Wenn der Coach den Coach trainiert

Um seriös als Coach zu arbeiten, braucht es eine solide Ausbildung. Wie Coaching gelernt und geübt werden kann und welche Inhalte eine professionelle Ausbildung umfasst, hat TRAiNiNG bei Experten in der Branche nachgefragt.

Coaching soll immer eine seriöse Angelegenheit sein. Menschen sind unsicher, haben Anliegen, bei denen kein Freund oder Kollege weiterhelfen kann. Man selber schon gar nicht. Daher – auf zum Coach. Unternehmen bezahlen viel Geld, damit ihre Mitarbeiter zielführend gecoacht werden.
Um den Beruf des Coachs zu erlernen, werden zahlreiche Ausbildungen angeboten. Damit jemand in Österreich als Coach arbeiten darf, bedarf es nämlich nicht zwangsläufig des Abschlusses einer Coachingausbildung. Viel mehr braucht man eine Gewerbeberechtigung als Unternehmensberater oder eine Lebens- und Sozialberater-Ausbildung. Ärzte und Psychologen dürfen ebenfalls coachen, unabhängig davon, ob sie je eine Ausbildung im Coaching absolviert haben.

Coaching concept. Chart with keywords and icons
Coaching concept. Chart with keywords and icons

TRAiNiNG hat bei Coaching-Experten nachgefragt, welche Inhalte eine zeitgemäße Ausbildung umfasst.
Sabine Prohaska (Geschäftsführerin seminar consult, Trainerin und Coach) ist erfahrener Coach und bildet auch neue Coaches aus: »Ein zentrales Element in der Coachingausbildung ist die Entwicklung eines eigenen Stils und einer eigenen Haltung. Jedes Tool ist nutzlos, wenn es nicht richtig angewendet wird und der Anwender nicht aus einer bewussten und umfassenden Perspektive heraus agieren kann. Um das zu ermöglichen, sind folgende Inhalte unbedingt erforderlich:

  • Grundlagen des Coachings (Berufsethik, Werte, rechtliche Situation, Abgrenzung zu anderen Professionen)
  • Coachingprozess
  • Rolle und Haltung
  • Interventionstools (z. B. für Beziehungsaufbau und Auftragsklärung, Fragetechniken, Visualisierung etc.)
  • persönliche Kompetenz (Selbstkritik und -reflexion, Bereitschaft zur persönlichen Entwicklung).«

Elisabeth Jelinek (Geschäftsführerin Jelinek Akademie) bildet ebenfalls seit vielen Jahren neue Coaches aus: »Meines Erachtens steht eine gute Ausbildung auf einem klaren theoretischen Grundgerüst wie z. B. Systemtheorie, Konstruktivismus oder dem integralen Gedankengut. Die Interventionsmethoden sind sorgfältig auszuwählen und sollen anschlussfähig sein. Mir ist es wichtig, dass unsere Teilnehmer die Methoden durch praktische Übung korrekt lernen und die Stärken und Zielrichtung der Methoden verstehen und einüben. Dann können einzelne Methoden auch später in der Praxis abgewandelt oder mit anderen Methoden kombiniert werden. Selbsterfahrung durch Einzelcoachings oder Seminare und Reflexion sind weitere wichtige Aspekte. Es ist allerdings darauf zu achten, dass die Selbsterfahrung ihren eigenen Raum bekommt und nicht zu Lasten des Erlernens der Beratungs-Methode geht. In einer guten Coaching-Ausbildung braucht es auch eine Vielzahl an kleinen Themen wie Rahmenbedingungen, Setting, Marktsituation, ein Stück Krisenintervention für den Ernstfall, Psychohygiene, Aufklärung über die Rechtsgrundlagen etc. Auch die Arten im Coaching, die am Markt vertreten sind, sollte man thematisieren und ein Teil der Ausbildung sollte sich auch mit der Form des Teamcoachings beschäftigen. Es sollte eine Möglichkeit vorhanden sein, evtl. in einem anderen Segment einer Ausbildung die Kenntnisse noch zu vertiefen, wie Trainingskompetenz, Gruppendynamik, Moderation etc.«

