Employer Branding – die dahinter stehende Grammatik der englischen Sprache lässt es schon erkennen – ist ein Prozess. Eine gute Arbeitgebermarke will geplant und erarbeitet sein. Und das funktioniert nur in eine Richtung: von innen nach außen. Im Zentrum stehen die Mitarbeiter.
Employer Branding ist seit einigen Jahren ein wichtiges Thema für (fast) alle Unternehmen: Es wurden Akademien, Gesellschaften und Communities gegründet, am Markt gibt es Seminare, Workshops und Beratungsleistungen. Dahinter steckt, dass es genau so wichtig wie schwierig ist, die bestgeeigneten Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen. Und eine gute Arbeitgebermarke unterstützt genau dabei.
Wir haben für diesen Artikel einige Fragen zu Employer Branding an zwei Expertinnen und einen Experten aus Österreich gestellt: Monika Kail ist Expertin der Pers-Con Personal Consulting GmbH und Trainerin im Rahmen des WIFI Management Forum Seminars »Employer Branding«. Sabine Hödl ist HR-Expertin und Beraterin bei der Internal & Employer Branding Agentur Identitäter®. Jürgen Smid ist Geschäftsführer von karriere.at.
Würden Sie der Aussage zustimmen, dass die Arbeitgebermarke in Zukunft noch wichtiger wird?
Monika Kail: »Definitiv ja. Der Headcount wird immer kleiner und die optimale Besetzung daher umso wichtiger. Eine starke Arbeitgebermarke, die Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber, erleichtert einem Unternehmen die Suche nach den besten Talenten enorm. Sie ermöglicht eine nachhaltige Optimierung von Mitarbeitergewinnung und -bindung. Darüber hinaus steigert Employer Branding mittelbar das Geschäftsergebnis und den Markenwert.«
Jürgen Smid: »Eine positiv besetzte Arbeitgebermarke wird in Zukunft zum wichtigsten Faktor werden, wenn es um individuelle Jobentscheidungen geht. Eine repräsentative Studie von Marketagent.com aus dem Jahr 2015 besagt, dass drei von vier HR-Managern Employer Branding für wichtig halten. Und 93 % sind der Ansicht, dass der Aufbau und die Pflege einer positiven Arbeitgebermarke in Zukunft noch wichtiger werden wird. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Zeiten, in denen man sich für Jahrzehnte, oft sogar für ein gesamtes Berufsleben, an einen Arbeitgeber gebunden hat, sind vorbei. Arbeitnehmer sind heute einerseits mobiler als noch unsere Elterngeneration. Andererseits ist man heute gewohnt, sich alle nötigen Infos online beschaffen zu können, egal ob es um den Kauf eines Fernsehers oder um eine Hotelbuchung geht. Warum sollte man sich nicht auf die Suche nach Arbeitgeberinfos und sogar Bewertungen machen, wenn man ein interessantes Jobinserat findet?«
Sabine Hödl: »Die Bedeutung von Internal Branding wird zunehmen. Warum? Mitarbeiter wollen sinnvolle Arbeit, Unternehmen brauchen engagierte Mitarbeiter. Die ›erste Welle‹ des Employer Brandings ist am Abflauen, sie war gekennzeichnet durch Hype und Aktionitis. Es herrscht noch das ›Kampagnen-Denken‹ vor: Bilder produzieren nach außen, zum Bewerbermarkt hin. Die zweite Welle wird kommen: Employer Branding von innen beginnen, echter Dialog mit den Mitarbeitern aus dem Bezug der Marke heraus, die als Kompass auch die Strategie stärker und stärker mitbestimmen wird. Zusätzlich wird der Druck steigen, die passenden (›Cultural Fit‹) und guten Mitarbeiter zu bekommen. Stichwort: Talent Relationship/Sourcing, statt dem alten Denken: Vakanz und als Folge den Bewerbungsprozess mit einem Stelleninserat starten und warten. Insgesamt wird die interne Weiterempfehlung einen immer stärkeren Anteil haben.«
In dem Wort Arbeitgebermarke steckt mit dem Wort »Marke« ja schon die Notwendigkeit der Marktkommunikation. Folglich geht es um zwei verschiedene Dinge: das Wohlfühlen der Mitarbeiter einerseits und das Kommunizieren dieses Umstands andererseits. Was kann man als Arbeitgeber tun, um den Mitarbeitern ein Umfeld zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen? Beziehungsweise einen Arbeitsplatz, von dem sie begeistert sind? Worauf muss man da achten, was sollte man überprüfen, wie kommt man zu ersten Schritten?
