Trainer im Krisenmodus

Gastautor Andreas Buhr sieht in der Krise einen Charaktertest und einen Katalysator des Fortschritts. Er gibt 11 Tipps, um als Trainer voranzukommen.

Die Zeit nach Corona, sie wird eine andere sein: Die digitale Zurückhaltung wird ein Ende haben. Das Virus wirkt hier wie ein Beschleuniger für den – nicht nur digitalen – Fortschritt. Bis die »neue Normalität« normal wird, stehen wir alle vor extremen Herausforderungen. Und für deren Bewältigung gibt es keine Vorlage. Nichts, was wir bisher an Krisen in den letzten 75 Jahren gemeistert haben, ist mit dem vergleichbar, was wir derzeit erleben: die ­VUKA-Welt in Reinkultur nämlich.

Auftrag zur Zukunftsgestaltung

Die Wahl allerdings, die wir angesichts der Krise jetzt haben, ist die gleiche, wie bei jeder Herausforderung: Wollen wir diese Situation als Hindernis sehen? Oder entscheiden wir uns vielmehr dafür, die Situation aktiv anzunehmen? Wählen wir Letzteres, können wir uns darauf fokussieren, was jetzt wirklich zählt. Etwa auf die Verantwortung, die wir haben: für Kunden, für Teilnehmer von Veranstaltungen, für Mitarbeiter, für Stakeholder. Diese Verantwortung sollten wir als Unternehmer, als Trainer, als Speaker uns mehr denn je bewusst machen – und als Vorbilder vorangehen. Nur, wie können wir zum Gestalter werden und zukunftsorientiert arbeiten, wenn wir mit Angst und Unsicherheit kämpfen? Ich persönlich habe dafür mit meinem Team elf Schritte formuliert, die sich für uns als hilfreich erwiesen haben.

Das Geschäft am Laufen halten

Schritt 1: Finanziellen Überblick verschaffen. Welche Aufträge sind unterschrieben, welche Einnahmen stehen fest? Wie viele Angebote sind schon verschickt, und wie wahrscheinlich ist es, dass sie noch angenommen werden? Welche offenen Posten müssen reingeholt werden? Wie hoch sind die Rücklagen? Ein solch umfassender und realistischer Blick auf den Ist-Zustand ist die Bedingung dafür, Handlungsstrategien ableiten zu können. Aber auch fürs blanke Überleben. Denn offen gesagt: Wir sind (als Trainer) oft die Ersten, die Einsparungen von unseren Kunden zu spüren bekommen. Wir sind oft die Letzten, die wieder an Bord geholt werden. Es sollte anders sein, ist es aber nicht.

Schritt 2: Finanzen überblicken. Es ist ein unangenehmes Gefühl, den Staat um Unterstützung zu bitten. Doch jetzt könnte der Zeitpunkt für uns gekommen sein, den Stolz über Bord zu werfen und die staatlichen Förderungen zu beantragen. Steuerberater helfen dabei, die Steuerzahlungen zu reduzieren, oder aktuelle Vorauszahlungen komplett auf null zu setzen. Auch ein enger Kontakt zur Hausbank kann helfen, wenn ein Kredit Sinn macht. Nebenbei haben wir versucht, wo möglich, Kosten zu reduzieren: Mieten, Kredite, Leasing, Gehälter – alles kam auf den Prüfstand. Orientierung bietet dabei ein Worst-Case-Szenario, an dem wir das eigene Handeln mittelfristig und konsequent ausrichten.

Schritt 3: Kundenkontakt suchen: Vollkommen klar ist, dass weiterhin eigene Umsätze aus Trainings generiert werden. Deshalb ist geboten, sich mit Blick auf die Kunden zu fragen: Welchen Nutzen stiften wir jetzt? Zum einen gilt es dann, den Kontakt zu den Stammkunden zu intensivieren. Dabei helfen »Kuschel-Calls«: zuhören und verstehen, welche Herausforderungen bei den Auftraggebenden oben auf der Agenda stehen. Habe ich passende Zusatzleistungen? Coaching? Beratung? Was kann oder muss jetzt konkret (online) geliefert werden? Gleichzeitig nehmen wir Kontakt zu unseren schlafenden Kunden auf. Das kann neue Erkenntnisse bringen: Vielleicht ergeben sich ja Potenziale in Bereichen, die zuvor für diese Kontakte nicht relevant waren?

Schritt 4: In Vorleistung gehen: Wer es möglich machen kann, könnte jetzt auf die aktuelle Situation zugeschnittene, zeitlich befristete zusätzliche, Dienstleistungen anbieten, Gutscheine ausstellen oder sich für besondere Preise für diese Corona-Zeit entscheiden. So kann er einen Mehrwert bieten, den Kunden genau jetzt brauchen und wird damit garantiert in guter Erinnerung bleiben. Wer jetzt da und für Kunden präsent ist, wer sich proaktiv zeigt, der punktet.