Miglena Doneva-Doncheff (Programm Managerin, ICF-Coach, Trainerin und Beraterin bei der ITO GmbH) spricht noch ein weiteres Thema an: »An erster Stelle ist die Klärung, was Coaching wirklich ist und wie es sich von anderen Themen wie Therapie, Training, Mentoring etc. unterscheidet, wichtig. Ein weiterer wesentlicher inhaltlicher Punkt bei unseren Ausbildungen sind die Erkenntnisse aus der Gehirnforschung: Wie funktioniert das menschliche Gehirn und wie kann man das als Coach nutzen, um den Klienten zu unterstützen, seine Ziele zu erreichen? Ein guter Coach muss lernen, wie er seinen Coachee dabei begleiten kann, sich in Einklang mit den eigenen Werten zu bringen, klare Visionen zu entwickeln und am Ende konkrete Handlungsschritte auszuarbeiten: No coaching without action steps! Eine klare Struktur mit den einzelnen Schritten der Coaching-Session, die gleich angewendet werden können und jeden Coach effizient und erfolgreich machen.«

So wie ein guter Verkäufer noch lange kein guter Verkaufstrainer ist, ist auch ein guter Coach noch lange kein guter Coaching-Ausbildner. Jedoch genau in diese Rolle schlüpft ein Coach, der eine Coachingausbildung anbietet. Es zahlt sich daher aus, die jeweiligen Anbieter bzw. Trainer einer Coaching-Ausbildung genau anzuschauen und auch auf deren Trainingskompetenzen hin zu überprüfen.

Viele Coachingausbildungen wollen mit einer Vielfalt an vermittelten Methoden und Techniken punkten. »Je mehr Methoden, desto besser die Coachingausbildung und daher auch die Kompetenz als Coach« – das ist die dahinterliegende Annahme.

Dagmar Grafeneder (Beraterin, Business Development Managerin bei KICK OFF Management Consulting GmbH) ist skeptisch: »Ein sehr wichtiger Aspekt, der unserer Meinung nach bei diesem Ansatz zu kurz kommt, ist das Know-how über die dahinter liegenden Prozesse. Wenn man so will, kann man die eingesetzten Methoden und Techniken im Coaching als die Spitze des Eisberges betrachten, die jedoch nur auf Basis der zugrunde liegenden Themen und Prozesse passend eingesetzt werden können. Eine gute Coachingausbildung vermittelt daher auch die verschiedenen Prozessebenen, auf denen gearbeitet werden kann. Das ist einerseits die rein organisatorische Ebene, auf der Themen aus dem Management und der Zusammenarbeit auf der Struktur-Ebene reflektiert und bearbeitet werden. Darüber hinaus gibt es die Beziehungsebene, wo mit intra- bzw. interpersonalen Konflikten oder Verhaltensänderungen gearbeitet wird. Auf der dritten Ebene wird gearbeitet, wenn es um Musterunterbrechungen geht.«

Ebenfalls wichtig für einen zukünftigen Coach ist das Wissen im Umgang mit dem Spannungsdreieck Coach – Coachee – Auftraggeber. Denn in der Mehrheit der Coachingfälle ist der Coachee nicht gleichzeitig auch der Auftraggeber, sondern ein dahinterstehendes Unternehmen. Wenn der Auftraggeber andere Ziele formuliert als der Coachee, kann ein Dramadreieck entstehen, mit dem der Coach professionell umgehen muss.

Üben, üben, üben

Einfühlungsvermögen, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit und weitere Themen müssen nach der theoretischen Erklärung auch geübt werden. Wie läuft das in den unterschiedlichen Ausbildungen ab?

