Wenn HR erwachsen wird

Unternehmen sind mehr denn je mit Ungewissheit konfrontiert. Auch HR muss sich dieser Veränderung bewusst werden und völlig neue Strategien entwickeln.

Bereits zum 14. Mal fand Mitte April das Jahresforum für die Personalwirtschaft, die »PoP – Power of People« im burgenländischen Rust statt. Ca. 180 HR-Experten diskutierten rund um das heurige Motto »Mut in der Ungewissheit: keep – shift – reset«. Romy Faisst, Gastgeberin der PoP und Geschäftsführerin von Business Circle, bringt die Aktualität des Themas auf den Punkt: »Es geht jetzt darum – mit dem Blick der HR auf das Ganze – Veränderungen extern, Anpassungen der Geschäftsmodelle und Wandel intern, nicht nur zu begleiten, sondern auch mutig voran zu treiben: Was soll bleiben, was soll sich wohin verändern und wo ist neu zu starten?«
Die diesjährige PoP war für rund 50 % der Besucher eine Premiere und sie wurden zu einem wichtigen Teil der bestehenden Community. Für die andere Hälfte, die regelmäßig kommt, fühlt es sich wie ein großes Treffen der Branche an, bei dem Wissensaustausch stattfindet und Freundschaften geschlossen werden.
Bernhard Reisner, Vice President Human Capital bei Miba sowie Sprecher des PoP-Fachbeirats, eröffnet die Konferenz mit den Worten: »Getreu dem Motto der diesjährigen PoP dürfen sich HR-Verantwortliche nicht hinter bestehenden Strukturen verstecken – wir müssen mutig sein und den ›Reset-Knopf‹ drücken, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Manchmal müssen wir auch ›nein‹ sagen und nicht jeden Trend mitgehen.«
Die erste Keynote des Tages hält Margarete Schramböck, CEO der A1 Telekom Austria. Sie spricht über HR aus Vorstandssicht. Ihrer Meinung nach benötigen Unternehmen derzeit drei Strategien: eine für das aktuelle Business, eine für den Transformationsprozess und eine für die mögliche Zukunft. Schramböck weiß, dass Österreich im unteren Drittel liegt, was Digitalisierung in Unternehmen anlangt und appelliert dringend, neue Wege zu gehen. Bei A1 wurden beispielsweise flachere Hierarchien eingeführt, dann eine Plattform zur schnellen Kommunikation aller Mitarbeiter und aller Hierarchiestufen. Führungskräfte wurden geschult, wie sie Kontrolle abgeben können. Über diese Plattform können Mitarbeiter auch Termine mit dem CEO buchen, getreu dem Motto »Book your Boss«.

Gleich im Anschluss kommt Lucy Adams, CEO Disruptive HR, aus London auf die Bühne. In ihrem mitreißenden Vortrag erklärt sie, warum HR nicht für die Zukunft gerüstet ist. Die ehemalige BBC-Mitarbeiterin hat die Veränderungen der Wirtschaft live mitbekommen, als plötzlich der große Online-Händler amazon in die TV-Branche eingestiegen ist. Ein Unternehmen, das etwas völlig anderes macht, erzeugt plötzlich Druck auf die bestehenden TV-Landschaften. Und sie weiß: Den Kunden ist es egal, woher ein neues Produkt kommt, Hauptsache es erfüllt oder übertrifft die Erwartungen. HR agiert laut Lucy Adams derzeit noch in einer Adult-to-Child-Mentalität und schützt seine Mitarbeiter. »Mach das nicht, tue jenes nicht etc.« HR baut Regelwerke auf, die das Leben schwerer machen, um Struktur zu schaffen. Genau das ist der Fehler. »Wir brauchen eine Adult-to-Adult-Einstellung, Mitarbeiter müssen als mündig angesehen werden.« Als Beispiel nennt sie die häufig sperrig und mühsam formulierten Social-Media-Guidelines, die Mitarbeitern vorgeben, was sie über das Unternehmen posten dürfen und was nicht. Das führt dazu, dass kaum noch etwas gepostet wird. Sie bringt auch eine Alternative zu den Guidelines eines englischen Unternehmens: »Play nice – use common sense – if you mess it up, apologize!«
Nach einer Netzwerkpause, die intensiv zum privaten und beruflichen Austausch genutzt wird, geht es traditionell in eine interaktive Session. Markus Stoisser, Design Thinker und Bridgehead der Haufe Gruppe, stellt Lego Serious Play vor und lässt die Teilnehmer gleich selbst Hand anlegen. Wir dürfen verschiedene Modelle herstellen, z. B. als Antwort auf die Frage: »Bauen Sie ein Modell, wie Sie sich selbst 2020 in Ihrer Organisation sehen.« Danach erklären wir in Kleingruppen unsere Sicht der Dinge. So manches wird durch das Modell tatsächlich klarer, besonders als genauer nachgefragt wird.

