Gute Verkäufer sind das Kapital für Unternehmen. Wer die richtigen Menschen im Verkauf hat, dazu noch ein gutes Produkt zu einem fairen Preis, der wird erfolgreich sein. Doch kann jeder gute Verkäufer auch ein Star-Verkäufer werden? TRAiNiNG hat nachgefragt.
Wenn es um die Auswahl von Seminaren geht, liegt »Verkauf« in der Beliebtheitsskala der Unternehmen weit vorne. Verkauf, Persönlichkeit und Technik waren 2017 die meist gebuchten Seminare. Dass »Verkauf« so stark nachgefragt wird, macht eines klar: Das Thema ist aktueller und wichtiger denn je. Nahezu für jedes Unternehmen ist es wichtig, gute Verkäufer zu haben, sei es für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Wer gut verkaufen kann, wenig Rabatte gibt und Stammkunden hält, der hat die Nase im Wettbewerb vorne. Daher strömen auch laufend neue Verkaufstrainer auf den Markt.
Vielleicht kennen Sie die Situation, dass Sie nach einem schönen Abendessen im Restaurant nach der Rechnung verlangen, und der charmante Kellner »verkauft« Ihnen doch noch schnell einen Kaffee, einen Schnaps oder ein schnelles Glas Wein. Als Absacker, der unbedingt notwendig ist. Begabten, feinfühligen Verkäufern gelingt es oftmals, mit nur einer kurzen, passenden Frage einen Zusatzverkauf zu lukrieren. Jedoch – die Frage muss zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen, sympathischen Art gestellt werden. Vielen Personen im Service ist es oftmals gar nicht bewusst, dass auch sie Verkäufer sind. Hier braucht man die richtige Einstellung zum Beruf. Wenn ein Verkäufer für seine Kunden zur richtigen Zeit das richtige Produkt anbieten kann und ihn damit glücklich macht, beglückt das den Verkäufer genauso und das Unternehmen gleich mit. Beim Einkaufen sind wir oft in guter Stimmung, wir gönnen uns etwas, und dennoch wollen wir nichts verkauft bekommen. Was für eine Ironie.
Jeder kann verkaufen – oder?
Vielleicht nur um ihre Seminare zu verkaufen, behaupten viele Verkaufstrainer, dass »jeder verkaufen kann«, und mit dem richtigen Training ein Top-Verkäufer wird. Ganz so glauben wir das nicht, daher haben wir nachgefragt: Kann wirklich jeder ein guter Verkäufer werden?
Helga Steiner (Geschäftsführerin bei STEINER Consulting) antwortet spontan: »Aufgrund meiner Erfahrung antworte ich mit: JEIN. ›Man kann aus einer Schnecke eine schnelle Schnecke machen, aber kein Rennpferd.‹ Natürlich kann jeder unter einfachen Bedingungen verkaufen. Jedoch, ein guter Verkäufer zeichnet sich erst aus, wenn es beispielsweise schlechte Marktgegebenheiten gibt, nicht alles reibungslos funktioniert und trotzdem gute Ergebnisse erzielt werden.«
Alois Widena (Franchisepartner bei VBC) ist überzeugt, dass es jeder lernen kann: »Jeder, der verkaufen will, dem kann man verkaufen beibringen. Niki Lauda würde an der Stelle vermutlich noch sein ›völlig logisch‹ hinzufügen. Also wenn die Einstellung und Haltung positiv zum Thema Verkaufen sind, dann kann jeder verkaufen lernen.«
Robert Korp (Geschäftsführer Dale Carnegie): »Joseph Beuys hat gesagt ›Jeder ist ein Künstler‹. Das war damals ein kulturpolitisches Statement. Für die Trainergilde ist die zitierte Aussage ein Marketing-Statement. Das Gute ist, dass es verhältnismäßig weniger Genie bzw. Talent braucht, um ein solider Verkäufer zu sein als ein annehmbarer Künstler. Spitzenleute sind da wie dort rar. Training kann jedoch viel bewirken.«
Ein Wochenendseminar kann keine Wunder bewirken. So wird vermutlich niemand, der noch nie im Verkauf gearbeitet hat, ein Star-Verkäufer nach einem 2-Tages-Seminar werden. Bei einem Verkäufer, der schon länger im Handel tätig ist und der offensichtlich Motivation zeigt, da kann ein Kurz-Seminar schon viel bewirken.
Die Techniken sind erlernbar, jedoch müssen Verkäufer gut darauf achten, nicht den genauen Wortlaut der Verkaufstrainer zu übernehmen. Jeder Mensch ist anders, sowohl als Kunde als auch als Verkäufer und nicht jede Frage passt zu jedem Verkaufsgespräch. Manchmal verlangt es mehr Smalltalk, manchmal weniger usw.