Schritt 5: In den Außenauftritt investieren: Um gerade in der Krise Flagge zu zeigen, haben wir uns entschlossen, auch weiterhin in Marketing zu investieren. Der Quartalsbeginn, Pfingsten, Sommerbeginn oder auch branchenübliche Anlässe können ein Aufhänger für Aktionen sein, um die Zielgruppe anzusprechen. Zum einen schaffen wir damit fast schon ein Gefühl von Normalität im Chaos. Zum anderen ist es jetzt einfach, mit besonderen Aktionen aufzufallen. Wir schreiben jetzt z.B. Postkarten. Es lohnt sich aber auch, die Online-Strategie zu überholen.

Schritt 6: Intern aufräumen: Als gute Unternehmer nutzen wir diese Zeit, um Prozesse zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu strukturieren: Sind unsere Themen als Trainingsanbieter noch aktuell? Fehlt etwas? Wie bereiten wir uns professionell auf die Anforderungen unserer Kunden vor? Wie aktuell ist die Website? Wie gut ist unsere Social-Media-Strategie, unsere Suchmaschinen-Optimierung, unser Content Marketing? Die Gelegenheit ist außerdem gut, um als Trainer selbst dazu zu lernen.

Schritt 7: Geschäftsmodell überdenken: Auch wenn sich die Welt wieder normalisiert, wird sich am Markt vieles geändert haben. Die Arbeit wird digitaler bleiben. Darin liegt eine Chance, der Konkurrenz voraus zu sein. Statt darauf zu warten, dass wir zum Status quo zurückkehren, ist es sinnvoll, die eigene Produktpalette aus Kundensicht zu betrachten: Was lässt sich digital oder hybrid abbilden? Wie können wir einen echten Mehrwert für solche Kunden schaffen, die die Corona-Zeit als Weckruf dafür verstanden haben, dass sie digitaler werden müssen, um bestehen zu können?

Schritt 8: Mit alten Routinen brechen: Wer bisher skeptisch gegenüber Tools wie Microsoft Teams oder Zoom war, erlebt gerade, wie sich solche Haltungen beinahe über Nacht ändern. Ein ähnliches Umdenken hilft vielleicht auch, den Workflow zu optimieren oder alte Strukturen zu überwinden. Die jetzige Situation bietet uns die Gelegenheit dazu.

Schritt 9: Kraftquellen finden und Wertschätzung verteilen: Die Isolation und der Druck, der momentan auf uns allen liegt, können schnell zu einem Gefühl der Frustration führen. Deshalb ist es für jeden und jede wichtig, sich auf das zu fokussieren, was ihm oder ihr Kraft bringt, was hilft, wirksam zu bleiben. Eine gute Methode dazu ist das Resultatsjournal: In einem wöchentlichen Termin mit einem selbst wird eine Stunde reserviert, in der man für sich folgende Fragen beantwortet: Was ist in der vergangenen Woche gut gelaufen? Was hätte besser laufen können? Wie? Dieses »good, better, how«-Prinzip hat sich bewährt. Es hilft, sich selbst treu zu bleiben und weiter dazuzulernen.

Schritt 10: Eine Vision entwickeln: Wir müssen uns auf die Welt nach der Krise vorbereiten. Wie soll unser Unternehmen aufgestellt sein, welche Trainings helfen konkret? Wie können wir dazu beitragen, das Bewusstsein unserer Kunden zu schärfen und zu besseren Ergebnissen beitragen? Wie können wir uns selbst und unser Team in Zukunft führen? Welche Maßnahmen wollen wir dann ergreifen, um Kunden heute – und morgen – auf uns aufmerksam zu machen? Gefragt ist eine Vision, auf die wir mit unserem Team hinarbeiten können.

Schritt 11: Im Austausch wachsen: Der Austausch mit Gleichgesinnten, genauso wie auch mit Unternehmern auf Augenhöhe, kann eine gute Quelle für Inspiration sein. Ich erlebe aktuell in digitalen Mastermind-Gruppen per Zoom-Calls jede Woche erneut, wie wichtig das ist. Wer kooperiert und in Kontakt mit anderen bleibt, wird regelmäßig neue Ideen entwickeln. Und wer als Trainer oder Speaker sein eigenes »Produkt« ist, für den ist das eine wichtige Bedingung, um dauerhaft erfolgreich zu sein.

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Buhr

Gastautor
Andreas Buhr
ist Unternehmer, Trainer, Speaker und Autor mehrerer Bestseller.
www.buhr-team.com