Auf diesen Seiten stellen wir die Ergebnisse zweier aktueller Studien zum Thema Weiterbildung und betriebliches Lernen vor.
Für diesen Artikel haben wir uns einerseits die »Weiterbildungsstudie 2022« der Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung (MAKAM Research 2022) angesehen und andererseits das »Weiterbildungsbarometer 2022« des WIFI Österreich.
Im Rahmen der »Weiterbildungsstudie« wurden HR- bzw. Personalverantwortliche und Geschäftsführer (in österreichischen Unternehmen ab 20 Mitarbeitern) zu Trends, Entwicklungen und Herausforderungen im beruflichen Aus- und Weiterbildungsbereich befragt.
Es zeigt sich, dass in Krisenzeiten Weiterbildung nicht nur als »Mut-Macher« (70 %) fungiert. Sie wird auch als entscheidend in der Mitarbeiterbindung erachtet (74 %). Rund zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass in Krisenzeiten generell mehr in Weiterbildung investiert werden sollte, denn, so sagen es 63 %: »Weiterbildung in der Krise ist wesentlich zur Sicherung des künftigen Unternehmenserfolgs.« In etwa die Hälfte der Befragten hätte gerne eine Verknüpfung von Kurzarbeitszahlungen mit Weiterbildungsaktivitäten gesehen.
Online oder Präsenz?
Die Frage nach den Lernformen ergab, dass 53 % aller Weiterbildungsmaßnahmen reine Präsenztrainings waren (2021: 39 %), 26 % rein digitale Lernformen (2021: 34 %) und 17 % Blended Learning (2021: 25 %), also eine Mischung von beiden. Wir sehen also, dass nach Corona-bedingten Einschränkungen bei klassischen Präsenztrainings in den letzten beiden Jahren Unternehmen wieder zunehmend auf reine Präsenztrainings setzen. Diesen wird nach wie vor eindeutig die höchste Wirksamkeit zugesprochen, wenngleich auch digitale Lernformate an Effektivität gewinnen.
Um diese Vermutung zu prüfen, sehen wir in den Ergebnissen der vom WIFI Österreich beauftragten und am 6. September 2022 veröffentlichten IMAS-Studie nach. In dieser Studie (Weiterbildungsbarometer 2022) wurden einerseits die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren (n=1013) und andererseits Geschäftsführer, Weiterbildungsbeauftragte und Personalverantwortliche in österreichischen Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern befragt (n=310). Das Ergebnis dieser Studie bezogen auf Online vs. Präsenz: Über 50 % der Erwerbstätigen sind grundsätzlich bereit, digitale Weiterbildungsangebote zu nutzen, bei den Unternehmern sind es sogar knapp 60 %. Nach wie vor setzen Erwerbstätige in der beruflichen Aus- und Weiterbildung jedoch vermehrt auf Präsenz-Seminare.
Tatjana Baborek (Institutsleiter1 WIFI Österreich): »Das digitale Lernen und insbesondere die flexiblen Lernformate, wie die Blended Learning-Variante, die das Beste aus Präsenz- und Online-Lernen verbindet, sind eindeutig gekommen, um zu bleiben.«
Die Antworten auf die Frage »Wenn Sie nun an die Weiterbildung denken: Welche der folgenden Formen wäre Ihrer Meinung nach am besten geeignet? Eher ein Präsenz-Seminar, also vor Ort im Seminarraum, ein Online-Seminar, also im virtuellen Raum oder eine Mischung aus Präsenz und Online?« ergeben 38 % Präsenz-Lehre (Unternehmen und Privatpersonen) und 13 % Online-Lehre (Privatpersonen) bzw. 34 % Online-Lehre (Unternehmen). Rund 30 % beider befragten Gruppen würden eine Mischung bevorzugen, wobei diese grob gesprochen ein 50:50 Verhältnis als angemessen empfinden.
Rund 30 % in beiden befragten Gruppen sind der Meinung, dass Online-Kurse immer deutlich günstiger sein müssen als Präsenzkurse. 21 % der Privatpersonen (15 % der Unternehmen) sind sogar der Meinung, diese sollten immer gratis sein. Spannend ist, dass nur 18 % der Individualpersonen (13 % bei Unternehmen) der Meinung sind, dass bei Online-Kursen die Vorteile gegenüber den Nachteilen überwiegen.
