Überwachungsrechte des Betriebsrats

Welche Rechte der Betriebsrat hat, um die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte zu überprüfen, beschreibt die Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak.

Die Tätigkeit des Betriebsrats beschränkt sich nicht bloß auf die obligatorische Zustimmung zu Kündigungen und verschlechternden Versetzungen vor deren Durchführung. Dem Betriebsrat kommen darüber hinaus zahlreiche Überwachungsrechte zu. Diese sind im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) geregelt, aber werden in Hinkunft auch am Maßstab der Datenschutz-Grundverordnung zu messen sein.

§ 89 ArbVG gesteht dem Betriebsrat in generalklauselartiger Weise ein umfassendes Recht zu, die Einhaltung der die Arbeitnehmer des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen. Dieses Recht umfasst zunächst Vorschriften des Arbeitsrechts, des Sozialrechts und des Steuerrechts. Aber auch Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten, etwa dem – durch die Datenschutz-Grundverordnung drastisch an Bedeutung zunehmenden – Datenschutzrecht, dem Gewerberecht, dem Insolvenzrecht udgl. können die Arbeitnehmer betreffen und daher Teil des Überwachungsrechts sein. Dieser Beitrag behandelt die wichtigsten Informationsrechte des Betriebsrats.

Überwachung von Lohn- und Gehaltslisten sowie Pflichtaufzeichnungen

Der Betriebsrat hat das Recht, in die vom Betrieb geführten Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer und die zur Berechnung dieser Bezüge erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen, sie zu überprüfen und die Auszahlung zu kontrollieren. Als Bezüge werden dabei sämtliche Entgelte im Sinne des weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriffs und Aufwandsentschädigungen verstanden. Umfasst ist somit alles, was ein Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeit erhält. Ob die »Bezüge« auf Gesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag beruhen, ist nicht von Bedeutung. Auch variable Entgeltbestandteile, die an den Erfolg des Arbeitnehmers (Provision) oder an den Erfolg des Unternehmens (Erfolgsbeteiligung) knüpfen, Zulagen, Zuschläge und betriebliche Pensionszusagen fallen unter den Entgeltbegriff. Der Betriebsrat kann auch Einsicht in die zur Berechnung der »Bezüge« erforderlichen Unterlagen nehmen. Dazu zählen bei Gewinnbeteiligungssystemen die Bilanz und sonstige notwendige Unterlagen oder auch Unterlagen über geleistete Überstunden, Lohn- und Gehaltslisten, Arbeitsverträge oder Provisionsabrechnungen.

Der Betriebsrat hat außerdem das Recht, Einsicht in sonstige die Arbeitnehmer betreffende betriebliche Aufzeichnungen zu nehmen, sofern es sich um Informationen handelt, hinsichtlich derer den Arbeitgeber Aufzeichnungspflichten treffen. In der Folge hat der Betriebsrat wohl kein Recht zur Einsicht in andere, vom Arbeitgeber freiwillig oder auf einzelvertraglicher Grundlage verfasster Aufzeichnungen. Betriebliche Aufzeichnungspflichten treffen den Arbeitgeber etwa betreffend die Arbeitszeit, den konsumierten Urlaub, Überstunden oder bei schwerwiegenden oder tödlichen Arbeitsunfällen.

Einsichtsrecht nur »auf Verlangen«

Aufzeichnungen müssen dem Betriebsrat jedoch nur auf dessen Verlangen vorgelegt oder ihm auf andere (technische) Art die Einsicht ermöglicht werden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ohne explizite Aufforderung Informationen über die oben genannten Inhalte zur Verfügung zu stellen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Betriebsräte den direkten elektronischen Zugriff auf das Personalverrechnungssystem verlangen. Dazu ist der Arbeitgeber gemäß höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht verpflichtet und davon ist auch aufgrund der deutlich höheren Missbrauchsgefahr abzuraten. Vor dem Hintergrund der DSG-VO ist überhaupt fraglich, ob die Gewährung eines solchen Zugangs zulässig wäre. Es reicht daher aus und sollte darauf beschränkt werden, dem Betriebsrat Ausdrucke oder Datenträger zur Verfügung zu stellen.
Das Recht auf Einsichtnahme in solche Aufzeichnungen durch den Betriebsrat kann hinsichtlich der Bezüge laut OGH zum bisherigen Datenschutzrecht nicht mit dem Hinweis auf den Datenschutz verweigert werden und ist auch nicht von der Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers abhängig. Das gilt jedoch nur für jene Mitarbeiter, die dem Arbeitnehmerbegriff nach § 36 ArbVG unterliegen (also nicht Organmitglieder oder leitende Arbeitnehmer im Sinne des ArbVG sind) und somit durch den Betriebsrat vertreten werden. Sollte der Betriebsrat Einsicht in Aufzeichnungen über Bezüge von leitenden Arbeitnehmern verlangen, kann die Einsicht verweigert werden. Der Betriebsrat ist auch nicht berechtigt, ohne Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer Einsicht in Kontoauszüge der Mitarbeiter zu nehmen.

Die Übermittlung der notwendigen Dokumente an den Betriebsrat bezieht sich aber nur auf bereits vorhandene Unterlagen. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, für den Betriebsrat die geforderten Unterlagen anzufertigen, außer er ist bereits aufgrund der ihn treffenden sonstigen Aufzeichnungspflichten dazu verpflichtet.

