann den erwarteten Beitrag besser erfüllen. Sinnvoll sind Teamtrainings, wenn allen die Zielsetzung/der Auftrag im Team klar ist. Häufig erlebe ich, dass Ziele und Rollen unsauber vereinbart sind. Dann sind Trainingsmaßnahmen schnell nutzlos.«
Sobald ein Training einen Wettbewerbscharakter zeigt, kann es gefährlich werden, denn die Stimmung zwischen zwei oder mehreren Teams kann sich rapide verschlechtern.
Harald Jauschnig sagt dazu: »Ein Teambuilding darf keineswegs zu einer Wettbewerbsveranstaltung gegenüber nicht anwesenden Teams oder Abteilungen werden. Das würde zwar das Zusammengehörigkeitsgefühl des Teams verstärken und die Arbeit der Trainer erleichtern, gleichzeitig würde aber das Silodenken verstärkt werden. Das wäre aus der Sicht des Unternehmens, das einem umfassenden Wettbewerb um Kunden ausgesetzt ist, keinesfalls erstrebenswert.«
Teambildungs-Prozess
Ein Teamtraining findet nur selten ausschließlich im Seminarraum statt. Häufig ist es gepaart mit Aktivitäten wie einem Hochseilgarten oder einem »Co-Trainer« wie Pferde, Wölfe oder anderen Tieren. Die zu lösenden Aufgaben sollen durch professionelle Reflexion die Rolle im Team aufzeigen und Möglichkeiten bieten, Verhaltensänderung auszuprobieren.
Manchmal geht es bei diesen Trainings auch »nur« um den Spaß. Und es macht ja wirklich Freude, gemeinsam im Team bestimmte Aufgaben zu lösen, wie z. B. das bekannte Floß zu bauen. Natürlich kann es vorkommen, dass der inhaltliche Teil zu kurz kommt.
Bernhard Widhalm: »Herausfordernde, teils auch überfordernde Aufgabenstellungen müssen immer Reflexions- und Transferzeiten beinhalten. Alle Teilnehmer müssen den Sinn bzw. den Nutzen der Aufgabenstellung in Bezug auf den Job in der Praxis schnell erkennen. Sonst mutiert ein Teamtraining schnell zum Incentive, bei dem dann wenig Entwicklung stattfindet.«
Natürlich ist es wichtig, vor einem Training mit dem Trainer im Detail zu klären, welche Übungen durchgemacht werden. Denn nicht jedes Teammitglied ist z. B. für den Nerven kitzelnden Hochseilgarten geeignet. Sobald Teilnehmer die Übung aus persönlichen Gründen verweigern, ist das für das Ergebnis des Seminars kontraproduktiv. Es soll ja genau darum gehen, als gesamtes Team gemeinsam ein Problem zu lösen.
Dies bestätigt auch Harald Jauschnig: »Ein Teamtraining darf und soll auch lustig sein. Daneben ist natürlich auch darauf zu achten, dass Aspekte der Übung im Kontext der eigenen Arbeit reflektiert werden. Eine Übung repräsentiert niemals die Arbeit selbst, aber Aspekte daraus lassen sich immer aus jeder Übung für den Arbeitsalltag ›konstruieren‹. Nicht alles ist für jeden lustig, insbesondere im Hochseilgarten oder bei Schneeschuhwanderungen ist vorweg zu klären, ob das für die Gruppe überhaupt das Richtige ist.«
Und Harald Jauschnig ergänzt: »Grundsätzlich gilt in jedem Seminar das Prinzip der Freiwilligkeit. Wenn man alleine trainiert, kann das ein Teamtraining sicher ›irritieren‹, man muss dann eine Gelegenheit finden, am besten alleine mit der Person, um die Hintergründe des Verhaltens zu ergründen und die Umstände zu klären, unter denen eine Person noch gerade bereit, ist mitzutun. Unsere Team- und Outdoortrainings werden daher ausschließlich mit zwei Trainern durchgeführt. So kann sich der zweite Trainer um einen Teilnehmer kümmern, der nicht mitmachen möchte. Das hat den Vorteil, dass der Teamprozess deutlich weniger gestört wird. Meine Erfahrung ist, dass Menschen nicht grundsätzlich gegen Teamtrainings sind, es aber gute Gründe gibt, warum sie nicht gleich begeistert sind. Die Umstände des Verhaltens sollte die jeweilige Person, sofern ihr das sinnvoll erscheint, den anderen Teilnehmern noch während der Veranstaltung mitteilen.«
Aber es ist eben trotzdem sinnvoll, vorher genau zu wissen, welche Übungen am Programm stehen, um niemanden bloß zu stellen oder zu überfordern. Auch weitere Schritte sind im Vorfeld abzuklären und können den späteren Output eines Seminars stark erhöhen.
