Warum HR und Recruiting mehr »Drive2Selling« brauchen, beschreibt Jürgen Eisserer.
Auf Island gibt es rund 100 Leuchttürme. Ein paar davon hatte ich schon besucht – mit dem Rad, wandernd oder durch Erzählungen von Einheimischen.
Und alle, mit denen ich gesprochen habe, stimmten einheitlich auf meine Frage ein, welche zwei Aufgaben ein Leuchtturm hat: Er steht für etwas, nämlich Orientierung, und er leuchtet. Im Grunde genommen genau das, was Verkaufsteams tun und Recruiter im umkämpften Arbeitnehmermarkt noch stärker für sich entdecken müssen.
Buzzwords verkaufen nicht
Wer mit Leib und Seele das repräsentiert, wofür sein Unternehmen steht und nach außen hin leuchtet, verkauft. Das ist eine ganz einfache Regel, will man meinen. Doch wie oft sehen wir Anzeigen, die nur aus langweiligen Stichpunkten und Buzzwörtern wie »Transparenz«, »Diversität«, »Fehlerkultur« bestehen? Nichts gegen diese Begriffe an sich, wirklich! Aber ein Verkäufer würde ein Produkt so nie anpreisen und abends an der Bar würden wir genauso wenig auf diese Art flirten: »Hi, ich mag deine transparente Kommunikationskultur!« Der Erfolg wäre überschaubar. Nach 20 Jobs in den letzten 25 Jahren und dutzenden Kommunikationsprojekten in diesem Bereich kann ich aber sagen: Fast jedes Leitbild, jede Stellenanzeige und nahezu jedes Gespräch werden auf diese Art aufgebaut.
Wenn Recruiter mit Geschriebenem, also E-Mails, Stellenanzeigen oder Leitbildern, besser verkaufen wollen, müssen sie in die Sprache und Lebensrealität ihrer Zielgruppe eintauchen.
Alles, was mit Buzzwörtern gepflastert ist, wird aber heute gnadenlos als Werbung und Selbstdarstellung einer Marke identifiziert. Wer sich Inspiration holen will, schaut sich beliebige Influencer und die ersten 10 bis 20 Sekunden deren Videos an. Hier wird wirklich auf Augenhöhe gesprochen. Das mag eine kommunikative Gratwanderung für Ihr Unternehmen sein, aber nur dadurch werden Bewerber wirklich neugierig gemacht.
Durch diese Sprache entsteht eine Wirkung, die, ähnlich wie ein Leuchtturm, klarer macht, wofür das Unternehmen steht. Und genau mit dem möchten sich Bewerber identifizieren – diese Orientierung suchen sie. Neudeutsch in der Sprache der GenZ: Dadurch werden sie getriggert!
Verkaufen? Nein, danke
In Gesprächen muss sich ein gutes Recruiting-Team wie ein gutes Verkaufsteam verhalten. Ein Problem, das ich häufig beobachte: Wie sollen sich Bewerber für ein Unternehmen entscheiden, wenn sich Recruiter ihr eigenes Unternehmen noch nicht einmal selbst verkauft haben? In wenigen eigenen Worten das zu beschreiben, was es für mich ausmacht, hier zu arbeiten, ist das stärkste Argument in Gesprächen. Was verbindet mich mit den Werten des Unternehmens? Welche Bedeutung hat es für mich, hier zu arbeiten? Worin kann ich einen Beitrag leisten? Kleine Fragen mit großer Wirkung.
Recruiting-Teams müssen also zuerst beginnen, sich ihre eigene Marke auf neue und andere Weise intern zu verkaufen. Nach innen wirken, dadurch nach außen hin verkaufen. Das unterscheidet wirklich erfolgreiche Verkaufs-Kommunikation von mittelmäßiger. Im wahrsten Sinn des Wortes muss dieses Leuchtfeuer in vielen Recruiting-Köpfen neu entzündet werden.
Recruiter sind die ersten Verkäufer
Denn auch der Bewerber-Markt ist ein Markt, auf dem sich Marken attraktiv und aktiv verkaufen müssen. Das Denken ist vielfach schon angekommen, die Umsetzung von Recruitern, als Verkäufer zu agieren jedoch noch viel zu wenig. Dabei suchen aktuell so viele Bewerber nach diesen Leuchttürmen am Arbeitsmarkt.