Einsicht in Personalakten

Sofern es sich um Angaben über die Person des Arbeitnehmers handelt, die nicht Teil der oben ausgeführten Unterlagen bzw. vom Arbeitgeber zu führenden Listen/Aufzeichnungen, sondern Inhalt des Personalaktes sind (wie insbesondere auch Bewerbungsunterlagen, Zeugnisse, Ermahnungen etc.), ist der Betriebsrat nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers zur Einsichtnahme berechtigt. Nachdem Personalakten regelmäßig mehr als bloße Aufzeichnungen enthalten, muss sich der Arbeitgeber die Zustimmung des Arbeitnehmers vor einer Einsicht des Betriebsrats in den Personalakt nachweisen lassen, um nicht selbst gegen datenschutzrechtliche Verpflichtungen zu verstoßen.

Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes

Dem Betriebsrat kommt auch – in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsinspektorat – die Überwachung der Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes zu. Dazu zählt der technische Arbeitnehmerschutz, der Arbeitszeitschutz, aber auch der Verwendungsschutz (Schutz werdender oder stillender Mütter, während der Karenz/Elternteilzeit etc).
Gibt es von Seiten des Betriebsrates Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes im Betrieb, so sind diese primär an den Betriebsinhaber zu richten. Nur bei Erfolglosigkeit einer betriebsinternen Intervention dürfen außerbetriebliche Stellen, wie Sozialversicherungsträger, Arbeitsinspektorate oder Gewerbebehörden eingeschaltet werden. Andernfalls ist darin ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des Betriebsrates zu sehen.

Recht auf Anfertigung von Kopien

Für die Überprüfung der Unterlagen ist dem Betriebsrat ausreichend Zeit und Raum zu gewähren. Es besteht aber kein Recht des Betriebsrats, Geschäftsbücher und/oder -belege an sich zu nehmen. Der Betriebsrat kann sich über die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen schriftlich Notizen machen bzw. – je nach Umfang und Inhalt der Dokumente – ist er auch zur Anfertigung von Kopien berechtigt. Handelt es sich bei den dem Betriebsrat zur Einsicht vorgelegten Unterlagen um besonders vertrauliche Dokumente, die etwa von besonderem Interesse für Konkurrenzunternehmen sind, und besteht daher ein ausgeprägtes berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers, kann die Anfertigung von Kopien ausgeschlossen werden.
Den Betriebsrat treffen Verschwiegenheitspflichten
Die Rechtsprechung interpretiert Mitbestimmungsbefugnisse des Betriebsrats regelmäßig eher weit. Im Einzelnen können die Informationsrechte aber mit anderen Rechten (z. B. Recht des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Daten) kollidieren. Die Generalklausel des § 89 ArbVG ist daher im Einzelfall stets auf ihr Übereinstimmen mit dem Gesamtsystem des ArbVG und anderen zwingenden Gesetzesbestimmungen zu überprüfen. Nach der Rechtsprechung sind die Überwachungsrechte des Betriebsrats mit den zur Erreichung des Überprüfungs- und Kontrollzwecks notwendigen Maßnahmen und insbesondere mit dem Schikaneverbot begrenzt. Der Betriebsrat hat im Rahmen des erwähnten Informations- und Einsichtsrechts Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren und darf insbesondere auch die durch das Einsichtsrecht gewonnenen Erkenntnisse und Daten über einzelne Mitarbeiter nicht an andere Mitarbeiter weitergeben. Auch eine Weiterleitung der Informationen an die Interessenvertretungen ist nur zulässig, sofern diese von der Interessenvertretungsaufgabe des Betriebsrates umfasst ist und dies in Ausübung des Beiziehungs- und Beratungsrechts durch die Interessenvertretungen geschieht. Geht sie darüber hinaus, ist in der Weitergabe von vertraulichen Informationen an die Arbeiterkammer oder die Gewerkschaft ein Verstoß gegen das Verschwiegenheitsgebot zu sehen.

Neuerungen durch die DSG-VO
Mit der am 28. Mai 2018 in Kraft tretenden DSG-VO werden die Strafen für Unternehmen im Fall eines »breach of data protection« empfindlich. Welche Daten wie geschützt werden müssen, kann im Rahmen dieses Artikels nicht näher erläutert werden. Es soll aber darauf hingewiesen werden, dass auch die Einsichtnahme in Daten durch den Betriebsrat datenschutzrechtlich zulässig sein muss, weil das ArbVG als nationales Gesetz keine der DSG-VO widersprechenden Regelungen treffen kann. Eventuell macht aber der Gesetzgeber von Art. 88 DSG-VO Gebrauch, wonach die Mitgliedstaaten für das Arbeitsverhältnis betreffende Daten spezifischere Schutzvorschriften auch in Gesetz oder »Kollektivvereinbarungen« vorsehen können. Ob und was genau hier geregelt wird, bleibt in den nächsten Monaten zu beobachten.

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Koerber-Risak

Gastautorin Katharina
Körber-Risak
ist Arbeitsrechtlerin und Partnerin der Kunz ­Schima Rechtsanwälte GmbH.
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