Ich kann mich noch gut erinnern. Ist ja erst fünfzehn Jahre her. Slides hießen noch Folien. Damals basierte mein Präsentationstraining auf lächerlichen 375 Folien, mittels derer ich jeden Gedanken visualisiert transportierte. Diagramme, Strukturbilder, Videos, Sounds, Fotos, Bullet-Charts ohne Ende. Jedes Wort war damit eigentlich multimedial vorgegeben. Es gab keinen Platz und auch keine Zeit für Improvisationen vor dem Kunden. Meine Energie verpuffte zwischen Beamer und erster Sesselreihe.
Heute kann ich mich darüber nur wundern. Ich arbeite fast komplett ohne Slides. Ich nenne das immer noch Präsentieren. Dafür habe ich etwas anderes: Die komplette Aufmerksamkeit der Menschen vor mir. Sie sind auf mich fokussiert – und ich auf sie. Anstatt gemeinsam auf eine bunt leuchtende, sich ständig verändernde Projektionsfläche zu schauen, begleitet von den Klick-Klick-Klicks der PowerPoint-Fernbedienung, achten wir nun aufeinander. Wir gehen hoch konzentriert einen roten Gedankenfaden entlang. Wir haben gar keine Aufmerksamkeitsressourcen für zusätzliche Inputs übrig, so fokussiert sind wir aufeinander. Und beide Seiten spüren, dass da gerade etwas passiert im Raum: Erkenntnis.
Aus dem roten Gedanken-Faden des Präsentators/Trainers wird Erkenntnis bei den Coachees/Kunden/Klienten/Trainees. Wer das einmal gespürt hat, hat eine Ahnung von gutem Präsentieren bekommen und wird vermutlich seinen Präsentationsstil, seinen Redestil für immer verändern. Hin zu einer Wahrhaftigkeit, egal auf welcher »Bühne« man auch kommuniziert.
Neue Haltung – neue Aufmerksamkeit
Gerade Führungskräfte oder andere routinierte Machtmenschen brauchen kein Training mehr, im Zuge dessen sie sich aktive Blickführung, Raumnutzung, Slide-Design oder irgendwelche Attention-Getters antrainieren. Sie brauchen eine andere Haltung gegenüber der Zielgruppe, sie brauchen eine andere Aufmerksamkeit im Raum.
Wer die totale Aufmerksamkeit anstrebt, wer knisternde Stille im Raum wünscht, wer die Spannung und Konzentration bei der Zielgruppe für Stunden aufrecht halten will, wird mit klassischen Präsentationstechniken und ein bisserl Inszenierung des Auftritts nicht weiterkommen. Hier muss der Wandel der eigenen Konzentration von innen nach außen vollzogen werden: Vor jedem wichtigen Auftritt taucht man an einem ruhigen Ort dazu vorerst tief in sich ab, atmet in Stille durch den Körper und wird sich seiner selbst und seiner Haltung gegenüber der Zielgruppe maximal bewusst. Das dauert nur einige Minuten, mit ein wenig Routine ist dieses Gefühl vor den Kunden, vor der Zielgruppe auch instantan abrufbar.
Und dann wird der Wandel des eigenen Fokus, noch vor dem ersten Wort, nach außen erfolgen. War die volle Konzentration zuerst bei einem selbst, so folgt nun der absolute Fokus auf die Menschen vor einem. Die Selbstwahrnehmung switcht zu einer bewussten Aufnahme aller Reize und Signale im Raum, man gleicht einem 360-Grad-Radar.
Das entspricht einer völligen Hingabe zur Zielgruppe. Blickkontakte sind dann nicht mehr ein Einander-Ansehen, sondern das Verlinken zweier Gehirne, auf dass Informationsfluss gar nicht mehr zu verhindern ist. Man spürt das. Gemeinsam taucht man tief in eine Konzentration ab, die den Inhalten jene Bedeutung gibt, die sie auch brauchen. Sekundenlanges Schweigen bei aufrechtem Blickkontakt, absolute Stille, sind dann nicht unangenehme Gedankenleere, sondern genau jene Momente, die Erkenntnis und damit Lernen erst möglich machen.
Erst die Selbstwahrnehmung, dann der Fokus-Shift von innen nach außen –
Vorsicht, wahrhaftiges Präsentieren kann süchtig machen!