Robert Korp: »Natürlich können 2-Tages-Seminare Ergebnisse bringen. Ein Nicht-Schifahrer kann auch Grundkenntnisse in einem Crash-Kurs entwickeln. Damit er aber ein Marcel Hirscher wird, braucht es schon etwas mehr. Talent ebenso wie Training. Aus diesem Grund sind wir der Überzeugung, dass Entwicklungsprogramme die besten Ergebnisse bringen. Der größte Teil des Lerneffekts passiert ja außerhalb des Trainingsraums, in der Praxis. Wenn also ein Entwicklungsprogramm auf unmittelbare Anwendung in der Praxis abzielt, die gemachten Erfahrungen gemeinsam reflektieren lässt, dann sind die Erfolgschancen deutlich höher.«
Öfters als angenommen wird das meiste nach einem Seminar wieder vergessen, wenn es nicht sofort angewendet bzw. wiederholt wird. Hier sind Führungskräfte und die Personalabteilung gefordert, beim Lerntransfer zu helfen.
Auch Alois Widena ist davon überzeugt, dass ein langfristiges Entwicklungsprogramm wesentlich mehr Sinn ergibt als ein einmaliges Seminar: »Wenn dieses 2-Tages-Seminar viel Platz zum Üben hat, dann werden die Teilnehmer ein paar Dinge am Abend des letzten Trainingstages mitnehmen. Hoffentlich haben sie es nicht spätestens nach einer Woche Berufsalltag fast oder nach 4 Wochen zur Gänze vergessen. Ich habe einmal in einer Studie gelesen, dass Verkaufsmitarbeiter 87 % des Trainingsinhalts nach 30 Tagen vergessen haben. In so manchen 2-Tages-Wunderseminaren steckt viel Wissensvermittlung und Frontbeschallung drinnen. Nur ist Wissenskompetenz nicht Handlungskompetenz, denn am Weg vom Kennen zum Können steht das TUN und immer wieder TUN an erster Stelle, um Handlungskompetenz zu erreichen. Verkaufen ist eine Form von Verhalten, das Menschen über viele Jahre Stück für Stück erlernt haben. Neues dazu zu lernen oder Verkaufsschädigendes zu ›entlernen‹, gelingt nur Stück für Stück und über einen längeren Zeitraum.«
Helga Steiner über eine sinnvolle Didaktik: »Kurzseminare helfen, um die Methodik zu lernen. Werden diese in mehreren Blöcken hintereinander, in einem sinnvollen Zeitabstand und mit eventuellem Einzelcoaching und E-Learning-Einheiten kombiniert, ist dies sehr vielversprechend. Hinzu kommt noch ein wesentlicher Faktor: das Talent zum Verkaufen.«
Gute Verkäufer fallen meistens (leider) nicht vom Himmel. Verkauf ist ein Handwerk, das man lernen kann, vorausgesetzt man bringt schon ein paar Persönlichkeitsmerkmale mit.
Helga Steiner weiter: »Folgende Aspekte zeichnen einen guten Verkäufer aus:
- Gespür und Feingefühl
- die Fähigkeit zuhören zu können
- auf Menschen eingehen bzw. die Erkenntnis, dass jeder Mensch anders ist
- typengerechte Kommunikation
- richtiges Argumentieren.«
Moderne Entwicklungsprogramme
Wenn ein Zweitagesseminar alleine nicht zu den gewünschten nachhaltigen Verhaltensverbesserungen im Verkauf führt, wie könnte ein modernes Lernkonzept für Verkäufer aussehen?
Alois Widena: »Es sollte ein langfristig angesetzter Verkaufstrainingsprozess sein, der eine Mischung aus Präsenztrainings und eine Lernbegleitung zur Umsetzung des Erlernten in den Transferphasen zwischen den Präsenztrainings bietet. Die Teilnehmer sollen die Möglichkeit haben, in den Präsenztrainings Stück für Stück Neues zu erlernen, das zu üben und in der Praxis bis zum nächsten Präsenztraining anzuwenden und damit zu festigen. Wichtig ist dabei, dass jeder Trainingsteilnehmer aus dem Präsenztraining seine individuellen Lernvorhaben bekommt, die seine Stärken stärken und Potenziale mobilisieren. An der Stelle sei verraten, dass die oben zitierten 87 % Wissensverlust nach Trainings nur dann entstehen, wenn nicht innerhalb von 30 Tagen mit der Umsetzung in die Praxis begonnen wird. Also im Prozess dem inneren Schweinehund des Veränderungswiderstands mit intelligenten Maßnahmen entgegenzutreten. In der Transferphase bieten innovative Trainingsanbieter Begleitmaßnahmen an: E-Learnings, Gamification mit Lernspielen, Lernbegleiter wie Transfercoaches und Tutoren die den Transfer in die Praxis unterstützen und eine wirkungsvolle Entwicklung hin zum neuen Verkaufsverhalten des Lernenden absichern. Der Prozess soll auch Möglichkeiten zur Evaluierung der Wissens- und auch Handlungskompetenz bieten, damit sich der Trainingsteilnehmer seinen eigenen Entwicklungsprozess vor Augen führen kann.«
Helga Steiner ist für ein individuelles Lernprogramm: »Ich erachte laufende Schulungen zu Spezialthemen als enorm wichtig. Achtung: ich halte nichts davon, alle und alles zu schulen. Eine gezielte Vorgehensweise und eine individuelle Abstimmung auf den Bedarf des Verkäufers sind hier gefragt. Coaching-Einheiten unterstützen.«
Robert Korp: »Bei der Entwicklung persönlicher Fähigkeiten ist die Verbindung von der ›technischen‹ – also der verhaltensorientierten – Komponente mit einer emotionalen Komponente wichtig. Das heißt verkürzt, erst muss jeder bei sich Bereitschaft, Selbstreflexion und innere Motivation entwickeln, um effektiv dazulernen zu können. Pures Verhaltenstraining stößt da schnell an seine Grenzen. Idealerweise machen Menschen einen Prozess durch, der ihnen erlaubt, Dinge in kleinen Portionen umzusetzen, sich neue Fähigkeiten anzueignen, Erfolgserlebnisse zu erzielen und damit nachhaltig erfolgreich zu sein. Und erfolgreiches Training ist immer an der Persönlichkeit orientiert.«
Einige gute Verkäufer haben sich ihr Wissen selbst angeeignet. Ist es also wirklich nötig, auf teilweise sehr teure Verkaufsseminare zu gehen? Lernt man Verkaufen nicht ohnehin am besten beim Verkaufen?