Jürgen Smid: »Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Fest steht aber, dass professionelles Employer Branding nicht mit der Kommunikation nach außen beginnt. Der erste Schritt muss immer ein Blick nach innen sein und man sollte sich Fragen stellen wie zum Beispiel: Was denken meine Mitarbeiter über unser Unternehmen als Arbeitgeber? Was gefällt, was überhaupt nicht? Was grenzt uns von anderen Marktbegleitern ab? Welche Arbeitsweise pflegen wir? Danach sollte man die Außenwahrnehmung ins Blickfeld rücken und überprüfen, was die Zielgruppe – also die begehrten Wunschmitarbeiter – eigentlich mit dem vorhandenen Arbeitgeber-Image assoziiert. Erst wenn diese beiden Schritte erfolgt sind, kann man in die Umsetzung gehen und eine Strategie ausarbeiten, welche Botschaften man forcieren möchte.«
Sabine Hödl: »Mitarbeiter sind Markenbotschafter. Mitarbeiter brauchen und wollen in der Regel Klarheit über das Unternehmen – wer sind wir, wofür stehen wir (wofür nicht), was wollen wir und wie wollen wir das erreichen? Wichtig ist dabei vor allem, dass das Markenversprechen zuallererst auch innen gehalten wird, von den Führungskräften zu den Mitarbeitern. Was versprochen wird, muss auch gehalten werden. Das lernt man schon im Kindergarten, nur für die meisten ist das verdammt lange her, wenn sie erst einmal in einem Unternehmen ganz oben stehen.
Es geht darum, Mitarbeiter zu finden, die den ›Cultural Fit‹ mitbringen, also in die Kultur des Unternehmens und der Marke passen. Denn: Einstellungen lassen sich nur schwer trainieren – Fähigkeiten schon. Motivieren müssen sich die Mitarbeiter selbst, man kann nur den Rahmen bieten. ›Einpeitschen‹ funktioniert nicht. Indem sich Mitarbeiter z. B. über Erfolgsgeschichten klarmachen, dass die Markenwerte keine Erfindung am grünen Tisch sind, sondern dass diese aus der Geschichte des Unternehmens und durch Befragung der Kunden und Mitarbeiter als Kernstärken herausgearbeitet und benannt wurden, können sie wiederum ihre Erfolgsgeschichten ergänzen und ins zukünftig passende Verhalten projizieren. Der Weg dorthin: Mitarbeiter informieren, involvieren und inspirieren.«
Monika Kail: »Die wirkungsvollsten Kommunikatoren und Repräsentanten der Unternehmensmarke sind immer die Mitarbeiter. Sehr gut unterstützen kann man das Arbeitgeber-Image durch geeignete Kampagnen in Medien, auf Jobplattformen und in Social Media und nicht zuletzt durch die Firmenhomepage. Alles zusammen genommen schafft im Auge des Betrachters ein Bild der Unternehmenskultur. Das Wichtigste bei dem Ganzen ist, sich klar zu sein, welches Bild man vermitteln möchte, welche Werte im Unternehmen gelebt werden.
Mitarbeiter fühlen sich wohl, wenn sie sich in einer für sie geeigneten Unternehmenskultur wiederfinden. Das ermöglicht ihnen, sich mit ihren Fähigkeiten und Kompetenzen bestmöglich einzubringen. ›Obstkorb aufstellen‹ ist eine nette Geste aber mehr nicht. Ein gutes Weiterbildungsangebot kann schon mehr, reicht aber für sich genommen auch nicht aus. Die Einrichtung eines Betriebskindergartens kann sehr hilfreich sein, weil sie den Mitarbeitern Zeit und Sorgen sparen kann.
