Egal für welches Problem in Unternehmen – die Lösung lautet sehr schnell einfach nur »Training«. Ob das immer klug ist, lesen Sie in diesem Artikel.
Wenn wir vor organisationalen Herausforderungen stehen, ist Training schnell als Lösung im Gespräch: Die Mitarbeiter sind laut Mitarbeiter-Befragung mit ihren Führungskräften unzufrieden – die Lösung: ein Führungstraining. Immer mehr Burn-out-Fälle im Unternehmen – die Lösung: ein Training zur Stressbewältigung. Die Umsatzzahlen sinken – die Lösung: ein Verkaufstraining.
Solche Trainings können funktionieren und die angestrebten Ergebnisse hervorbringen. Es ist jedoch ebenso wahrscheinlich, dass sie überhaupt keine Wirkung haben. In vielen Fällen verpuffen Trainingsinvestitionen wirkungslos. Die Evaluierungsstudien des renommierten Transferforschers Robert Brinkerhoff zeigen, dass nur ca. 15 % das Erlernte nachhaltig im Arbeitsalltag anwenden. Der Grund für diese geringe Nachhaltigkeit ist häufig nicht die Qualität des Trainings, sondern vielmehr, dass Training nicht die geeignete Lösung für das bestehende organisationale Problem ist.
Trainings als schnelle Lösung?
Hier eine Auswahl an möglichen Argumenten, warum so schnell ein Training als Methode ausgewählt wird:
- Trainings sind eine etablierte, bekannte Intervention, die im Vergleich zu anderen Interventionen (OE-Projekte, Kulturentwicklungsprojekte, Restrukturierungen etc.) aufgrund ihrer gängigen Routinen auf weniger Widerstand stoßen.
- Trainings sind zeitlich absehbar und gut planbar (implizite Erwartung: das Training dauert 2 Tage, dann ist das organisationale Problem gelöst).
- Trainings haben eine starke Lobby (Trainer, Berufsverbände, Literatur, die Personalentwicklungsabteilung); Die Durchführung von Trainings liegt im persönlichen Interesse vieler Beteiligter.
- Trainings sind institutionalisiert. Es wird von modernen Unternehmen erwartet, dass sie Trainings anbieten. Ein großes Unternehmen, das keine Trainings durchführt, wird als »veraltet« und »nicht up to date« wahrgenommen. Wichtig dabei ist, dass das Unternehmen Trainings anbietet, während ihre Wirksamkeit nicht immer entscheidend ist. Das zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass viele Unternehmen zwar die Quantität ihrer Trainingsangebote in Form von Kennzahlen messen und kommunizieren (Anzahl der Trainings, Trainingstage pro Mitarbeiter, etc.), nicht aber deren Wirksamkeit.
- Trainings werden von dem übergeordneten Glauben und der Überzeugung an »Bildung« gestützt. »Bildung« wird gesamtgesellschaftlich als gut, richtig und wirksam erachtet, und das gilt auch für die kleine innerbetriebliche Schwester – der betrieblichen Weiterbildung. Das zeigt sich auch daran, dass sich die betriebliche Weiterbildung Begriffe und Elemente der Bildung bedient wie etwa Zertifikate, akademische Abschlüsse nach Trainings, Curricula, Faculty, Trainer mit wissenschaftlichem Hintergrund etc.
Trainings als richtige Lösung!
Wann sind aber nun Trainings die richtige und geeignete Lösung? Um hierauf eine Antwort zu finden, hilft uns ein bekanntes und sehr einprägsames Modell des renommierten Organisations- und Wirtschaftspsychologen Lutz von Rosenstiel. Er stellte die Frage, wovon das Verhalten von Individuen in Organisationen abhängt. Also auch jenes Verhalten, das wir durch Training erreichen bzw. verändern wollen. Rosenstiel hat vier Bedingungen identifiziert:
- das persönliche Wollen (»Will ich mich so verhalten?«)
- das individuelle Können (»Habe ich die nötigen Fähigkeiten?«)
- das soziale Dürfen (»Ist das Verhalten sozial erlaubt und erwünscht?«)
- die situative Ermöglichung (»Ist es möglich, so zu handeln?«)
Der primäre Hebel, den Trainings bedienen, ist das individuelle Können. Mithilfe von Trainings werden Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten gesteigert bzw. weiterentwickelt. Um aber tatsächliche und nachhaltige Verhaltensänderung zu erwirken, gibt es noch drei weitere entscheidende Bedingungen: Die Teilnehmenden müssen ihr Verhalten verändern wollen und das neue Verhalten muss sozial erlaubt und situational möglich sein.
