Um sich als Speaker im hart umkämpften Markt durchzusetzen, braucht es neben einer perfekten Keynote noch einiges an Positionierungs-Know-how.
Bei der Convention der National Speakers Association (NSA) Ende Juli dieses Jahres in Orlando hat Deutschland einen Trend gesetzt: Die erste vollumfängliche 3D-Holo-Keynote feierte in den USA Premiere. Komplett in Deutschland von experts4events und unseren Partnern produziert und von hier in die USA exportiert, wurde sie allerdings von einer amerikanischen Top-Speaker beauftragt und präsentiert: Sylvie di Giusto. Auch wenn sie europäische Wurzeln hat, tickt sie doch amerikanisch: Da wurde nicht mit Investitionsminimums vorsichtig rumprobiert, sondern mit einer knapp sechsstelligen Investitionssumme geklotzt. Sie wusste von Anfang an genau, was sie wollte: Maximale Inszenierung, beste Dramaturgie, kompromisslose Qualität auf der Bühne. Sie hat diese Keynote monatelang geprobt, bis sie eins war mit ihr. Und diese erste Version war dennoch nicht perfekt, aber mit Abstand das Beste am Markt.
Dieses Mindset zu kompromissloser Bühnenperformance gekoppelt mit schier grenzenlosem Innovationswillen ist jedes Mal wieder DAS Learning für mich von den amerikanischen Top-Speakern. Das ist auch bei uns absolute Pflicht für professionelle Speaker-Positionierung. »Einfach mal auf die Bühne gehen und reden« gibt es eben auf den großen Bühnen der USA nicht. Das beweist auch die seit Jahren überdurchschnittliche Präsenz des Thema Storytelling bei NSA Conventions. In allen Varianten. Ich habe den Eindruck, dass die Speaker dort den ganzen Tag nur Stories suchen – oder gar kreieren, in dem sie überall neugierig fragen, experimentieren, provozieren. Niemand ist auch so kreativ mit Storytechniken und -strukturen. In amerikanischen Keynotes findet man ja häufig »nur« eine Haupt-Geschichte, die sich in vielen Facetten durchzieht. Das kenn ich in Deutschland fast nur von reinen Storytellern wie Extrem-Bergsteigern & Co. Der großartige Tim Gard sprach in seiner General Session sogar über seine bekannte Fluggast-Story als »The Making of a Million Dollar Story«, weil ihm diese eine perfekt designte Kernstory seit Jahrzehnten fünfstellige Honorare je Vortrag beschert. Ein zweites Storytelling-Innovations-Vorbild ist Steve Spangler. Er erzählt humorvoll in mehreren Episoden, was er als moderner Lehrer mit seinen Kindern im »experimentellen Lernen« früher anstellte: z. B. die Kinder (leicht) unter Strom setzen, brennende Teppiche aufgrund Feuerexperimente uvm. Zwischen den Episoden baute er die vielen kritisch-spannenden Dialoge mit seiner Rektorin ein: lustig, aber auch nachdenklich. Und am Ende des iterativen Storytellings dann die eine Kernbotschaft: Eltern waren nicht sauer auf ihn, denn endlich mussten sie nicht mehr fragen, wie der Schultag war: Kinder erzählten mit motiviert-strahlenden Augen von selbst. Das transferiert er – unterstützt durch viele Requisiten und »Live-Experimente« auf der Bühne – perfekt in die Businesswelt, und fertig ist die einprägsame, erlebnisreiche, begeisternde Keynote. Das war meisterliches Pingpong von Storymodulen der Extraklasse. Professionelles Speaking ist primär eben nicht Content vermitteln. Expertise und Content ist nur die Berechtigung, auf die hoch bezahlten Speaker-Bühnen zu dürfen.
Gesamtkunstwerk »Rede«
Das hohe Honorar kommt aber vom stimmigen Gesamtkunstwerk der Rede, in der die Pflicht ist, vor allem relevante Storys perfekt zu erzählen, die ein Oh, Wow, Aha, Ui usw. auslösen und zwei Effekte haben: Wir merken uns die Botschaften besser. Und wir setzen sie gern um und erzählen sie gern weiter, weil wir froh und stolz waren, bei diesem Vortrag dabei gewesen zu sein. Alles unter dem Mindset von Luiciano Pavarotti: »Alle möchten, dass das Publikum sie liebt. Aber ich liebe einfach nur das Publikum.« Dieses Motto generiert Storytelling-Fans und höchste Honorare.