Das klingt erstmals so, als wären Online-Kurse für Trainer eine schwere Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Vergleicht man die Zahlen jedoch mit 2020, sieht man, dass die Bereitschaft, für Online-Kurse Geld auszugeben, stark gestiegen ist. Damals sagten nämlich 66 % der Erwerbstätigen: »Online-Kurse müssen immer deutlich günstiger sein als Präsenzkurse«. Und 43 % waren der Meinung: »Online-Kurse sollten immer gratis sein.«
Lebenslanges Lernen
Bei der Frage nach der Bedeutung von Lebenslangem Lernen (LLL) zeigt sich eine interessante Entwicklung. Während 2021 55 % der befragten Individualpersonen es als sehr wichtig erachteten (2020: 51 %), sahen es 2022 nur noch 44 % so (zusätzlich 43 % einigermaßen wichtig). 30 % leben dieses Motto wirklich und bilden sich regelmäßig weiter, um up-to-date zu bleiben. »Österreich muss sich an den Besten orientieren. Künftig werden nämlich jene Standorte, die Arbeitskräfte-Engpässe am besten bewältigen können, die Nase vorne haben. Weiterbildung ist dafür ein wichtiger Schlüssel«, sagt Mariana Kühnel (zuständige Generalsekretär1 in der WK Österreich). »Während in Ländern wie Schweden oder Finnland laut Eurostat ca. 33 % in den vergangenen vier Wochen eine Weiterbildung absolviert haben, sind es in Österreich nur ca. 14 %. Weiterbildung muss auch bei uns zur Normalität werden.«
Motive und Hindernisse
Hauptmotive für berufliche Weiterbildung sind die Vorgabe durch die Geschäftsführung (22 %), persönliches Interesse (16 %), die berufliche Erforderlichkeit (15 %), Aufstiegschancen (13 %) und die Erweiterung der Fachkompetenz (11 %). Stärkste Hindernisgründe sind laut dem Weiterbildungsbarometer 2022 in der fehlenden Notwendigkeit (47 %) und Erforderlichkeit (41 %) einer Fortbildung angesiedelt. 37 % geben an, grundsätzlich kein Interesse zu haben. Bemerkenswert ist der Anstieg beim Faktor Zeitmangel gegenüber 2021: Insgesamt 54 % der Befragten führen beruflichen Stress oder fehlende Zeit im Privatbereich als Hindernis für eine Weiterbildung an (2021: 37 %).
Weiterbildungsthemen
In der Weiterbildungsstudie 2022 der Plattform berufsbezogener Erwachsenenbildung wurde auch abgefragt, welche Themen Unternehmen in Zukunft als relevant erachten. Während sich Unternehmen durch Trainings im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung nach wie vor einen großen Konkurrenzvorsprung erwarten, gewinnen Weiterbildungen im Bereich IT mit plus 13 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr stark an Bedeutung und landen heuer erstmals auf Platz 1 des Weiterbildungs-Rankings.
Technik & Produktion konnte in ihrer Wichtigkeit als Weiterbildungsmaßnahme leicht zulegen und erreicht nun in etwa die Bedeutung von Persönlichkeitsentwicklungstrainings.
Der Bereich Management/Unternehmensführung, der besonders in den letzten beiden Jahren aufgrund der Corona-bedingten großen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Unsicherheiten und des verstärkten dislozierten Arbeitens ausgebaut wurde, verliert an Bedeutung und ist nicht mehr in den Top 3 des Weiterbildungs-Rankings vertreten.
Grundsätzlich nimmt die Bedeutung von Weiterbildung weiterhin zu, da sind sich beide Studien einig. So wird für mehr als 60 % der Unternehmen in Österreich die Bedeutung von Weiterbildung in ihrem Betrieb in den nächsten Jahren (stark) zunehmen. So planen auch 37 % der Unternehmen 2022 mehr Budget als 2021 in die Weiterbildung ihrer Belegschaft zu investieren. Diese starke Zunahme des geplanten Weiterbildungsbudgets stellt ein noch nie dagewesenes Hoch seit Beginn der Auswertungen 2009 dar.
Weiterbildung als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel
Laut der WIFI-Studie melden sieben von zehn Unternehmen (71 %) Probleme bei der Besetzung offener Stellen. Die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung wirken sich natürlich auch auf die innerbetrieblichen Weiterbildungen aus: Für über ein Viertel der österreichischen Unternehmer zählen der Personal- und Fachkräftemangel zu den größten Herausforderungen im Bereich Weiterbildung und Weiterentwicklung. Gleichzeitig erreicht die Bedeutung des berufsbegleitenden Lernens ein Rekordniveau − von Unternehmensseite bewerten 91 % die Fortbildung ihrer Mitarbeiter als wichtig. Umso größer sind aktuell die beruflichen Chancen, wie Markus Raml (Kurator des WIFI Österreich) anmerkt: »Wer sein Know-how und seine fachlichen Fertigkeiten jetzt durch eine maßgeschneiderte Weiterbildung erweitert, kann im Arbeitsmarkt rasch entscheidende Karriereschritte setzen.«
Um den Bedarf nach qualifizierten Mitarbeitern zu decken, wird laut der Weiterbildungsstudie 2022 vor allem auf 3 Strategien gesetzt:
- neue Stellen ausschreiben
- bestehende Mitarbeiter unternehmensintern höher qualifizieren bzw. mit unternehmensinternen Ressourcen umschulen
- bestehende Mitarbeiter über externe Aus- und Weiterbildungseinrichtungen höher qualifizieren bzw. mit externer Unterstützung umschulen.