Mitte Mai, wochentags um 11.00 Uhr Vormittag, ein Seminarraum im Hotel
»Lern & Plantsch«: Wenn die Seminarteilnehmer zum Trainer blicken, sehen sie hinter ihm eine Glasfront. Dahinter laufen immer wieder, für alle gut sicht- und auch hörbar, Kinder in Badehosen hin und her. Die haben richtig Spaß daran – im Gegensatz zu den Menschen im Seminarraum. Das Konzept des Hotels, sowohl Kinder- als auch Seminarhotel zu sein, hat eben auch seine Schwächen.
Der Hotelname ist frei erfunden, aber solche Konzepte gibt es tatsächlich. Wenn dann nicht für eine ordentliche räumliche und organisatorische Trennung gesorgt ist, kann das nicht funktionieren. Abseits solch offensichtlicher No-Gos gibt es aber viele – auch kleine – Details, die darüber entscheiden, wie sehr sich eine Location für Seminare eignet. Wir wollen in diesem Artikel die wichtigsten davon aufzählen.
Inhouse oder extern?
Seminare, die im eigenen Unternehmen stattfinden, bergen die Gefahr, dass sich manche Teilnehmer während des Seminars immer noch an ihrem Arbeitsplatz wähnen und – zumindest gedanklich – auch tatsächlich sind. Wenn man nicht sehr spannend findet, was der Trainer gerade vorträgt, ist die Verlockung groß, kurz einmal die E-Mails abzurufen. Dabei kommt man drauf, dass man vergessen hat, sich für den Tag abzumelden – man ist ja ohnedies im Unternehmen. Spätestens, wenn dann der Ranghöchste sein Smartphone, auf dem er die ganze Zeit gelesen und auch getippt hat, weglegt und seinen Laptop aufklappt, wünscht man sich, man wäre irgendwo weit weg in einem Seminarhotel.
Es gibt nicht viele Zweifel daran, dass für ein Seminar, das einen ganzen Tag oder länger dauert, eine externe Seminar-Location die bessere Wahl ist. Die räumliche Distanz verändert den Blickwinkel, erleichtert die Konzentration und fördert somit das Lernen. Für eine Klausur oder Ähnliches gilt das in noch größerem Ausmaß. Denn den Weitblick und das Gespür für Neues findet man nur sehr schwer innerhalb der eigenen Wände. Warum werden dann doch einige ganz- oder mehrtägige Seminare inhouse abgehalten? Weil das billiger ist. Wenn die Ergebnisse darunter leiden, hat man allerdings sicher am falschen Platz gespart, das wird offensichtlich, wenn man die Kosten für eine externe Location mit den sonstigen Gesamtkosten (Trainer, Vorbereitung, Mitarbeiterstunden etc.) vergleicht. Ob und wie sehr die Ergebnisse darunter leiden, hängt unter anderem von den Seminarinhalten und der Teilnehmerstruktur ab. Es gibt aber auch gute Gründe für ein Inhouse-Seminar: Wenn z. B. für jeweils nur kurze Zeit die Anwesenheit verschiedener Personen aus verschiedenen Abteilungen erforderlich ist. Oder wenn die Infrastruktur des Unternehmens gebraucht wird.
Günther Mathé ist Geschäftsführer von careercenter.at und seit 30 Jahren in verschiedenen Branchen und Aufgabengebieten im Trainingsbereich tätig. Er beschreibt, was seitens eines Seminarhotels getan werden sollte, um die Vorteile einer externen Location noch zu verstärken: »Ein guter Außenauftritt (Homepage) verstärkt oder erweckt eine Vorfreude auf das Training. In der Regel schauen sich die Teilnehmer das Seminarhotel vorher an und können bei einem guten Webauftritt des Hotels eine gute Einstellung zum Seminar aufbauen. Wichtig ist auch der Check-in. Funktioniert der Empfang für den Teilnehmer gut, dann geht er motiviert und mit positiven Gedanken ins Training.«
Die generellen Vorteile einer externen Location erklärt er so: »Die Seminarteilnehmer konzentrieren sich leichter auf den Trainingsinhalt, wenn sie nicht durch das Firmenumfeld an ihre laufende Arbeit erinnert werden. Wenn die Teilnehmer durch ihr Umfeld abgelenkt und nicht 100 % beim Training sind, trägt das nicht positiv zum Trainingserfolg bei.«
Andreas Zebisch, Leiter des Convention Bureau OÖ, ergänzt: »Ganz generell macht eine andere Umgebung als die eigene Firmenumgebung den Kopf frei, setzt kreative Potenziale frei, wirkt auf die Teilnehmer beinahe schon als Incentive und Wertschätzung – rein wegen des Ortswechsels! Oberösterreich ist unserer Eigenwahrnehmung nach das schönste Tagungsbundesland weltweit und spiegelt dies in der Vielfalt der Event- und Tagungs-Locations wider. Von der Klausuralm in luftigen Berghöhen, über Österreichs einziges Non-Profit-Hotel (www.-seminarkultur.at) bis hin zur Hofburg Oberösterreichs (Palais Kaufmännischer Verein in Linz) und dem zeitlosen Flagschiff der oberösterreichischen Tagungsbranche, dem Design Center Linz.«
