Wie Führungskräfte in der Wiener Stadtverwaltung künftig mit Fehlern umgehen sollen, lesen Sie in diesem Artikel.
Mitarbeiter A beschädigt aus Versehen einen gelagerten Beleuchtungskörper. Aus Angst vor negativen Konsequenzen verschweigt er seinen Vorgesetzten den Vorfall. Später kommt es beim Kunden zu einem Schaden, weil die Beleuchtung unerwartet ausfällt.
Mitarbeiterin B beobachtet, dass ihre Kollegen immer wieder Brandschutzauflagen missachten. Da sie fürchtet, als unkollegial zu erscheinen, spricht sie ihre Wahrnehmung nicht an. Durch einen Brand am Wochenende gerät das Unternehmen in Lieferschwierigkeiten.
Mitarbeiter C entdeckt durch Zufall einen Systemfehler in einem Computerprogramm. Aus Sorge, seine Vorgesetzten zu kritisieren, lässt er die Sache auf sich beruhen. Später kommt es zu einem Diebstahl von Kundendaten.
Richtiger Umgang mit Fehlern
Hätte Mitarbeiter A sein Missgeschick gemeldet, wäre der Schaden beim Kunden verhindert worden. Hätte Mitarbeiterin B auf die Nichteinhaltung der Brandschutzauflagen hingewiesen, wäre das Feuer wahrscheinlich nicht ausgebrochen. Hätte Mitarbeiter C seine Entdeckung gemeldet, wäre es nicht zum Data Breach (Datenleck, Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten) gekommen.
Wie die Beispiele zeigen, ist die Fehlerkultur als Teil der Unternehmens- und Führungskultur keineswegs eine rein interne Angelegenheit der jeweiligen Organisation oder allein der Personalentwicklung. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Fehler machen und daraus lernen ein wesentliches Element der Qualitätssicherung gegenüber den Kunden darstellt. Mehr noch: Fehler sind ein ständiger Motor für Innovationen. Aus diesem Grund widmete sich die Dritte Wiener Innovationskonferenz 2018 unter dem Motto »Wenn Fehler Früchte tragen« der Fehlerkultur als Generalthema.
No-Blame-Kultur
Auch die Wiener Stadt- und Landesverwaltung als kundenorientierte Dienstleisterin hat realisiert, dass Fehler nie zur Gänze vermieden werden können. Daher war es wichtig, Grundlagen zu schaffen, um mit Fehlern konstruktiv umzugehen. Anders als ein Klima der Schuldzuweisung führt eine Kultur des wertschätzenden Miteinanders zu einer lösungsorientierten Fehlerkultur. Sich bewusst zu werden und zu akzeptieren, dass wir alle Fehler machen, ist Voraussetzung dafür, auf Fehler richtig zu reagieren, aus ihnen zu lernen und die gleichen Fehler künftig zu vermeiden. Ein offener Umgang mit Fehlern ist also ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ganzheitliches Qualitätsmanagement. Langfristig sichert eine positive Fehlerkultur die Qualität von Dienstleistungen und Services. Sie liegt damit im Interesse der Bürger und Kunden.
Den konstruktiven Umgang mit Fehlern kann man lernen. Ein spezieller Workshop der Wien-Akademie hilft beim Etablieren einer guten Fehlerkultur. Dabei kommt auch die Kundensicht nicht zu kurz. Ein Spezialtag »Fehlerkultur« gibt Antwort auf Fragen wie:
- Was ist überhaupt ein Fehler?
- Konstruktive und destruktive Fehlerkultur?
- Was können Führungskräfte beitragen?
- Fehlerbewusstsein und Fehlerkompetenz?
- Eindämmen gravierender Folgen?
- Warum ist Angst vor Fehlern gefährlich?
- Wie vermeiden wir Schuldigensuche und Fingerpointing?
- Welche Kompetenzen brauchen wir im Umgang mit Fehlern?
- Wie kann das Team aus Fehlern lernen und gemeinsam aus Schaden klug werden?
- Wie reagieren wir richtig, wenn Kunden sich über Fehler beschweren?
- Wie gehen wir konstruktiv mit verärgerten Kunden um?
