Die Weiterbildungsstudie der Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung hat spannende Erkenntnisse hervorgebracht. TRAiNiNG hat detailliert nachgefragt.
Die Themen »Verkauf und Marketing« sowie »Führung und Management« sind in ihrer Bedeutung laut der aktuellen Studie spürbar kleiner geworden. Ist das in Krisenzeiten erklärbar? Gerade in Zeiten von hybridem Führen müsste doch dieses Thema besonders schulungsintensiv sein, oder?
Um darauf sinnvoll zu antworten, müssen wir die beiden Themen unterscheiden. Grundsätzlich muss ich vorab darauf hinweisen, dass die Zahlen im Frühjahr 2022 erhoben wurden. Damals waren wir teilweise noch im Lockdown bzw. hatten wir extrem viele Corona-Fälle. Weiters ist das Ergebnis ein Durchschnittswert quer durch alle Branchen. Es gibt sicher große Unterschiede in verschiedenen Branchen. Im Frühling gab es in vielen Unternehmen andere »Probleme« und Verkaufsschulungen hatten nicht die höchste Priorität. Diese haben erst im späteren Frühling oder Sommer wieder zugelegt. Daher denke ich, dass die Ergebnisse nächstes Jahr wieder ganz anders aussehen werden.
Und warum weniger Führungskräfteschulungen gebucht wurden, kann ich mir damit erklären, dass im akuten Krisenfall dafür schlichtweg keine Zeit war. Früher konnte man von den gebuchten Themen den Trend ableiten. Also, bildlich gesprochen, die Themen, die jetzt gebucht werden, zeigen, welche Fähigkeiten Unternehmen für die Zukunft als relevant bewerten. Die Krise hat das umgedreht. Hier waren plötzlich Skills gefragt, die noch nie in diesem Ausmaß geschult wurden, wie z. B. remotes Führen oder Führen vom/ins Home-Office. Hier war Learning by Doing gefragt. Es mussten rasch Instrumente für hybrides Führen gefunden werden; und das wurde oft auch inhouse erledigt, da einfach keine Zeit für Seminare blieb. Natürlich haben auch Lockdowns Schulungen schwieriger gemacht. Auch das wird nächstes Jahr sicher ganz anders aussehen.
Welche Seminar-Themen werden in Zukunft mehr nachgefragt?
Derzeit werden in vielen Branchen Mitarbeiter gesucht. Dieser Trend wird noch anhalten. Daher liegt der Schwerpunkt bei zahlreichen Unternehmen momentan vor allem beim Recruiting von Mitarbeitern. Egal ob Mitarbeiter oder Führungskraft, alle spüren aufgrund der allgemeinen Lage derzeit eine gewisse Verunsicherung. Hier muss dringend dagegen gehalten werden und die Führungskraft muss Stabilität, Sicherheit und Ruhe ausstrahlen können. Ich vermute daher, nächstes Jahr wird der Fokus stark beim Thema »Halten von Mitarbeitern« liegen und im Zuge dessen sind Themen wie »Führen in Krisen« gefragt. Weitere Skills, die benötigt werden: strategisches Denken, Empathie und andere soziale Kompetenzen sowie Lösungsorientierung.
Mehr als 60 % der Befragten gaben an, dass die Bedeutung vonWeiterbildung in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Warum gerade jetzt?
Einerseits haben viele Unternehmen aufgrund der Pandemie natürlich einen Nachholbedarf an Schulungen. Andererseits sind die Umfragewerte auch im Vergleich zum Jahr 2019 gestiegen. Wir führen das auf die gestiegene Notwendigkeit zurück, das Personal im Unternehmen zu halten. Eine gute Möglichkeit dafür ist nun mal Weiterbildung, um das Team up to date und die Motivation hoch zu halten.
Die Weiterbildungsbudgets der Unternehmen steigen stark und stellen einen neuen Rekord seit 2009 dar. So planten 37 % der Unternehmen, 2022 mehr Geld als 2021 in Weiterbildung zu investieren. Was sagen Sie dazu?
Das hat aus meiner Sicht zwei Gründe. Erstens wurden in zahlreichen Unternehmen über die letzten zwei Jahre Weiterbildungsbudgets angespart. Dieses Geld wurde häufig nicht anderwertig verwendet und wird nun wieder für Schulungen ausgegeben. Der zweite Grund schließt an dem zuvor genannten an. Viele Entscheidungsträger in Unternehmen und Kommunen denken, dass der Bedarf an Schulungen noch nie so groß war wie heutzutage. Die Qualität von Weiterbildungen hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Lerntransfer, nachhaltige Schulungen etc. überzeugen immer mehr Unternehmer, jetzt wirklich in die Mitarbeiter zu investieren und damit einen langfristigen Erfolg zu sichern.
