Wer will denn noch arbeiten?

»Die Jungen können und wollen ja gar nicht mehr arbeiten.« »Früher hätte man es mit so einer Einstellung nicht geschafft.« Was will die junge Generation von Unternehmen?

Ein Geschäftsführer eines großen Telekommunikationsbetriebs soll einmal gesagt haben: »Für diejenigen, die gerne arbeiten, sind 8 Stunden zu wenig, während sie für diejenigen, die keine Freude an der Arbeit haben, schon zu viel sind.« Damit war gemeint, dass die Arbeitszeit sehr relativ ist. Ein Künstler, das1 in seiner Arbeit aufgeht kann nächtelang an einem Werk arbeiten ohne dabei zu ermüden oder gar die Lust zu verlieren. Es wird nicht einmal auf die Uhr schauen und die Bezahlung ist sekundär.
HR ist sehr stark gefordert, die Arbeit attraktiv zu gestalten, damit Mitarbeiter in ihr aufgehen und eben nicht auf die Uhr schauen und Stunden zählen. HR sollte seine (jüngeren) Mitarbeiter fragen: »Was können wir tun, damit Sie sich bei uns wohl fühlen und die Arbeit gerne ausüben, anstatt sich auf die einzelnen Stunden zu konzentrieren?«

Durch viel Kontrolle, lange Entscheidungswege, Hierarchien und alte Strukturen verlieren besonders junge Menschen den Sinn und die Freude an der Arbeit. Doch: Die Frage nach dem Sinn der Arbeit ist eine tiefgreifende und facettenreiche. Sie berührt sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Aspekte.

Auf individueller Ebene kann Arbeit als ein Mittel zur Selbstverwirklichung und zur Entwicklung von Fähigkeiten gesehen werden. Sie bietet die Möglichkeit, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten und ein Gefühl der Zufriedenheit und des Stolzes zu erlangen. Arbeit kann auch als eine Form der Selbstbestimmung gesehen werden, in der wir unsere Zeit und Energie in Aktivitäten investieren, die uns wichtig sind.

Auf gesellschaftlicher Ebene spielt Arbeit eine zentrale Rolle in der Struktur und Funktion unserer Gesellschaft. Sie ist ein Mittel zur Verteilung von Ressourcen und zur Schaffung von Wohlstand. Arbeit ermöglicht es uns auch, soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen und trägt zur Stabilität und zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei.
TRAiNiNG hat über dieses philosophische Thema mit Veronika Aumaier gesprochen.

Häufig wird behauptet, die junge Generation sei faul und arbeitsunwillig. Die Zahl derer, die Teilzeit arbeiten möchten, steigt rapide. Wie sehen Sie das?

Veronika Aumaier: »Motive, um Teilzeit arbeiten zu wollen, gibt es wie Sand am Meer: Faulheit und Arbeitsunwilligkeit sind dafür im Regelfall nicht ausschlaggebend. Es liegt eher am Wunsch, Kreativität und Diversität individuell ausleben zu wollen, wenn Vollzeitbeschäftigungsdienstverhältnisse nicht mehr die alleinig angestrebte Variante sind. Wir treffen im Coaching auf junge Menschen, denen Teilzeitdienstverhältnisse ermöglichen, nicht nur eine berufliche Neigung ausleben zu können, sondern sich durch die unterschiedlichen Anforderungen aus zwei Berufen spannende Vielfalt zu suchen. Dass das ein Höchstmaß an Organisationsgeschick und persönlicher Flexibilität fordert, ist – by the way – resilienzstärkend! Außerdem wird das Ausmaß der Wochenstunden im Dienstverhältnis dem persönlichen Life Cycle angepasst – Phasen der Vollzeitbeschäftigungen sind damit nicht ausgeschlossen. Diese junge Generation wird ständig einer sich stark verändernden Arbeitswelt gegenüber stehen. Ausgeprägte Anpassungsfähigkeit und unterschiedlichste Berufserfahrung, wie sie sich beispielsweise durch diverse Teilzeitjobs erwerben lässt, bilden dafür eine hervorragende Grundlage.«

Was muss HR tun, um das Unternehmen für die junge Generation attraktiv zu gestalten?

