Wenn Roboter Roboter rekrutieren …

… dann ist es Zeit aufzuwachen. Sie haben bloß schlecht geträumt. Was es jedoch wirklich Neues im Recruiting gibt und welche Themen möglicherweise auch in naher Zukunft relevant werden, damit beschäftigt sich dieser Artikel im Detail.

Um das Interesse potenzieller neuer Mitarbeiter zu wecken, und sich so im »Kampf um Talente« einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu sichern, müssen sich Unternehmen einiges einfallen lassen. Um es ihnen leichter zu machen, bieten immer mehr Start-ups sowie etablierte Unternehmen neue Lösungen an. So gibt es sehr wohl automatisierte Matching-Tools, die dem Unternehmen eine Shortlist von 3 bis 5 Kandidaten vorlegen. JobRocker ist hier beispielsweise ein innovativer Anbieter, der über eine Matching-Technologie (ähnlich dem Parship-Prinzip) die geeigneten Kandidaten sucht.
Dass mittlerweile mehr über das Smartphone nach aktuellen Jobs gesucht wird als über klassische Desktop-PCs oder Laptops, darüber haben wir bereits berichtet. Die Konsequenzen daraus werden jedoch noch immer von vielen Unternehmen nicht erkannt. Nach wie vor gibt es nur wenige Karriere-Seiten, die wirklich für das Smartphone optimiert sind. Einige wenige innovative Unternehmen verwenden bestehende Angebote und Tools und nutzen sie in ungewöhnlicher Form. So wird z. B. bereits Whats­App zur Bewerberansprache genutzt. Daimler hat dafür eine eigene Gruppe bei WhatsApp erstellt, in die alle Interessierten an einer bestimmten Position beitreten durften. Dort wurde dann von einer Mitarbeiterin regelmäßig gepostet, was sie gerade macht. So konnten die Interessierten ein Gefühl für den Arbeitsalltag bekommen. Die Gruppenteilnehmer konnten Fragen dazu stellen, und diese wurden rasch beantwortet.
Aber auch mit Twitter gibt es kreative Wege, um potenzielle Zielgruppen anzusprechen. Ein Beispiel dafür sind die Twitter Cards, mit denen Unternehmen ihren Stellenanzeigen mehr Gewicht verleihen können. Mehr dazu finden Sie im Web unter anderem hier: www.workology.com/twitter-job-cards-recruiting.
Andere Unternehmen sind auch offline innovativ und nutzen beispielsweise die eigenen Mitarbeiter strategisch als Headhunter. So kann recht günstig ein großes Netzwerk angezapft werden. Auch die großen Stellenbörsen wollen natürlich laufend innovative Lösungen schaffen. TRAiNiNG hat darüber mit den Geschäftsführern von StepStone und karriere.at gesprochen. Rudi Bauer (Geschäftsführer bei StepStone): »Als Online-Stellenbörse verbinden wir Unternehmen mit Personalbedarf mit passenden Kandidaten. Unser Fokus liegt darauf, diese Verbindung für Unternehmen wie Kandidaten so einfach, übersichtlich und so effizient wie möglich herstellen zu können. Dafür bieten wir Recruiter individuelle Lösungen und unterstützen dabei, diese optimal einzusetzen. Das Angebot reicht vom Anzeigenratgeber zur perfekten Stellenanzeige über die DirectSearch Database, in der Recruiter Kandidaten direkt finden und kontaktieren können. Employer-Branding-Angebote und natürlich Möglichkeiten für internationales Recruiting – alles aus einer Hand.«