Sabine Prohaska: »Wir arbeiten in unserer Ausbildung mit kurzen Theorieinputs. Dieses Wissen wird dann sofort in Übungen ausprobiert und in Können übersetzt. Eine Vertiefung im Sinne eines Kompetenzaufbaus findet in den selbst organisierten Peergruppen statt. Feedback- und Reflexionsschleifen sind fixe Bestandteile jeder Übungssequenz. Diese finden entweder mündlich oder schriftlich z. B. in Form von Peergruppen-Protokollen statt. Unsere Module bauen didaktisch aufeinander auf. Dadurch erwerben die Teilnehmenden sukzessive mehr Wissen, Können und Sicherheit.«

Dagmar Grafeneder: »Die Übungsformate in unserer Ausbildung sind unterschiedlich. Wir setzen in unseren Lehrgängen auf das Prinzip »demonstrieren und ausprobieren« in kleinen Gruppen. Dabei ist die Beobachtung durch die anderen Teilnehmer und das anschließende Feedback ein wichtiges Element des Lernens. Darüber hinaus gibt es die Peergruppen oder Technik-Gruppen, in denen die Teilnehmer unter sich üben. Um auch hier ein effizientes Lernen zu ermöglichen, bieten wir auch in den Peergruppen Supervision an. Das Üben unter Supervision ist für uns Pflicht, genauso wie eine geraume Anzahl an Selbstreflexionsstunden. Ein Coach muss wissen, wo seine eigenen Themen liegen und wie er damit umgeht, wenn eines davon in einem Coaching-Prozess getriggert wird. Die Übungskandidaten werden am Anfang meist aus dem unmittelbaren Bekannten- und Freundeskreis akquiriert und stehen dem Coach oft zu nahe, um von ihm auch gecoacht werden zu können. Daher hat es sich bewährt, sogenannte Coachingpools zu bilden, aus denen jeder Teilnehmer seine Coachees zu Übungszwecken erhält.«

Miglena Doneva-Doncheff: »Am besten ist es, wenn die Übungsmöglichkeiten der Realität entsprechen – eine gute Mischung aus Face-to-face- und Online-Coaching-Einheiten. Am Anfang brauchen die Teilnehmer einen sicheren Rahmen und können das Gelernte miteinander ausprobieren – sowohl während der Ausbildungsmodule als auch in den Zeiten zwischen den Modulen. Bestens bewährt hat sich das Üben in Triaden (face-to-face und online), damit man sich gegenseitig Feedback geben und mit jeder Coaching-Einheit lernen kann. Ein weiterer wichtiger Übungsbestandteil sind Coaching-Einheiten mit unvoreingenommenen Interessenten. Diese Coaching-Sessions nimmt man auf (Audio), um diese Aufnahmen für Selbstreflexion zu nutzen und Feedback von den Ausbildern bzw. Mentor-Coaches bekommen zu können.«
Digitales Coaching
Auch Coaching wird digital, das hat TRAiNiNG in dem Artikel »Digitales Coaching – der neue Trend?« in der Ausgabe 4/17 ausgearbeitet. Auch wenn der Markt dafür noch nicht allzu groß ist, ergibt es Sinn, wenn Coaching-Schüler bereits Basisinformationen darüber erhalten. Das sehen auch unsere Ausbildner so.

Miglena Doneva-Doncheff: »Digitales Coaching ist ein ganz wichtiges Thema heutzutage, das in einer Coaching-Ausbildung nicht fehlen darf. Für uns in Europa ist das Thema neu und ich habe das Gefühl, dass wir noch immer glauben, dass eine gute Beziehung und Atmosphäre, die für Coaching sehr wichtig sind, nur face-to-face aufgebaut werden können.«

Dagmar Grafeneder: »Digitale Methoden können den persönlichen Kontakt zum Coach niemals ersetzen, jedoch als wichtige Instrumente zusätzlich eingesetzt werden. Ist die Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Coachee vertrauensvoll und tragfähig, können gemischte Formate angewendet werden, wo fallweise Präsenz-Coachings durchgeführt und zwischen den Treffen verschiedene andere Kommunikationsmittel genützt werden. Sehr professionell ist auch der Einsatz von 3-D-Avataren, mit denen auch Visualisierungsmethoden, wie Aufstellungen, simuliert werden können.«