Veronika Aumaier: »Human Resources muss zu Human Relations werden. Also darauf einwirken, dass ein pro-aktives Miteinander und ein ergebnisorientiertes, selbstorientiertes Mitgestalten selbstverständlich werden. Dafür braucht es Führungskräfte, die in der Lage sind, den dafür benötigten Arbeitsrahmen zu schaffen und zu halten: New Work braucht New Leadership und New Workforce! HR kann damit das jahrelang angehäufte Wissen nun endlich für dringend benötigte zielgruppenspezifische Qualifizierungen einsetzen und dafür Produkte und Tools bereit stellen, die das effektiv unterstützen. Wenn HR diese Chance erkennt, dann schlägt endlich die Stunde der Anerkennung und Wertschätzung für HR-Arbeit, die so lange herbeigesehnt wurde! Also frisch ans Werk und Dankbarkeit für die Chance, statt Jammern über die Ansprüche einer jungen Generation.«

Viele Vertreter dieser Generation suchen noch stärker den Sinn der Arbeit. Kann es den bei jedem Job geben?

Veronika Aumaier: »Nein, aber Berufe oder Tätigkeiten, die als Ergänzung zu wirtschaftlichen Teilzeitanstellungen bei uns im Coaching genannt werden, sind beispielsweise Autor, Musiker, Sportler, Student, Landwirt, Mithilfe im elterlichen Gewerbebetrieb, Business Coach etc. Sie ermöglichen den Betroffenen ein erfüllteres berufliches Leben mit mehr persönlicher Sinnstiftung, als es ein einzelner Vollzeitberuf oftmals bieten kann. Dass deswegen der Broterwerb nicht gewürdigt wird, ist nicht der Fall. Man weiß vielfach zu schätzen, dass die Kombination aus wirtschaftlicher Tätigkeit, die das regelmäßige Einkommen sichert, und persönlicher Vorliebe, bei der man nach eigenem Gutdünken agieren kann, in Summe Zufriedenheit und Wohlergehen bietet.«

Müssen sich die Unternehmen wirklich an die junge Generation anpassen? Oder gibt es noch einen anderen Weg?

Veronika Aumaier: »Derzeit erleben wir aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten 40 bis 50 Jahre eben die Auswirkungen der geburtenärmeren Jahrgänge. Das der jungen Generation anzukreiden, ist keine Lösung, sondern ist lediglich eine bequeme Klärung durch ›Schuldzuweisung‹. Es war absehbar und einschätzbar, und es liegt in der Aufgabe einer Unternehmensführung, darauf adäquat zu reagieren. Besser ist, mit neuen Angeboten, neuen Umgangsformen, neuen Arbeitsweisen auf diesen Wandel zu reagieren, der sich in New-Work- und New-Leadership-Anforderungen ganz konkret zeigt und dessen Umsetzung von den gewachsenen, langjährigen Unternehmen zu vollziehen ist. Die Start-up-Szene hat damit kein Problem. Sie zeigt schon lange in sehr ausgeprägter Form vor, ›wie es sonst auch noch geht‹! Die Welt dreht sich derzeit intensiv und schneller weiter als je zuvor. Neue Herausforderungen können immer mit einer aufgeschlossenen Zukunfts- und Lösungsorientierung gemeistert werden.«
Fazit
Die Frage, wie junge Menschen arbeiten möchten, ist für Unternehmen und HR von großer Bedeutung, da sie die zukünftige Gestaltung unserer Arbeitswelt maßgeblich beeinflusst. Es gibt jedoch keine universelle Antwort auf diese Frage, da die Vorstellungen und Wünsche von Arbeit stark von individuellen Präferenzen, kulturellen Kontexten und sozioökonomischen Bedingungen abhängen. Klar ist jedoch: Viele junge Menschen streben nach einer Arbeit, die nicht nur finanzielle Sicherheit bietet, sondern auch sinnvoll ist und einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leistet.

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Aumaier

Veronika Aumaier
Geschäftsführung Aumaier & Partner Coaching GmbH.
www.aumair.com