2022 waren wieder mehr Schulungen im Präsenz-Format geplant als 2021. Das ist einerseits klar, da es heuer weniger Corona-Auflagen gab. Andererseits hatten doch viele Experten gesagt, Online-Trainings sind gekommen, um zu bleiben. Wie sehen Sie das?
Das hängt natürlich immer davon ab, wen man befragt. Wir haben in dieser Studie HR-Abteilungen bzw. Manager befragt. Das Ergebnis ging eindeutig in Richtung Präsenzschulungen.
Natürlich wird es weiterhin Online-Trainings geben. In Krisenzeiten hat das Pendel extrem in eine Richtung ausgeschlagen. Nun pendelt es sich wieder ein. Derzeit sind wir bei ca. 2/3 Präsenz-Veranstaltungen und 1/3 Online-Veranstaltungen quer durch alle Themen und Branchen. Das zeigt ganz gut, wie Menschen lernen wollen. Und es zeigt eben auch, dass für Unternehmen das »Socializing« einen gewissen Stellenwert hat, und das geht nun mal in Präsenz-Schulungen besser als online. Zukünftig werden viele Präsenzschulungen durch Online-Tools in der Nachhaltigkeit unterstützt werden, um so den Lerntransfer zu erhöhen.
Die Studie deckte auf, dass 65 % der Unternehmen einen großen oder sehr großen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern haben. Wo sind denn alle Mitarbeiter hin?
Auch hier gibt es mehrere Erklärungen. Es sind geburtenschwache Jahrgänge, die nun auf den Arbeitsmarkt kommen, bei gleichzeitig vielen Pensionierungen. Wir haben derzeit einen hohen Beschäftigungsgrad. Es sind einige ausländische Saisonkräfte schlichtweg nicht mehr in Österreich, sondern haben sich eine neue Beschäftigung in einem anderen Land gesucht. Und, was sich in den letzten Jahren ganz klar abzeichnet, ist ein Trend hin zu Teilzeit. Wenn ein Unternehmen also Personal für 100 Arbeitsstunden pro Woche benötigt, braucht es heute mehr Köpfe als früher, da diese z. B. nur noch 25 Stunden arbeiten. Das gab es früher natürlich auch, aber nicht in diesem Ausmaß.
Wie können Ihrer Meinung nach Unternehmen hier entgegenwirken?
Über klassische Recruitinginstrumente wie Stellenplattformen, Mundpropaganda oder Mitarbeiterempfehlungsprogramme. Und natürlich ist auch der Aufbau des eigenen Images in der Öffentlichkeit wichtig. Stichwort: Employer Branding. Die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen ist für immer mehr Menschen ein wichtiges Auswahlkriterium für einen Arbeitgeber. Dabei ist natürlich ökologisches Handeln ein wichtiger Punkt, aber es gibt auch noch zahlreiche andere.
70 % der befragten Unternehmen sagen »Weiterbildung ist in der Krise DER Mut-Macher«. Wie ist das zu verstehen, was ist damit gemeint?
Wir leben derzeit mit Unsicherheit und teilweise mit Frustration. Viele Menschen haben Angst vor Arbeitslosigkeit, einem Weltkrieg, steigenden Energiekosten etc. Wir sehen Weiterbildung als eine Möglichkeit, um Menschen Sicherheit zu geben. Wer up to date bleibt, muss sich keine Sorgen um seinen Job machen. Das gibt Zuversicht und Mut, um optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Der zweite Punkt ist, dass persönliche Weiterbildung immer auch Beschäftigung mit einem selbst bedeutet. An sich selbst zu arbeiten, zeigt häufig neue Potenziale auf – und das kann auch Mut für die Zukunft machen.
Wie sieht Weiterbildung in der Zukunft aus?
Es wird eine noch stärkere Trennung zwischen dem Wissen geben, das jemand für seinen aktuellen Job braucht, und dem Wissen, das man sich aus irgendwelchen anderen Gründen aneignen will. Beispielsweise, wenn man einen völlig neuen Job erlernen möchte. Österreicher sind nicht dafür bekannt, dass sie häufig ihre Weiterbildungen selbst bezahlen. Das zahlen entweder der Staat oder die Unternehmen. In Zukunft wird das anders werden und immer mehr Personen sind bereit, selbst Geld und Zeit in Weiterbildung zu investieren. Damit verbunden werden Beschäftigte in Zukunft Weiterbildung von ihrem Arbeitgeber noch mehr einfordern.