Spielen wir das anhand des Beispieles »Vertriebstraining« durch: Wegen rückläufiger Umsatzzahlen schickt ein Unternehmen seine Verkaufsmannschaft in ein Training, um dort neue Verkaufstechniken zu lernen – also ihr individuelles Können zu verbessern. Vielleicht aber werden sie diese neuen Techniken nie einsetzen können, weil ein Mitbewerber mit einer besseren Technologie in den Markt eingetreten ist, mit der das Produkt unserer Verkäufer in keiner Weise mithalten kann. Da helfen die besten Verkaufstechniken und das beste Training nichts. Nicht das fehlende individuelle Können, sondern die hemmenden externen Faktoren (situative Ermöglichung) sind der Grund dafür, dass erfolgreiches Verkaufen nicht (mehr) funktioniert.
Ein weiteres Beispiel: Was ist mit der schlecht ausgefallenen Beurteilung der Führungskräfte? Kann hier ein Training helfen? Wieder müssen wir uns die Frage stellen: Liegt es am Können? Oder hat die schlechte Beurteilung vielleicht ganz andere Gründe? (Zum Beispiel eine Geschäftsführung, die von den Führungskräften verlangt, viel zu hohe Ziele bei ihren Mitarbeitern durchzupeitschen, oder eine kollektivvertragliche Verschlechterung der Gehälter.) Wenn die Führungskräfte in einem Training nun lernen würden, statt rein autoritär doch besser situativ zu führen, wäre dieser »neue« Führungsstil im Unternehmen überhaupt erlaubt und gewünscht? Und würde dies tatsächlich zu besseren Ergebnissen bei der nächsten Führungskräftebeurteilung führen?
Um zu entscheiden, ob Training die richtige Intervention ist, stellen Sie die »Können-Frage«: Besteht das Problem primär, weil es den Betroffenen an Können mangelt? Wenn Sie diese Frage mit nein beantworten, scheidet ein klassisches Training als Problemlösungsintervention aus.
Trainings als Teil einer Lösung
In der Praxis ist die Antwort auf die »Können-Frage« oft komplexer. Nur selten ist das Können die alleinige Ursache für organisationale Probleme und Herausforderungen. Wenn Können nur ein Teil des Problems ist, dann kann klassisches Training auch nur ein Teil der Lösung sein.
Eine Verhaltensänderung braucht alle vier Bedingungsfaktoren und die gilt es, möglichst schon vor dem Training herzustellen. Die Organisation muss dafür ihre Hausaufgaben machen und einen organisationalen Nährboden schaffen, damit das im Training erworbene Können auch nachhaltig als Verhalten am Arbeitsplatz etabliert wird. Wir sprechen dann von einer Verzahnung von Personal- und Organisationsentwicklung – und die wird zunehmend wichtiger.
Dabei reicht es selten, den organisationalen Nährboden in Form von »neuem« sozialem Dürfen und »neuer« situativer Ermöglichung über Worte und Broschüren zu kommunizieren. Es braucht Taten, klare Signale und Maßnahmen, die das Training flankieren – sodass der Teilnehmer erleben und daran glauben kann, dass die Organisation das neue Verhalten tatsächlich befürwortet, einfordert und ermöglicht.
Mit Maßnahmen wie diesen merkt der Mitarbeiter, dass er mit dem im Training Erlernten genau in die »neue, erwünschte Norm« in der Organisation trifft, und das ist entscheidend dafür, dass das Verhalten auch im Arbeitsalltag beibehalten wird. Erst dann wird Training ein wirksamer Teil zur Lösung organisationaler Herausforderungen.