Jürgen Smid (Geschäftsführer bei karriere.at):
»karriere.at bietet Lösungen mit drei Ausrichtungen an: erstens reichweitenstarke, zielgruppengenau ausgesteuerte Stelleninserate. Zweitens mit der talent.cloud eine Lebenslauf-Datenbank mit wöchentlich 2 000 frischen Kandidatenprofilen. Die dritte Säule sind authentische und umfangreiche Arbeitgeberprofile, die sich branding.solution nennen. Im Sinne eines modernen, effizienten Recruitings ergänzen sich die 3 Produktrichtungen komplementär und erhöhen somit den Output für unsere Kunden bei optimaler Usability.«
Recruiting und Employer Branding bedingen einander. Durch ein schlechtes Arbeitgeberimage bekommt ein Unternehmen weniger (qualifizierte) Bewerbungen. Durch ein schlechtes Recruiting sinkt das Arbeitgeberimage. Gutes Recruiting hingegen kann das Image erheblich verbessern. Wenn Employer-Branding-Verantwortliche und Recruiting-Verantwortliche eng zusammenarbeiten, können auch neue kreative Methoden entstehen. Denn trotz aller Automatisierung und Digitalisierung gilt noch immer eines: Unternehmen suchen Menschen und Menschen suchen Unternehmen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Jürgen Smid über die Relevanz eines Arbeitgeberimage: »Recruiting funktioniert heute am besten, wenn die Arbeitgebermarke des ausschreibenden Unternehmens klar umrissen ist. Der Jobsuchende soll bereits nach kurzer Recherche wissen, ob er beim betreffenden Unternehmen arbeiten will oder nicht. Gelingt das, steigt in der Regel nicht nur die Anzahl der Bewerbungen, sondern vor allem die Anzahl an Bewerbern, die wirklich ins Unternehmen passen.«

Rudi Bauer über die Aufgaben von Employer Branding für das Recruiting: »Zu aller erst ist es wichtig zu definieren, wer von Unternehmensseite her überhaupt als Talent wahrgenommen wird. Für ein Unternehmen sind ja bekanntlich Talente unersetzlich. Als weiterer Schritt sollte herausgefunden werden, welche Zielgruppe an Talenten den Unternehmenserfolg maßgeblich vorantreiben kann. Angesprochen werden diese Talente dann mit zielgruppenspezifischen und langfristigen Employer-Branding-Maßnahmen. Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist dies wichtiger denn je. Hier ist also der richtige Mix gefragt: Wurde bereits eine zielgruppenorientierte Arbeitgebermarke aufgebaut? Wie sieht das Talent Relationship Management im Unternehmen aus? Wie wichtig ist Mitarbeiterbindung und was wird dafür getan? Die richtigen Maßnahmen für Personalmarketing sowie die Nutzung sozialer Netzwerke und auch Ansätze des Active Sourcings werden diesbezüglich immer zentraler.«
Modernes Recruiting
Es ist die Pflicht von HR-Verantwortlichen und hier speziell von Recruitern, sich regelmäßig über neue Tools im Recruiting zu informieren. Häufig gilt leider auch im Recruiting: »Das haben wir immer so gemacht.« Dabei gibt es zahlreiche gute neue Ideen, die das Leben der Recruiter vereinfachen. In dieser Ausgabe lesen Sie auf Seite 48 ein Interview mit dem Gründer von myVeeta.com, ein Tool, das es ermöglicht, die Talentdatenbank aktuell zu halten. Innovativ für Bewerber, ist der »Bewerbungsbutler«, der die Kandidaten bei der Bewerbung unterstützt (www.bewerbungsbutler.at).
instapp, um noch ein drittes Unternehmen zu nennen, ermöglicht eine One-Click-Bewerbung für Kandidaten. Unternehmen können einen instapp-Button auf ihrer eigenen Karriereseite installieren und nehmen somit den möglichen Bewerbern Arbeit ab. Getreu der Devise: Mach es dem Jobsuchenden so einfach wie möglich. Es geht aber nicht darum, einzelne Tools zu kaufen oder an einzelnen Stellschrauben zu drehen. Für eine strategische Bewerberansprache bedarf es grundlegender Änderungen.