Mitarbeiter möchten gestalten und ihr erworbenes Wissen anwenden, sich mit einem Team austauschen. Wenn sie das leben können, wird aus 1 plus 1 mehr als 2, Ergebnisse werden erreicht, kreative Lösungen gefunden. Das Umfeld kann dafür förderlich oder hinderlich sein. Es ist eine systemische Angelegenheit. Ein Indikator für eine gute Unternehmenskultur ist eine Atmosphäre höchstmöglicher Transparenz und offener Gesprächskultur. Und nicht zuletzt sollte es eine entsprechende Fehlerkultur geben, die Fehler nicht als Schwächen, sondern als interessante Möglichkeit für Weiterentwicklung erlebt. Primär ausschlaggebend ist es folglich, die ›richtigen‹ Personalentscheidungen zu treffen. Unmittelbare Vorgesetzte sind daher in die Personalauswahl miteinzubeziehen.«
Was kann man als Unternehmen tun, um dieses Wohlfühlen oder gar die Begeisterung nach außen zu tragen?
Sabine Hödl zählt auf:
»Die Marke in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder zum Thema machen – die Marke soll Leitstern für das Handeln werden.
Interne Kommunikationsmaßnahmen: vom Markenevent, Markenworkshops bis zur Marken-Rubrik in der Mitarbeiter-Zeitung oder im Intranet. Storytelling beispielsweise eignet sich gut.
Führung: Die Marke in das Unternehmensleitbild, die Führungsleitlinien und in Führungsinstrumente konsequent integrieren (z. B. Teil des Mitarbeitergesprächs).
Personal: Ein Arbeitgeberversprechen aus der Marke heraus entwickeln und an allen Kontaktpunkten entlang des Lebenszyklus von Bewerbern und Mitarbeitern umsetzen.«
Jürgen Smid: »Die glaubwürdigsten Botschafter sind natürlich die eigenen Mitarbeiter. Erzählt beispielsweise ein Controller abends im Fußballtraining von spannenden Aufgaben, tollen Firmenevents und dem familiären Arbeitsklima im Team, so hat das unbezahlbaren Werbewert. Legt man den Fokus auch bewusst auf seine eigenen, bestehenden Mitarbeiter und deren Bedürfnisse, wird das nicht nur die Produktivität steigern, sondern automatisch für gute Außendarstellung sorgen. Natürlich spielen Benefits und eine möglichst anregende Arbeitsumgebung eine Rolle – es geht jedoch beim Thema Wohlfühlen weniger um ein Wunschkonzert für Arbeitnehmer, sondern darum, der gelebten Arbeitsweise und Teamstruktur passende Rahmenbedingungen zu geben.
Die Präsentation des eigenen Unternehmens sollte im Idealfall dort stattfinden, wo sich die Zielgruppe auch aufhält und nach Informationen sucht – also vorzugsweise online. Das beginnt natürlich damit, alle für Mitarbeiter und Bewerber relevanten Informationen auch auf der eigenen Website abzubilden (und das mobil-fähig!). Gute Möglichkeiten bieten natürlich auch Firmenprofile mit Fotos und Videos auf großen Jobportalen, die Einblicke hinter die Kulissen eines Arbeitnehmers zulassen.«
Monika Kail: »Wenn man Mitarbeiter im Außendienst und beim Kunden hat, wird die Atmosphäre ganz automatisch nach außen getragen, spürbar und messbar. Generell sind die Mitarbeiter, wie bereits erwähnt, die wichtigsten Transporteure der Unternehmenskultur nach außen. In Postings in sozialen Netzwerken oder auf einschlägigen Plattformen werden Bewertungen und Kommentare abgegeben. Das wird jedoch in der Regel nur genutzt, um Frust abzuladen und ist daher nicht sehr aussagekräftig. Abgesehen davon sind diese Dinge natürlich sehr subjektiv. Wenn einem eine Unternehmenskultur nicht entspricht, kann sie für einen anderen genau die passende sein.«
Wie informieren sich potenzielle Bewerber heute über einen möglichen Arbeitgeber? Wie und wo kann man sie erreichen?