An dem von der österreichischen Fehlerkulturexpertin Elke Schüttelkopf gestalteten Workshop nahmen bisher rund 180 Führungskräfte der Wiener Stadt- und Landesverwaltung teil. Insgesamt besuchten rund 1 800 Mitarbeiter Veranstaltungen, die Fehler- und Risikovermeidung zum Inhalt hatten.
Das Handbuch: Vertrauen und Wertschätzung
Der Input der Fehlerkulturexpertin bildete eine Grundlage des ersten Teils des Handbuchs. Der Fehler wird als Nichterfüllung einer Anforderung definiert und klar von tatbestandsmäßigem sowie schuldhaftem Verhalten unterschieden. Der Leitfaden hilft im Umgang mit Fehlern im Magistrat der Stadt Wien eine »No Blame Culture« statt einer »Blame Culture« zu etablieren. Vorgesetzte haben stets darauf zu achten, dass Mitarbeiter ihre Aufgaben gesetzmäßig, zweckmäßig, wirtschaftlich und sparsam erledigen. Sie haben Mitarbeiter anzuleiten, ihnen nötigenfalls Weisungen zu erteilen sowie Missstände und aufgetretene Fehler abzustellen. In weiterer Folge haben Führungskräfte nach einer Ursachenanalyse Maßnahmen zu setzen, die künftige Fehler oder Missstände grundsätzlich ausschließen (internes Kontrollsystem).
Die Checkliste: Pflichtverletzung – was nun?
Gelegentliche Fehler oder Schwankungen der Arbeitskraft sind in der Regel arbeitsrechtlich (disziplinär) unerheblich. Die Checkliste bei Verdacht von Dienstpflichtverletzungen bildet den zweiten Teil des Handbuchs. Sie ist für jene Fälle gedacht, bei denen es sich nicht mehr um reine Fehler handelt, die passieren, sondern um mögliche schuldhafte dienstrechtliche Verfehlungen. Die Zurverfügungstellung eines solchen »Werkzeugkoffers« für den Umgang mit Pflichtverletzungen war ein ausdrücklicher Wunsch der am Strategiedialog der Stadt Wien teilnehmenden Führungskräfte. Wenn Grund für die Annahme einer oder mehrerer solcher Dienstpflichtverletzungen besteht, ist die Verantwortlichkeit mit größtmöglicher Objektivität zu prüfen. Je nach Fall kommen Maßnahmen der Personalentwicklung, die Versetzung in eine andere Abteilung, die Änderung der Funktion, Ermahnungen oder Belehrungen sowie die Meldung an die Dienstbehörde in Frage.
Die Checkliste gibt konkrete Anhaltspunkte, wann und wie im Fall eines Verdachts vorgegangen werden kann. Sie macht die bestehenden Regeln transparent und empfiehlt nach Wegfall eines Verdachts oder nach Einstellung eines dienstrechtlichen Verfahrens das Setzen vertrauensbildender und rehabilitierender Maßnahmen durch die Führungskraft.
Der Leitfaden: Polizeiliche Ermittlungen
Der dritte Teil des Handbuchs unterstützt mit einem Leitfaden für den Kontakt mit Strafverfolgungsbehörden Führungskräfte bei strafrechtlichen Ermittlungen innerhalb ihrer Dienststelle. Auch diesem Leitfaden lag ein Auftrag des Wiener Strategiedialogs zu Grunde. Das Dokument berücksichtigt die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe der Magistratsdirektion und wurde mit der Landespolizeidirektion Wien abgestimmt. Das Wissen um polizeiliche Befugnisse und strukturierte Abläufe soll helfen, Verdachtsmomente auszuräumen und dazu beitragen, allfällige Straftaten rasch und lückenlos aufzuklären.
Schlussbemerkung
Das Projekt Fehlerkultur im Magistrat der Stadt Wien fand und findet sowohl intern als auch extern hohe Beachtung. Erreicht wurde dies durch die Nutzung verschiedener Informationskanäle, d. h. Handbücher zum Download im Internet und als Druckversion bestellbar, Videoclip auf YouTube und interne Workshops für Führungskräfte und Mitarbeiter. Die Informationsweitergabe über die Grenzen des Magistrats hinaus bezieht auch die Bürger und Kunden mit ein, die somit die Verwaltung künftig beim Wort nehmen können.