Meistens haben Verkaufstrainer Bücher über das Thema geschrieben, in denen viele Inhalte der Seminare beschrieben werden. Eine Möglichkeit ist es daher, Bücher zu lesen und einfach in der »freien Wildbahn« neue Strategien auszuprobieren.
Ist das sinnvoll? Die Antworten der Verkaufstrainer werden sie überraschen.
Helga Steiner: »Ja, natürlich. Wenn jemand gerne Kontakt mit Menschen und das Wissen über Produkte bzw. Dienstleistungen hat, liegt es sehr nahe, dass man sich Verkaufen selber beibringt. Die meisten Verkäufer sind nicht aufgrund der Ausbildung Verkäufer, sondern sind in den Vertrieb hineingewachsen. Gute Verkäufer reflektieren sich selbst und lernen aus ihren vorangegangenen Verkaufsgesprächen.«
Robert Korp: »Sicher, wie so vieles andere auch. Bei entsprechendem Talent bringen Verkäufer, die sich das Verkaufen autodidaktisch angeeignet haben, oft auf unkonventionelle Weise starke Ergebnisse. Da punkten sie aber meistens über ihre unverwechselbare Persönlichkeit. Für Durchschnittsmenschen geht es mit Training jedenfalls besser.«
Alois Widena: »Die Praxis ist sehr wichtig. Egal, welche theoretische Handlung jemand perfekt beschreiben kann, ohne sie jemals selbst durchgeführt zu haben, wird sie in der Praxis nur schwer beim ersten Mal perfekt gelingen. Da Trial and Error beim Verkaufen relativ ungefährlich ist, kann man bei entsprechend hoher Selbstreflexion aus seinen Fehlern lernen und sich verbessern. Dieser Prozess wird um vieles verkürzt, wenn man genaue Anleitungen von einem Praktiker bekommt, der weiß, wie es geht und worauf es ankommt.«
Moderne Lernformen haben sich natürlich auch schon im Verkauf etabliert. Allerdings nicht als reine E-Learning-Lösung, sondern vor allem für den Transfer in die Praxis. Dazu gibt es auch schon einige Lernapps für das Smartphone. Wie ist E-Learning sinnvoll für die Verkäuferschulung einsetzbar?
Helga Steiner: »E-Learning-Methoden funktionieren gut als Ergänzung oder als Auffrischung. Muss der Verkäufer jedoch den Umgang mit dem Kunden, die Fähigkeit zur richtigen Argumentation und auf ungewohnte Situationen gelassen zu reagieren lernen, ist E-Learning nicht geeignet.«
Alois Widena: »Hier sind wir wieder beim Thema der Wissenskompetenz angelangt. E-Learnings sind als Maßnahme in einem Blended-Learning-Konzept ein weiterer Bestandteil und runden den Methodenmix für den Wissenstransfer an den Lernenden ab. Stand-alone sind sie genau so wirkungsvoll wie nur Präsenztrainings oder nur ein Webinar oder nur ein Buch oder …«
Robert Korp: »Passives E-Learning, also das Ansehen von Videos und vielleicht Ausfüllen irgendwelcher Arbeitsblätter, kann gewisse Erfolge bringen. Self-paced E-Learning ist wahrscheinlich begrenzt in der Wirksamkeit, auch wenn die Flexibilität und die vergleichsweise geringen Kosten dafürsprechen. Wirksamer sind sogenannte Live-Online-Programme, bei denen Teilnehmer an ihrem Arbeitsplatz lernen und virtuell auch in Kleingruppen mit anderen diskutieren können. Wichtig ist, dass das Training so aktiv ist, dass die Ablenkung durch eingehende E-Mails, Telefonate etc. möglichst außen vor bleiben.«
Fazit
Bei genügend Selbstreflexion ist es durchaus möglich, Verkaufen im Selbststudium zu lernen. Fehler im Verkauf kosten jedoch Geld, daher ist jedes Ausprobieren von Neuem möglicherweise mit Opportunitätskosten verbunden. Hier ist es dann doch manchmal klüger, einen Experten für Training und Coaching beizuziehen.