Nach der Mittagspause haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich aus verschiedenen Themen einen Workshop auszusuchen.
Im philosophischen Café sinniert Michael Lehofer über das Managen von Unsicherheit. Er ist wohl einer der besten Vortragenden in Österreich, mit Witz und Weisheit fesselt er seine Zuhörer. Lehofer: »Nur wenn es HR schafft, den Menschen hinter den Mitarbeitern zu sehen und zu erreichen, ist Veränderung möglich. Denn Verbundenheit führt zu Offenheit und Veränderung bedarf Offenheit.« Außerdem erhöht eine Reduktion des Stresslevels von Mitarbeitern das Veränderungspotenzial. Schade, dass dieser Workshop nach 90 Minuten zu Ende ist.
Im letzten Block des Tages spricht zuerst Harald Katzmaier, Geschäftsführer FAS.research über ein Modell für die Resilienz von Unternehmen. Dabei appelliert er an die Improvisationskraft der Mitarbeiter. »Wir müssen lernen, bestehendes ›Wissen‹ loszulassen und Neues zu lernen. Auch wenn es schwerfällt.«
Im Anschluss gibt es zu dem Thema »Disrupting HR – Disruption and HR« eine Podiumsdiskussion – von Karin Bauer (DER STANDARD) moderiert. Waldemar Zeiler (Gründer einhorn products) erzählt, dass es in seinem Unternehmen keine Abteilungen gibt, sondern einfach nur »ein Unternehmen«. Außerdem gibt es regelmäßig einen »Stuhltausch« mit dem CEO, bei dem Mitarbeiter in seine Rolle schlüpfen und die tatsächlichen Agenden des Tages abarbeiten. Markus Tomaschitz, Vice President HR bei AVL List, stellt eine provokante Frage: »Wann wurde ein HR-Verantwortlicher zuletzt CEO? Sind das nicht meistens ehemalige ›Finanzler‹ oder Controller? Ist jemand, der Bilanzen lesen kann, besser dazu geeignet ein Unternehmen zu führen, als jemand, der Menschen führen kann?« Während einer Diskussion mit dem Publikum fällt der Vorschlag, das »R« in HR einfach in Zukunft wegzulassen und den Menschen nicht mehr »nur« als Ressource für das Unternehmen zu betrachten.

Schade, dass heuer erstmals kein lockerer Keynote-Speaker den 1. Konferenztag beendet. Am späten Nachmittag sind die Teilnehmer doch schon etwas erschöpft und etwas Leichtes, Lockeres, Witziges hätte den Tag schöner beenden können. Traditionell und natürlich für viele eines der Highlights der PoP: das abendliche Get-together im Restaurant »Katamaran« am Neusiedlersee, wo in ausgelassener Stimmung bis früh in die Morgenstunden gefeiert wurde.

Um 9.00 Uhr geht es am nächsten Tag spannend los. Zukunftsforscher Harry Gatterer stellt in seinem Vortrag ein neues Format vor, wie Unternehmen nämlich mit den richtigen Fragen die Zukunft gestalten können. Jedes Unternehmen hat seiner Meinung nach eine Zukunft. Statt sich z. B. zu fragen, ob es Autohäuser in Zukunft noch geben wird, sollten sich Geschäftsführer fragen: »Wird es mein Autohaus in Zukunft noch geben?«
Auch danach wird den Teilnehmern noch einiges geboten, die Auswahl aus zahlreichen Parallelworkshops bietet für jedes Thema die passenden Experten.

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