Jürgen Smid: »›Fish where the fish are‹, sagt ein Sprichwort. Genau das sollten Arbeitgeber beim Transportieren der Arbeitgebermarke beherzigen, denn jedes Unternehmen hat seine eigene Zielgruppe. Dafür reicht eine kurze Umfrage unter Bewerbern: Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden und wie haben sie sich informiert? Jede Wette, je jünger die Zielgruppe ist, umso mehr werden die zweite Frage folgendermaßen beantworten: ›Im Internet. Ich habe einfach über Google gesucht.‹ Bewerber, die online nach Jobs suchen, wollen sich auch online über Unternehmen informieren. Dem müssen Arbeitgeber nachkommen, sonst werden sie automatisch bei der Kandidatensuche zweite oder dritte Wahl werden.«
Sabine Hödl: »Hauptsächlich online: auf der Unternehmenswebsite, auf Karriere.at, auf kununu, watchado. Aber auch bei Bekannten, Freunden, Familie, Studienkollegen.«
Was sind im Employer Branding die Unterschiede zwischen großen Unternehmen (Konzernen) und Klein- und Mittelbetrieben?
Monika Kail: »Konzerne hängen von einer Zentrale ab, die sich meistens in einem anderen Kulturkreis befindet und vielleicht Vorgaben macht, die lokal nicht so passend sind. Es hängt vom Kulturkreis ab. Es gibt auch Länder, in denen man bessere Fehlerkulturen betreibt als hierzulande. Davon kann man als Filiale eines Konzerns durchaus sehr profitieren.
Generell würde ich meinen, dass Konzerne durch ihre großen Marken meistens viel sichtbarer und in der Regel bekannter sind als KMUs. Daher finden sie leichter die besten Talente. KMUs müssen verstärkt auf sich aufmerksam machen, um die Besten zu finden.«
Jürgen Smid: »Großkonzerne verfügen natürlich über ganz andere Employer-Branding-Budgets aber auch höhere Gehälter, Karriereaussichten und Benefits, die sie potenziellen Kandidaten bieten können. Eine gelungene, funktionierende Arbeitgebermarke definiert sich jedoch nicht ausschließlich über diese Parameter. Wenn sich ein KMU in einer strukturschwachen, ländlichen Region mit schlechter öffentlicher Erreichbarkeit Gedanken zur Arbeitgebermarke macht, wird es nicht genau diese Dinge in den Vordergrund stellen. Hier gilt: Auch das KMU muss in sich gehen und definieren, was es besonders gut kann: Ist das Arbeitsklima besonders familiär? Hat man gute Aufstiegschancen? Kann man als neuer Mitarbeiter seinen Verantwortungsbereich durch Weiterbildung rasch erweitern? Oder hat man die beste Kantine der Welt? Wichtig ist, sich auf einige, wenige Kernaussagen zu fokussieren, die man als Unternehmen nach außen transportiert.«
Sabine Hödl: »Gerade für KMUs ist Employer Branding ein absoluter Wettbewerbsvorteil. Eine hohe Fluktuationsrate kann die Existenz eines kleinen Unternehmens zerstören. Hier hilft Employer Branding. Am Arbeitsmarkt stehen KMUs mit Großkonzernen in Konkurrenz, wenn es um Bewerber geht. Große Konzerne genießen den Vorteil, dass ihre Unternehmensmarken viel bekannter sind. Je klarer ein KMU positioniert ist, desto leichter gewinnt es in diesem Wettbewerb neue Mitarbeiter. KMUs können etwas bieten, was sich viele Bewerber wünschen: kleine, überschaubare Teams, wenig Bürokratie und man weiß, für wen man arbeitet. Nicht anonyme Shareholder profitieren von meiner Arbeitsleistung, sondern Menschen, die vielleicht selbst noch im Unternehmen arbeiten. In großen Konzernen ist Employer Branding meist ein längerer Prozess, weil es dauert, bis alle Mitarbeiter erreicht und überzeugt sind.
Die Budgets sind natürlich auch unterschiedlich. Aber meiner Meinung nach spielen sie nicht die entscheidende Rolle. Von innen gelebtes Employer Branding muss kein Vermögen kosten. Das Engagement und die Begeisterung der Mitarbeiter lassen sich nicht kaufen.«