Viele Berater, Trainer und Coaches betrachten das Marketing und den Vertrieb als eine Sonderaufgabe und nicht als einen Kernprozess. Das rächt sich in Krisenzeiten.
Jedes Jahr dasselbe Ritual. Kaum fallen die Blätter von den Bäumen klingelt bei uns ein, zwei Mal pro Tag das Telefon und Berater fragen bei uns an, ob wir sie im Marketingbereich unterstützen könnten – oder es treffen entsprechende Mails ein. So auch in diesem Jahr, obwohl in ihm corona-bedingt so vieles ganz anders als sonst ist. Monatelang herrschte zuvor, überspitzt formuliert, Funkstille, doch kaum kündigen sich die Adventzeit und der Jahreswechsel an, schreit plötzlich alle Welt nach Marketingberatung und -unterstützung – und zwar möglichst umgehend und sofort.
Berater erwachen
Der Grund hierfür: Gegen Ende des Jahres schauen viele Berater, Trainer und Coaches in ihre Auftragsbücher fürs kommende Jahr und stellen fest: Da klaffen ja noch große Löcher – Löcher, die in diesem Jahr oft sogar noch größer als in den Vorjahren sind und nicht selten sogar von Tag zu Tag größer werden aufgrund der hereinpurzelnden Stornos. Also versenden die Berater, nachdem sie nach einem Zwischenhoch in der Lockdown-Phase im Frühjahr wieder monatelang im Marketing-Tiefschlaf waren, nun wieder Mailings an ihre »sehr verehrten Kunden«. Und die ganz Aktiven unter ihnen? Sie greifen sogar zum Telefonhörer und rufen die Entscheider bei ihren Stammkunden an, um die noch fehlenden Aufträge fürs kommende Jahr unter Dach und Fach zu bringen.
Doch dann hören sie nicht selten:
- »Wir müssen im kommenden Jahr corona-bedingt andere Schwerpunkte setzen. Deshalb muss ich Ihnen leider sagen, …« Oder:
- »Unser Vorstand hat entschieden, dass wir 2021 … Deshalb müssen wir Ihnen leider mitteilen …«
Die Trainer und Berater erhalten die mental für das Folgejahr bereits fest eingeplanten Aufträge definitiv nicht, oder sie werden auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft vertröstet.
Geschieht dies, dann geraten nicht wenige Trainer und Berater in Panik – speziell solche, die in den zurückliegenden Jahren weitgehend von einer Handvoll Stammkunden lebten. Also rufen sie zum Beispiel bei uns an – nicht selten in der Hoffnung, dass wir ihnen einige Marketing-Zaubertricks verraten, wie sie recht kurzfristig und ohne hohe Kosten ihre Auftragsbücher füllen können. Schließlich sind die Umsätze der meisten Berater zurzeit niedriger als in Vor-Corona-Zeiten.
Entsprechend enttäuscht sind sie, wenn wir zu ihnen dann sagen »Wir haben keine Zeit bzw. freien Kapazitäten« oder gar »Ihre Erwartungen sind unrealistisch, denn so kurzfristig, wie von Ihnen erhofft, lassen sich zumindest Projektaufträge nicht akquirieren« – speziell dann nicht, wenn einem Berater eigentlich alle relevanten Marketinginstrumente fehlen, wie z.B.:
- ein gepflegter Adresspool,
- eine professionelle Webseite, die bei der Websuche gut gefunden wird,
- Beschreibungen von oder Artikel über Referenzprojekte und
- smarte »Schaufenster-Produkte«, die dazu geeignet sind, bei Neukunden sozusagen einen Fuß in die Tür zu bekommen und von ihnen einen kleinen Erstauftrag zu erhalten.
Dann ist in der Regel erst mal eine gewisse Vorarbeit, also ein gewisses Investment an Zeit und/oder Geld, nötig, bevor eine erfolgreiche Auftragsakquise beginnen kann.
Ein »Kunden-Sterben« ist normal
Deshalb sehen wir die Jahr für Jahr verstärkte Nachfrage nach unseren Leistungen gegen Jahresende und zu Jahresbeginn (bevor die meisten Berater wieder in einen Marketing-Tiefschlaf verfallen) mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit einem lachenden Auge, weil es uns selbstverständlich freut, wenn unsere Leistungen nachgefragt werden. Mit einem weinenden Auge, weil diese Anfragen meist nur ein Ausdruck der grundlegenden Defizite im Marketing vieler Trainer, Berater, Coaches sind.
So fehlt vielen Beratern das Bewusstsein, dass ein gewisses »Kundensterben« im Trainings- und Beratungsmarkt, selbst wenn eine Top-Leistung erbracht wird, normal ist – nicht nur in Corona-Zeiten. Deshalb ist es für Berater auch in »normalen Zeiten« existenzgefährdend, sich auf einer Handvoll Stammkunden auszuruhen und aufgrund der aktuell guten Auslastung die Marketing- und Vertriebsaktivitäten ganz einzustellen. Viele Berater verdrängen zudem, dass sie keine »Schnelldreher« wie Wurstsemmeln verkaufen. Vielmehr erstreckt sich die Akquise von Neukunden im Trainings- und Beratungsmarkt in der Regel über Monate oder nicht selten sogar Jahre. Deshalb sollte speziell bei Beratern im B2B-Bereich das Marketing und der Vertrieb eigentlich ein fortlaufender Prozess sein, damit sie, wenn überraschend Kunden wegbrechen, zumindest einige angewärmte potenzielle Neukunden in der Pipeline haben und nicht mit dem Kontakt- und Beziehungsaufbau sozusagen ganz am Anfang stehen.
Marketing als Kernprozess
Der wichtigste und entscheidende Punkt ist jedoch: Viele Trainer und Berater haben, obwohl sie Unternehmer sind, nicht verinnerlicht, dass das Marketing und der Vertrieb Kernprozesse in jedem Unternehmen sind.
Deshalb ist und bleibt es ihr Job als Unternehmer, sich darum zu kümmern. Das heißt, die Verantwortung für die hiermit verbundenen Aufgaben lässt sich weder an externe Dienstleister, noch an irgendwelche administrativen Mitarbeiter, die für die Trainer oder Berater arbeiten, delegieren. Diese können sie maximal bei ihrem Job unterstützen. Die Verantwortung für die Kernaufgabe Marketing und Vertrieb – also dafür, dass letztendlich ausreichend Geld in ihrer Kasse klingelt – tragen sie.
Deshalb sollten Berater und Trainer im Marketing- und Vertriebsbereich auch zumindest so viel Kompetenz und Erfahrung haben, dass sie bezogen auf die Vorschläge ihrer externen Unterstützer zumindest eine Bewertungskompetenz haben – also beurteilen können, inwieweit deren Vorhaben und Versprechen realistisch sind. Ansonsten lassen sich von diesen jeden Schwachsinn aufschwatzen. Volle Auftragsbücher bekommen sie so nicht.
Und die im digitalen Zeitalter, in dem die Marketinginstrumente immer vielfältiger und die Marketingsysteme immer komplexer werden, dringend benötige Bewertungskompetenz? Sie entsteht bei Trainern und Beratern nicht, wenn sie das Marketing und den Vertrieb nur als »Sonder-Aufgabe« in schlechten Zeiten oder als »Saisonjob« statt als Unternehmeraufgabe begreifen.