Wenn der Vortrag »funktioniert«, ist die nächste Pflicht für professionelle Speaker-Positionierung, sich die Frage zu stellen, wo denn der jeweilige Vortrag im eigenen Geschäftsmodell eigentlich eingebettet ist. Keynote-Speaker, die nur Vorträge halten, sind eher die Ausnahme. Und das sollte auch so sein, denn ein Publikum »heiß« zu machen auf mehr vom Redner (das macht eine gute Keynote), und dann keinen nächsten Schritt im Angebot zu haben, ist wie Flirten ohne klare Absicht, wo der Flirt enden soll. Auch hier sind viele Amerikaner stark, in dem sie verwobene Produkt- und Leistungsangebote um die Keynote herum bauen: Vom Gratis-Content über Webinare, PDFs, E-Books, Podcasts, Bücher, Coachings, Trainings, Masterminds usw. Das eine macht auf den Vortrag hungrig, das andere führt ihn logisch fort. Speaker, die dieses Angebotssystem transparent und einfach visualisieren, müssen dann auch nicht von der Bühne verkaufen, maximal andeuten: Denn der Folgeumsatz kommt dann von ganz allein. Unterstützt natürlich durch ein »elegant konsequentes« Führen von Kunden durch einen Lernweg mit verschiedenen Wachstumsangeboten bis hin zum Fan als Teil einer Community. Dabei geht es weniger um möglichst viel inhaltliche Fülle oder Qualität – wie es viele deutschsprachige Speaker gerne machen. »Nur« gute Fülle und Qualität reicht auch. Den Rest des »Community-Klebstoffs« zwischen Fan und Speaker macht die erzeugte Nähe zum inszenierten Speaker aus.
Tools zur Automatisierung
Dazu kommt die professionelle Nutzung von Automatisierungstools sowohl bei Prozessen der Customer Journey und der automatisierten Kommunikation Richtung Cross-/Upselling als auch beim Generieren von Empfehlungen. Und natürlich auch in der Automatisierung von Social-Media-Marketing und Social-Media-Advertising, um die lebende Community am Markt ständig zu zeigen und die Liste mit Hilfe von
sehr guter Customer-Relationship-Management-Software konstant auszubauen. Dabei nutzen professionelle Speaker mittlerweile natürlich auch Tools auf Basis künstlicher Intelligenz für das einfache Generieren von Audio, Video, Bild oder Text in allen Varianten für noch mehr Positionierung, Reichweite und Bekanntheit. Mein Highlight war das Tool rendermedia.ai (analog spiritme.tech), wo Speaker ihren digitalen Avatar aufnehmen konnten, um diesen Avatar von sich als Speaker dann später über die Plattform alles sagen und trainieren lassen zu können. Das ist sehr real wirkende Speaker-Multiplikation der nächsten Generation.
Und dann ist da noch die amerikanische Neigung und Qualität, viele Menschen einzubinden. Einerseits Profis als Dienstleister, die einzelne nötige Projekte für die Speaker abwickeln. Andererseits aber die Einbindung in der Art, andere konstant sagen zu lassen, wie toll man ist. Deshalb sind gerade Bücher oder Content-Veröffentlichungen aller Art nach wie vor der Hit: Denn sie bieten die Chance, Titel zu erzeugen wie »Spiegel Bestseller«, x-facher Buchautor, Gast bei Talkmaster-Legende X oder Y, TED-Speaker oder Kolumnist im Standard oder anderen Printprodukten. Vor allem dieser Ruhm führt dann auch zu Auszeichnungen bis hin zur Speaker Hall of Fame u. ä. Fast alle der größten Speaker haben so auch die meisten der möglichen relevanten Auszeichnungen. Es ist die Königsklasse der Positionierung: Wenn andere sagen, ich bin gut, wiegt das um ein Vielfaches mehr als wenn ich es von mir selbst behaupte. Diese Speaker sind nicht besser als andere, sondern einfach bekannter und damit einher geht eine Expertenvermutung als Vertrauensvorschuss.
Es gibt nur wenige professionelle Keynote-Speaker, die nur durch ihre Brillanz in der Bühnen-Performance gut davon leben. Es dreht sich bei den meisten anderen um die vier berühmtem »P«s der Speaker-Positionierung: Performance, Products, Promotion und People. Wenn Speaker sich dann noch ihrer selbst bewusst sind, also klar ist, wofür sie stehen, steht dem Erfolg nichts im Wege. Speaker-Buyer erkennen dieses »Selbst-Bewusstsein«, wenn auf der Website, in den Content-Varianten, im Vortrag usw. wie von selbst klar wird, welche Schlüsselwörter und Schlüsselsätze sich Teilnehmer und Fans ganz automatisch merken, weil sie als Kernbotschaften im Mittelpunkt stehen und sich ständig in Varianten wiederholen. Daraus entsteht die Speaker-Marke und die kann dann und wird dann auch konsequent weitererzählt. Sind Ihnen Ihre Kernwörter und -sätze glasklar und kommunizieren Sie sie konsequent, damit Ihre Teilnehmer, Kunden und Fans es ebenso kommunizieren können?