Die Anforderungen an die Seminar-Location beschreibt Andreas Zebisch so: »Die Kundenansprüche steigen kontinuierlich. Daher sind alle Instrumente rund um die Touch-Point-Strategie essenziell wichtig. Kundenbedürfnisse müssen erfragt und in den Mittelpunkt der Betreuung gerückt werden. Klingt platt, wird aber noch immer nicht flächendeckend praktiziert. Late- Check-out wird fast schon Pflicht, ebenso individuelle Gäste-Betreuung – Pauschalangebote sind (fast) nicht mehr zeitgemäß.«
Seminarräume
Aus der Sicht von Andreas Zebisch muss eine Seminar-Location unbedingt Folgendes bieten: »Tageslicht-Räume, Technik (IT-Features) am Stand der Zeit, besser noch im Trendsetting-Design unter Berücksichtigung der allgemein voranschreitenden Digitalisierung! Es braucht auch eine Techniker-Betreuung für jeden Tagungsraum während des Aufenthalts.« Günther Mathé sagt über die Mindestanforderungen: »Allen voran großzügige, gepflegte und erstklassig möblierte Seminarräume mit moderner und umfangreicher Medien- und Präsentationstechnik. Raumakustik, Beleuchtung, Schallschutz, Verdunkelungsmöglichkeiten sind für moderne Trainings wichtig. Eine erstklassige, professionelle Betreuung des Hotels, die sowohl technisch versiert ist, als auch sonst die Wünsche des Trainers und der Seminargruppe erfüllt, ist Usus in guten Häusern und ermöglicht ein entspanntes Arbeiten und Tagen. Mehrere kleine zusätzliche Gruppenräume, Pausenräume und Meeting Points sind für Kleinteamarbeiten oder Besprechungen für ein methodenvielfältiges Seminar sehr wertvoll.«
Zusatzangebot
Für Günther Mathé ist auch wichtig, dass das Seminar durch weitere Features unterstützt werden kann, sollte das gewünscht sein: »Angebote, die sich positiv auf die Gruppendynamik bzw. den Teamgedanken auswirken (wie z. B. erlebnispädagogische Outdoor-Elemente: Spinnennetz, Bogenschießen, Sinnesgarten, Kegelbahn, …) werden öfter genutzt als ein umfangreicher Wellnessbereich.«
Verpflegung
Gute Seminarhotels machen es vor: Die Verpflegung vor, während und nach dem Seminar ist in das Gesamtkonzept eingebunden und folgt dem Zweck, die Lernleistung zu unterstützen. Was es dazu braucht? Andreas Zebisch bringt es auf den Punkt: »Ausgezeichnete und gesunde Verpflegung!«
Günther Mathé: »Beim Speiseangebot wird leichte, vitale, vielfältige Küche geschätzt. Deftige Hausmannkost mittags, wenn anschließend gearbeitet werden soll, ist zwar lecker, allerdings nicht förderlich für die Produktivität.«
Nächtigung
Die Zeiten, in denen Seminarteilnehmer in Doppelzimmern untergebracht waren, sind vorbei. Das sieht auch Günther Mathé so: »Eine Seminar-Location braucht genügend gleichwertige Einzelzimmer. Doppelbelegung im Zimmer ist nicht mehr zeitgemäß. Viele Seminarhotels sind gewachsene Häuser mit vielen Zu- und Anbauten, die dementsprechend unterschiedliche Zimmerausstattungen haben. Eine Gruppe sollte möglichst in einer Kategorie untergebracht sein, damit es zu keiner Unzufriedenheit der Teilnehmer kommt. Kostenloses WLAN im Seminarraum und in den Zimmern wird vom Trainer und den Teilnehmern erwartet.«
Sonstiges
Andreas Zebisch hat einige weitere Ideen und Punkte: »Eine gute Erreichbarkeit für alle und definierte Trainer-Parkplätze sind wichtig. Die Angebote der Leistungen sollten auf das Kunden/Gäste-Erlebnis hin immer weiter optimiert werden. Die Touch-Points sollten auch schon bereits bei der Buchung und lange vor der Anreise zum Kongress oder Seminar bedient werden, zum Beispiel durch ein Koffer-Abholservice beim Endkunden zu Hause, einen Reservierungsdienst für öffentliche Verkehrsmittel etc. Das erscheint uns sehr, sehr wichtig. Daran arbeitet die Branche. Konsequent. Auch an unverwechselbaren Angeboten und Serviceleistungen mit regionalen USPs, die der Kunde dergestalt nirgendwo anders buchen kann. Und: Den ›After Sales Service‹ emotionalisieren! Also, dem Gast Aufmerksamkeiten auch nach der Abreise zukommen lassen.«
No-Gos und Begeisterndes