Jürgen Smid weiß genau, wie ein modernes Recruiting aussieht: »Modernes Recruiting ist mehr als ›post and pray‹ – das alleinige Schalten von Stelleninseraten reicht heute immer seltener, um passende Mitarbeiter zu gewinnen. Es geht heute viel mehr darum, Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Unternehmenskultur und Organisationsentwicklung als ganzheitlichen Prozess zu sehen und wesentliche Fakten zu kommunizieren. Dabei sind Stelleninserate noch immer wichtige Touchpoints. Im Idealfall sind diese die Eintrittskarte für Jobsuchende in eine Arbeitgeber-Erlebniswelt, die natürlich online stattfindet. Potenzielle Mitarbeiter gelangen also vom Inserat auf Karriere- bzw. Arbeitgeber-Profilseiten, wo sie alle wichtigen Informationen erhalten – und das authentisch, mobil-optimiert und userfreundlich. Hat sich der Interessierte entschieden, es bei dem Unternehmen zu versuchen, kann eine Bewerbung gleich per hinterlegtem Lebenslauf inklusive Anschreiben abgeschickt werden. Potenzielle Kandidaten, die nicht aktiv suchen aber grundsätzlich an einem Job interessiert sein könnten, erreicht man als Arbeitgeber über leistungsstarke Lebenslauf-Datenbanken. Dadurch wird der Pool potenzieller Mitarbeiter zusätzlich vergrößert.«

Auch Rudi Bauer kennt den Markt gut: »Modernes Recruiting ist überwiegend digital, nutzt vielfältige Wege und passiert immer stärker im mobilen Bereich. Die richtigen Bewerber für das Unternehmen zu interessieren und zu einer Bewerbung zu bewegen, erfordert eine individuelle Ansprache des Zielpublikums. Die Frage ›Was ist mehr für mich drin?‹ des qualifizierten Bewerbers steht im Raum und muss vom Unternehmen überzeugend beantwortet werden. Von Bewerberseite gefragt sind hier flexible Arbeitszeitmodelle, attraktive Aufgaben, ein kollegiales Umfeld und natürlich eine ansprechende Bezahlung. Die wichtigsten Kanäle sind wie schon in den letzten Jahren Online-Stellenbörsen und die firmeneigene Website.«
Modernes Talentmanagement
Wer nicht immer mit der Suche von Neuem beginnen möchte, der kümmert sich besser um eine vernünftige Bewerberdatenbank (und auch um alle rechtlich relevanten Datenschutzbedingungen). Das gilt natürlich für Talente, die bereits im Unternehmen sind genauso wie für abgelehnte Kandidaten.
Jürgen Smid: »Das variiert je nach Unternehmensgröße, Branche, Fachkräftebedarf und der Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Letztlich geht es immer darum, Talente frühzeitig zu erkennen, zu gewinnen und diese weiterzuentwickeln oder an interessanten Kandidaten ›dranzubleiben‹. Jedes Unternehmen muss selbst entscheiden, welche Form des Talent-Managements am praktikabelsten ist. Es sollte eine optimale Mischung aus Effizienz, niedrigen Kosten und größtmöglichem Tiefgang erzielt werden.«

Gerade in vielen Großkonzernen weiß die HR-Abteilung zu wenig über Talente. Hier sind ganz klar die jeweiligen Führungskräfte gefordert, intensiv mit HR zusammenzuarbeiten.

Rudi Bauer: »Der Personalabteilung kommt bei der Umsetzung von Talent-Management eine koordinierende Rolle zu – es ist jedoch nicht alleine Aufgabe von HR. Verantwortlich für die Umsetzung sollten in erster Linie die Führungskräfte sein. Talent-Management sollte auch unbedingt als Teil der Unternehmenskultur und Wertehaltung im Unternehmen, die von sämtlichen Mitarbeitern aller Ebenen getragen wird, betrachtet werden. Folgende Fragen sollte jeder Recruiter klären: Gibt es im Unternehmen bereits einen Talent-Pool? Wie sieht es mit strategischer Personalplanung aus? Welche Karrieremöglichkeiten haben Talente im Unternehmen? Unternehmen können gezielt darauf Einfluss nehmen, wie sie ihre Mitarbeiter behandeln. Und vergessen wir nicht: Zufriedene Mitarbeiter sorgen für eine positive Unternehmenskultur, dies wiederum führt zu mehr Erfolg und zieht motivierte Kandidaten an. Der Kreis schließt sich, dank professionellem Talent Management.«

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