Transfer in die Praxis
Damit ein Teamtraining nachhaltigen Erfolg und eine bessere Leistung des Teams erzeugt, sind verschiedene Maßnahmen fördernd. Sowohl vor dem Präsenzseminar als auch in der Nacharbeit.
Bernhard Widhalm: »Vor einem Seminar steht eine genaue Analyse der aktuellen Situation, samt Zielsetzung und Rollenbeschreibung der Teilnehmer im Mittelpunkt. Einzel- und Gruppeninterviews machen die Interventionsmöglichkeiten deutlich. Für das Training selbst gilt: lieber kürzer, dafür aber mehrstufig. So können in den Zwischenzeiten Maßnahmen ausprobiert und auf Praxistauglichkeit überprüft werden. Um den Transfer nach dem Training zu stärken, sind klare, verbindliche Ziele Voraussetzung für den Entwicklungserfolg.«
Harald Jauschnig: »Ideal wäre es, die Themen im Vorfeld zu erheben und frühzeitig Partizipation zu ermöglichen. Das könnte in einem kurzen Kick-off geschehen oder im Zuge von Interviews (die Teilnehmer sollten davor informiert werden, damit sie sich vorbereiten können, denn dann kann man wesentlich detaillierter arbeiten). Vereinbarungen, die während des Teamevents getroffen wurden, sollten im Nachgang (Follow-up) gemeinsam überprüft und Unterstützungsbedarf eruiert werden. Und wenn es sinnvoll erscheint, sollte man Punkte oder Themen adaptieren.«
Sinnvolle Aktivitäten
Die Liste möglicher Aktivitäten für ein Teamtraining ist schier endlos. Häufig angewandt werden:
- Teamkochen
- Hochseilgarten
- Floßbau
- Geocaching
- Segway- oder Quad Challenges
- Room-Escape-Spiele
- Musikstücke komponieren
- Teamtrainings mit Pferden/Schafen/Wölfen
- den eigenen Seminarraum bauen
- uvm.
Nicht alles ist immer sinnvoll für das jeweilige Team oder für das jeweilige Unternehmen.
Harald Jauschnig: »In erster Linie sind Übungen sinnvoll, die für die ›richtige‹ Kommunikation sensibilisieren. Es ergibt keinen Sinn, Teilnehmer an ihre physische Leistungsgrenze, einem Work-out gleich, zu führen, um daraus Parallelen zum Alltag abzuleiten. Überforderung und Erschöpfung sind keinesfalls geeignet, um ein High-Performance-Team zu formen. Die bekannten Übungen Lava Lake Retrieval oder Acid River sind, was die Kommunikation und Zusammenarbeit anbelangt, kognitiv sehr herausfordernde Aufgaben – die jedoch bei präziser Aufarbeitung eine hervorragende Initialzündung für eine bessere Teamperformance sein können.«
Bernhard Widhalm: »Um Themen, Verhaltensmuster und Interaktionen in Bewegung zu bringen, eignet sich Bewegung mit und in der Natur immer. Je merkwürdiger, umso lieber. Aber wie gesagt: Das Warum muss allen klar sein. So kommt noch schneller Bewegung in die Sache.«
Fazit
Ein eingespieltes Team arbeitet effizienter als wahllos zusammengewürfelte Mitarbeiter. Um aus einer Gruppe ein Team zu machen, eignen sich gute Trainings nach wie vor. Damit diese Trainings auch ihre Wirkung zeigen und niemanden überfordern, sollte vorab mit dem Trainer klar besprochen werden, welche Ziele definiert sind und welche Übungen eingesetzt werden (können).