Andreas Zebisch zählt ein paar Dinge auf, die keinesfalls sein dürfen: »Pauschalisierte Angebote, unflexible Antworten, inkompetente Ansprechpartner, fehlende Technik.«
Günther Mathé ergänzt: »In einem Hotel mit keiner klar definierten Zielgruppe bzw. zu vielen Zielgruppen fühlt sich eine Seminargruppe vielleicht fehl am Platz. Wenn man das Frühstück mit Wellnessbesuchern im Bademantel einnimmt oder die Seminargruppe neben einem Raum eingebucht ist, in dem Kindergeburtstag gefeiert wird, ist eine Konzentration auf das Training schwierig. Ein Hotel muss auf eine Zielgruppe spezialisiert sein, um professionell zu wirken, das ist bei einer Seminar-Location klar der Business-Bereich: Seminare, Events, Geschäftsleute. Oder es gibt eine klare räumliche Abgrenzung zu anderen Bereichen (Hochzeitssaal, Kuschelhotel, …).« Günther Mathé spricht auch die besonderen Bedürfnisse einer Seminargruppe bei den Mahlzeiten an: »Unflexibilität bei den Essenszeiten sind für den Trainingsablauf schwierig. Manchmal ist es aus gruppendynamischen Gründen erforderlich, eine Einheit später oder früher als geplant abzuschließen. Darauf muss die Küche eines Seminarhotels eingestellt sein.« Und er zählt als Negativbeispiele ein paar Dinge auf, die er aus seiner Erfahrung nur all zu gut kennt:
Kleine Pausenbrötchen, die auf den Teilnehmer genau abgezählt sind.
Öffnungszeiten von Bar, Fitness- und Wellnessbereich, die nicht an die Seminarzeiten angepasst sind – für die Teilnehmer gibt es dadurch oft gar keine Möglichkeit, diese Angebote in Anspruch zu nehmen.
Ein Teilnehmer vergisst, etwas zu bezahlen (Massage, Mini-Bar, …) und der Trainer muss sich dann um die Bezahlung kümmern.
Bei einem offenen Seminar wird der zweite Trainer vom Hotel kostenfrei eingeladen und man kommt im Nachhinein drauf, dass die Teilnehmer höhere Pauschalen zahlen mussten, damit die Kosten der Einladung fürs Hotel wieder reinkommen.
Immer wieder hat man keinen Seminarraum, sondern ein Kellerloch oder den Frühstücksraum, was z. B. bei Führungskräftetrainings ein No-Go ist.
Auf dem Flipchart-Ständer ist genau ein Blatt Papier drauf und man bemerkt das erst während einer Seminareinheit.
5 seitenlange Checklisten, die erneut bei jedem Seminar ausgefüllt werden müssen, sind manchmal wirklich zeitaufwändig für den Trainer. Es ist gut, wenn auf Details eingegangen wird, aber nicht jede Position des Flipchart-Stiftes muss im Vorfeld fixiert werden.
Günther Mathé beobachtet, dass viele Seminarhotels immer noch den Einfluss des Trainers auf die Seminar-Location-Auswahl unterschätzen: »Viele Trainer werden von ihren Kunden gebeten, eine Hotelempfehlung abzugeben. Es würde Sinn machen, wenn sich mehr Seminarhotels um eine gute Zusammenarbeit mit den Trainern bemühen.« Das wäre ja eigentlich selbstverständlich!
Wir fragen nach: Können Sie uns auch ein Beispiel für etwas nennen, dass Sie an einer Seminar-Location begeistert hat?
Ja, da fällt Günther Mathé einiges ein:
Wenn man am Sonntag bei einem dreitägigen Wochenendseminar auscheckt und als Geschenk einen kleinen frischen Laib Brot mitbekommt.
Wenn es ein wunderschöner Sommertag ist und das Abendessen spontan im Form eines Barbecues auf der Dachterrasse stattfindet.
Wenn man als Trainer und Teilnehmer immer das gleiche Zimmer bekommt und die Extrawünsche der betreuenden Person bekannt sind.
Zukunft
Andreas Zebisch beschreibt Potenziale und Herausforderungen für Oberösterreichs MICE-Branche (Meetings, Incentives, Conventions, Events): »Es kommt zu einer verstärkten Internationalisierung. Immer mehr Tagungs-Gäste wählen Oberösterreich aufgrund der geostrategischen Lage als Tagungsort – gerade in Linz (neue Medizin-Uni, neues Musiktheater etc.), aber auch in Steyr und Wels sowie in den an Deutschland angrenzenden Tagungsgebieten (Seengebiete, Salzkammergut, Innviertel) wächst die Nachfrage und Buchungslage aus aller Herren Länder. Die Herausforderungen liegen in der Realisierung interaktiver Veranstaltungsformate, im Einsatz von innovativer Technik und im Realisieren und Besetzen von neuen Konzepten, z. B. Green Meetings und Blue Meetings®, die Veranstaltungen lebendiger werden lassen, weil Programm, Ort und Mensch zusammenfügt werden.«