Elisabeth Jelinek: »In unserem Kundenkreis gibt es zur Zeit noch keine Nachfrage und es wurde auch noch nicht thematisiert. Ich als Ausbildnerin habe etwas experimentiert damit und befasse mich mit zukunftsträchtigen Methoden. Ich denke, dass hin und wieder der Wunsch auftreten wird, dass es gelegentlich ein Thema sein wird und auch gemacht werden kann. Ich kann mir jedoch kaum vorstellen, dass sich jemand ohne persönliche Anbindung und Vertrauen einem Coach übers Internet anvertraut.«

Zulassungsvoraussetzung

Coaching ist keine Therapie. Genauso wenig ist eine Coachingausbildung als Therapie für die Teilnehmer gedacht. Um als Coach zu arbeiten, sollte man eine stabile Persönlichkeit aufweisen. Offizielle Zulassungsvoraussetzungen für eine Coachingausbildung gibt es keine. Die unterschiedlichen Anbieter schauen sich die Bewerber jedoch gründlich an.
Sabine Prohaska: »Als Grundvoraussetzung gilt für mich ein persönliches Vorgespräch, um Erwartungen und Vorwissen abzuklären. Hier erörtere ich auch die Frage, ob die Ausbildung für den Interessenten sinnvoll ist, denn das hängt stark von der jeweiligen Zielsetzung des Teilnehmers ab. Daher meine Standardfrage: ›Wozu wollen Sie eine Coachingausbildung absolvieren?‹ Weitere Grundvoraussetzungen sind die Bereitschaft zur Reflexion und zum eigenständigen Arbeiten/Üben. Da wir eine Business-Coachingausbildung anbieten, zählt für uns auch eine mehrjährige Berufserfahrung als wichtige Zulassungsvoraussetzung.«

Elisabeth Jelinek: »Um in eine Coachingausbildung aufgenommen zu werden, braucht es den Willen zur Reflexion, eine gewisse menschliche Reife und Intelligenz. Eine schnelle Auffassungsgabe, der Wille, sich selbst ständig zu verbessern, Menschenliebe, Offenheit, Ehrlichkeit, Kreativität, Lernfähigkeit, ein Interesse an psychologischen Inhalten etc. Ich mache mit jedem Kandidaten ein ausführliches persönliches Gespräch. Hier kommt mir meine 30-jährige Erfahrung und Seniorität zugute. Menschen, die unreflektiert sind, selbst viele Probleme haben oder Vorstellungen, die so gar nicht mit dem Beruf des Coaches vereinbar sind, denen rate ich ab.«
Dagmar Grafeneder: »Für eine Coachingausbildung gibt es bei uns keine formalen Zulassungskriterien. Doch wir achten darauf, dass die Teilnehmer eine abgeschlossene Berufsausbildung bzw. ein Studium aufweisen und ein Mindestalter von ungefähr 30 Jahren haben. Um coachen zu können, braucht man unserer Meinung nach neben einer guten Ausbildung auch eine gewisse Lebenserfahrung, die unter dem 30. Lebensjahr kaum gegeben sein kann. Coachees, die mit schwierigen Lebensthemen ins Coaching kommen, brauchen das Gefühl, dass der Coach selbst viel Lebenserfahrung mitbringt, um ihn als kompetenten Ansprechpartner akzeptieren zu können.«

Fazit

Eine Coachingausbildung bereichert sowohl das Berufsleben als auch das Privatleben, daher absolvieren etliche Teilnehmer eine Ausbildung, ohne jemals die Absicht zu haben, als Coach zu arbeiten. Wenn Sie eine Ausbildung anstreben: Vergleichen Sie die Angebote und schauen Sie nicht nur auf den Preis. Die Erfahrung des Trainers sowohl als Coach als auch als Wissensvermittler ist wichtig. Nehmen Sie sich Zeit und sprechen Sie in Ruhe mit mehreren Ausbildungsinstituten, um so einen guten Überblick zu bekommen.

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